Franz Reinisch – ein prophetischer 'Aussteiger'?

14. August 2017 in Chronik


Der Pallotinerpater starb 1942, weil er feststellte, er könne den Eid auf einen, der Unschuldige ermorden lässt, Länder besetzt und dem Rassenwahn verfallen ist, nicht leisten. Gastbeitrag von Pater Heribert Niederschlag SAC


Vallendar (kath.net) Propheten sind berufen, Gottes Willen konkret in eine Gesellschaft hineinzusprechen, die sich von Gott abgewandt hat und der Verderben und Untergang drohen. Unverstanden in ihrer Zeit waren sie „Steine des Anstoßes“. Zu diesen prophetischen Gestalten dürfen wir aus unserer jüngeren Vergangenheit auch Franz Reinisch zählen. Er war Pallottiner und der einzige katholische Priester, der den Fahneneid auf Hitler verweigert hat und dafür am 21. August 1942 im Zuchthaus Brandenburg-Görden enthauptet wurde. Im Sommer 1942 hatte Hitler den Zenit der militärischen Erfolge erreicht. Schon bald nach der Machtergreifung Hitlers braute sich ein tödlicher Hass gegenüber allen zusammen, die nicht auf seiner Linie waren. In dem zunehmend totalitären Klima wuchs zwar der Widerwille gegen das menschenverachtende Regime, aber er wuchs bis zum Jahr 1942 nur in seltenen Fällen zum Widerstand aus. Freimütig und nüchtern konstatiert Franz Reinisch, dass sich christlicher Glaube und Nazi-Ideologie ausschließen. Ein Christ könne nicht zugleich Nazi sein.

Franz Reinisch will sich die Freiheit nicht nehmen lassen, sich zu Christus zu bekennen. Für ihn ist die Kirche ein Hort der Freiheit. Franz Reinisch weiß und er erfährt es am eigenen Leibe, wie Freiheit zu einer schweren und gefährlichen Last werden kann. Allmählich reift in ihm der Gedanke, dem verbrecherischen Regime nicht zu dienen und den Fahneneid zu verweigern. Seine Vorgesetzten drängen ihn, den Eid zu leisten. Sie fürchten um das Leben ihres Mitbruders und um Repressalien, die die ganze Gemeinschaft der Pallottiner treffen könnte. Franz Reinisch nimmt in Kauf, von seinen Vorgesetzten nicht verstanden zu werden und sich dem Vorwurf des Ungehorsams ihnen gegenüber auszusetzen. Er beruft sich auf sein Gewissen. Im Gewissen glaubt er, den Anruf Gottes zu vernehmen, den Eid zu verweigern. Er ist überzeugt, dass er im Gehorsam gegenüber Gott zum Wohl Deutschlands und auch zum Segen der Kirche diesen einmal eingeschlagenen Weg zu Ende gehen muss.

Als er den Einberufungsbefehl in die Sanitätskaserne von Bad Kissingen erhält, meldet er sich bewusst einen Tag später und äußert seinen festen Entschluss, nicht unter dem Nazi-Regime Soldat werden zu wollen. Daraufhin wird er verhaftet, nach Berlin überstellt und am 7. Juli zum Tode durch das Fallbeil verurteilt.

Wenn Treue zum einmal getroffenen Entscheid in die Isolation der Gefängniszelle führten, musste das Unverständnis der Welt, die von Verschrobenheit und Starrsinn reden mochte, eben ertragen werden. Nicht der Ruf, den man in seiner Umgebung hatte, sondern der eigene, innere galt. Ein Jahr später wird Franz Jägerstätter ebenfalls in Berlin vom Reichskriegsgericht verurteilt und hingerichtet. Auch er beruft sich auf das Gewissen.

Der Konflikt mit seinen zuständigen kirchlichen Vorgesetzten setzte Reinisch zu. Er hat sich mit dem Vorwurf des Ungehorsams intensiv auseinandergesetzt. „Ich betone: ich habe jeden Befehl, jede Versetzung, u. mag sie noch so unangenehm gewesen sein, ausgeführt, um diesem Entscheid zu entgehen.“ Mit allem Nachdruck betont Reinisch, dass der eingeschlagene Weg für ihn Gottes Wille sei. Was er an Schaden von der Gesellschaft habe abwenden können, habe er im Voraus zu beseitigen versucht. Im Spannungsfeld von Freiheit und kirchlicher Autorität tritt Franz Reinisch entschieden für den Vorrang der freien Gewissensentscheidung ein. Er hat ein Zeichen gesetzt, dass der Einzelne die Spur Gottes in seinem Leben auch dann entdecken und ihr folgen kann, wenn der Giftnebel des Zeitgeistes das Licht der Wahrheit kaum durchschimmern lässt, und wenn die kirchliche Autorität in eine andere Richtung drängt. P. Reinisch sieht seine Entscheidung zutiefst spirituell begründet. Er hat sich wiederholt intensiv geprüft und kann zu keinem anderen Ergebnis kommen, dass seine Entscheidung dem Willen Gottes entspricht.

Auf den Einwand, Hitler sei die rechtmäßige und sogar gottgewollte Autorität, reagiert Franz Reinisch mit dem Hinweis auf sein verbrecherisches Handeln. Er könne den Eid auf einen, der Unschuldige ermorden lässt, Länder besetzt und dem Rassenwahn verfallen ist, nicht ohne Bedenken und nicht ohne Vorbehalte leisten. Diese Halbherzigkeit lässt sich nicht mit den Anforderungen an einen Eid vereinbaren. Wenn er einen Eid leistet, soll es bedingungslos und ohne Vorbehalte geschehen.

Mit seiner Lebensentscheidung hat sich Reinisch außerhalb der damaligen naziverseuchten Gesellschaft gestellt. Er hat sie aus dem Glauben an Christus getroffen und er verstand sie als Samenkorn, das in die Erde fällt und aus dem ein Baum erwächst, dessen Früchte spätere Generationen stärken sollten. Franz Reinisch hat mit seiner Entscheidung ein Zeichen der Hoffnung gesetzt, das ermutigt, „gegen die Zeit ein richtiges Leben zu führen“ (Peter Handke).

Hintergrund:
In Vallendar-Schönstatt fand der Tiroler Pallottiner-Pater Franz Reinisch seine spirituelle Heimat. Sein Gewissen verbat es ihm, den Fahneneid auf Hitler zu leisten – eine einsame Entscheidung, die er in der Kapelle von Schönstatt fällte und die ihn am 21. August 1942 auf das Schafott brachte. Am 28. Mai 2013 wurde in Trier der Seligsprechungsprozess für P. Franz Reinisch offiziell eröffnet.

In wenigen Tagen werden Menschen in Vallendar-Schönstatt, Innsbruck, Bad Kissingen oder Kiel seiner anlässlich seines 75. Todestages gedenken. Alle bisher bekannten Termine finden Sie hier: www.franz-reinisch.org.

P. Dr. Heribert Niederschlag SAC ist der Postulator des Seligsprechungsprozesses von Pater Reinisch.

Pater Franz Reinisch


Foto (c) Franz Reinisch Forum


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