Hilfswerk: Nordirakische Christen vor Referendum unter Druck

17. August 2017 in Weltkirche


"Kirche in Not"-Verantwortliche Karin Fenbert: Christen droht Ärger, egal wie sie sich bei Abstimmung über Unabhängigkeit der autonomen Region Kurdistan vom irakischen Staat positionieren


Vatikanstadt-Bagdad (kath.net/KAP) Das für Ende September von der kurdisch geführten Regierung in Erbil geplante Referendum über eine Unabhängigkeit der autonomen Region Kurdistan vom irakischen Staat bringt die örtlichen Christen in eine schwierige Situation. Egal wie sie sich positionierten, würden sich die Christen Feinde machen, schilderte die Geschäftsführerin des deutschen Zweigs des Hilfswerks "Kirche in Not", Karin Maria Fenbert, gegenüber "Radio Vatikan".

Fenbert ist soeben von einer Reise in den Nordirak und ins syrische Aleppo zurück gekommen. Zur anstehenden Volksabstimmung wollten sich die Christen im Nordirak "aus verständlichen Gründen nicht äußern", berichtete sie am Mittwoch von ihren Eindrücken: "Als Außenstehende denke ich mir, wenn sie mit 'Ja' stimmen und es zu einer Abspaltung kommt, gibt es nicht nur Ärger mit der Regierung in Bagdad, sondern auch mit der Türkei, die nicht dabei zusehen wird, dass ein unabhängiges Kurdengebiet entsteht. Wenn hingegen mit 'Nein' gestimmt wird, droht den Christen Ärger von kurdischer Seite, auf deren Territorium sie aber weitestgehend wohnen."

In den vergangenen Wochen mehren sich die Anzeichen dafür, dass die kurdischen Autoritäten die Christen bei ihren Plänen für ein unabhängiges Kurdistan verstärkt einspannen wollen und eine Einbeziehung der Ninive-Ebene in das kurdische Gebiet anstreben. Der Präsident der autonomen Region Kurdistan im Irak, Masud Barzani, stellte den Christen für den Fall eines erfolgreichen Referendums sogar mehr Rechte für ihre Minderheit in Aussicht. Gleichzeitig sorgte die Absetzung mehrerer christlicher Bürgemeister in der Ninive-Ebene für Spannungen. Sie wurden auf Antrag des Vorsitzenden des kurdisch dominierten provisorischen Provinzrates von Ninive, Bashar al-Kiki, u.a. wegen angeblicher Korruptionsvorwürfe, aus ihren Ämtern enthoben.

Der "Kirche in Not"-Delegation - das katholische Hilfswerk hat federführend die Kampagne "Niniveh Reconstruction Committee" (NRC) ins Leben gerufen - wurde nach eigenen Angaben der Zugang zur mittlerweile vollständig von der IS-Terrormiliz befreiten Stadt Mossul verweigert. Stattdessen war das Team unter anderem in der christlichen Stadt Karakosh. Dort schreite der Wiederaufbau voran, berichtete "Kirche in Not"-Geschäftsführerin Fenbert. Viele Häuser seien auch mit Unterstützung des Hilfswerks bereits wieder aufgebaut worden. Im Schnitt kehrten fünf christliche Familien am Tag in die Stadt zurück, berichtet Fenbert unter Berufung auf ihre Projektpartner. Besonders weit fortgeschritten sei auch der Wiederaufbau des nahen Dorfes Tel Eskof.

Insgesamt ist die Sicherheitslage in der Region nach Angaben der Helfer aber weiterhin prekär. In der christlichen Bevölkerung der Ninive-Ebene sitze auch der Schock nach der islamistischen Gewalt tief. "Unisono wurde uns in allen Ortschaften erzählt, dass die Häuser geplündert wurden, (...) viele Häuser wurden in Brand gesetzt, und zwar nicht unbedingt nur, um zu zerstören, sondern auch, um Flugzeuge davon abzuhalten, gegen den IS vorgehen zu können", berichtete Fenbert. Zahlreiche Häuser seien mit Einschüchterungsversuchen beschmiert worden und der Drohung, das die Islamisten wieder kommen würden. Verständlich sei vor diesem Hintergrund, dass auch das Misstrauen gegenüber den muslimischen Nachbarn gestiegen sei.

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