Wie definitiv ist das Frauenordinations-Verbot? Eine Streitfrage

31. Juli 2017 in Weltkirche


In "Herder Korrespondenz" kommen Dogmatikerin Rahner und Kirchenrechtler Bier zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Hintergrundbericht von Robert Mitscha-Eibl


Freiburg-Wien (kath.net/KAP) Das Frauenpriestertum bleibt eine theologische Streitfrage: In der August-Ausgabe der "Herder Korrespondenz" (HK) nennen die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner und der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier ihre Argumente für die Verbindlichkeit bzw. Überholbarkeit der lehramtlichen Festlegung auf ein Nein und kommen hinsichtlich der Frage "Wie definitiv ist das Verbot?" zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen.

Für Rahner ist Christus bzw. der Logos in erster Linie Mensch und nicht Mann geworden, zu einer dennoch so begründeten Ablehnung von Priesterinnenweihen könne der "katholische gesunde Menschenverstand" hier nur "definitiv nein!" sagen. Bier verweist demgegenüber auf die auch von Papst Franziskus bestätigte Festlegung seines Vorgängers Johannes Paul II.: "Jene Tür ist geschlossen", sie könne nur gewaltsam aufgebrochen werden und dadurch womöglich eine "tragende Wand" zerstört werden.

Zulehner: Symbolebene spielt wichtige Rolle

Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner erklärte auf "Kathpress"-Anfrage: Meinungsumfragen ergäben stets Mehrheiten dafür, die Priesterweihe von Frauen zuzulassen. Dies sei ein "genereller Befund in europäischen Umfragen" und zeige einen anhaltenden Dissens zwischen Verantwortlichen für das Lehramt und der Mehrheit der einfachen Kirchenmitglieder an. Sich bei Reformrufen jedoch auf den Sensus fidelium, den Glaubenssinn der Gläubigen zu berufen, sei nicht unproblematisch, so Zulehner. Denn dabei sei für die Wahrheitsfindung "Einmütigkeit" gefordert - und wer wolle die feststellen?

Die Schwierigkeiten mit dem Frauenpriestertum liegen nach der Einschätzung des Werteforschers auf der Ebene kulturell tief eingeprägter Symbole: Seit der Antike werde das Göttliche in unseren Breiten mit dem Männlichen assoziiert, das Weibliche jedoch eher mit Fruchtbarkeit und Erde. Hindernisse auf biblisch-theologischer Ebene sieht Zulehner seit der Konzilsgeneration ausgeräumt, es gebe heute "keine plausiblen theologischen Gründe" für ein Priesterinnenverbot mehr. Deshalb Zulehners Einschätzung: Die Frauenordination werde kommen, früher oder später.

Christus in erster Linie "Mensch" geworden

Zurück zur "Herder Korrespondenz": Johanna Rahner argumentiert gegen den immer wieder vorgebrachten Hinweis darauf, in der Kirchengeschichte habe es nie Weiheämter für Frauen gegeben - just mit der Tradition: "Keiner (!) der Väter der altkirchlichen Konzilien und keiner (!) der großen Theologen der ersten fünf Jahrhunderte kennt oder vertritt den Satz, dass der Logos 'Mann' geworden sei. Dieser Satz war und ist weder rechtgläubig noch katholisch, und das aus gutem Grund!"

Ausdrücklich grenzt sich Rahner damit von Aussagen ihres Landsmannes, Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, ab. Dieser hatte noch vor seiner Tätigkeit als Präfekt der Glaubenskongregation zur Lehrentscheidung von Johannes Paul II. in "Ordinatio sacerdotalis" (1994) festgehalten, das "Mannsein Jesu" gehöre "zur Selbstaussage des Logos im Fleisch"; und zur "Substanz des Weihesakraments" gehöre "auch der Geweihte" und dessen Mannsein, um "in seiner Person" Christus und seine konstitutive Beziehung zur Kirche darzustellen.

Die ähnlich auch in Lehramtsdokumenten vorgebrachten Aussagen "sind mitunter kaum gegen den Verdacht einer kulturell bedingten, patriarchal imprägnierten Denkform einer impliziten oder expliziten Abwertung der Frau zu verteidigen" und würden das lehramtliche Bekenntnis zur gleichen Würde und gleichen Berechtigung der Frau wieder infrage stellen. Die Tübinger Theologin: "Es geht um die Glaubwürdigkeit der Kirche."

Rahner nimmt Anstoß an den "schweren Geschützen katholischer Doktrin"; mit Begriffen wie "definitiv" oder gar "unfehlbar" werde die fehlende Vollmacht unterstrichen, Frauen zu ordinieren, diese Entscheidung sei daher in unbedingtem Glaubensgehorsam anzunehmen. Dass die "strengen Kriterien der Unfehlbarkeit" mit dem apostolischen Schreiben des Wojtyla-Papstes erfüllt seien, bestreitet Rahner. Laut dem Lehramt selbst liege hier keine unfehlbare Aussage vor, sie fordere keinen Glaubensakt, solle aber "fest angenommen und bejaht" werden. Dazu zitiert Rahner den ungarischen Jesuiten Ladislas Örsy: Wie könne "eine Lehre, die nicht durch den Beistand des Heiligen Geistes als unfehlbar gewährleistet wird, wie es bei unfehlbaren Definitionen der Fall ist, irreformabel, unveränderlich" sein?

"Per Definitionem ein Dogma"

Darauf antwortet der Kirchenrechtler Georg Bier in derselben HK-Ausgabe. Eine "ex-cathedra"-Lehre des Papstes sei nicht die einzige Möglichkeit, in der katholischen Kirche unfehlbar zu lehren. Auch durch ein Ökumenisches Konzil oder Einmütigkeit der Bischöfe könne dieser hohe Verbindlichkeitsgrad zustande kommen.

Bier erinnert auch an den Weltkatechismus und dessen Definition eines Dogmas. Ein solches liege dann vor, wenn das Lehramt "in einer das christliche Volk zu einer unwiderruflichen Glaubenszustimmung verpflichtenden Form Wahrheiten vorlegt, die in der göttlichen Offenbarung enthalten sind oder die mit solchen Wahrheiten in einem notwendigen Zusammenhang stehen". Für das Verbot der Frauenpriesterweihe werde dieser "notwendige Zusammenhang" ausdrücklich festgehalten.

Entgegen der Einschätzung der deutschen Religionsjournalistin Christiane Florin in ihrem vieldiskutiertem Buch "Der Weiberaufstand" (München 2017) sei die in "Ordinatio Sacerdotalis" dargestellte Lehre somit nicht "knapp am Dogma" und "hart an der Unfehlbarkeitsgrenze", wie der Kirchenrechtler betont. Nach lehramtlichem Verständnis handle es sich vielmehr um "ein Dogma oberhalb der Unfehlbarkeitsgrenze und - wenn man so will - hart an der 'Offenbarungsgrenze'. Diese kann noch überschritten, die Unfehlbarkeitsgrenze indes nicht mehr unterschritten werden."

Unter Lehramtsträgern keine "Abweichler"

Dennoch sind laut Georg Bier nicht wenige Katholikinnen und Katholiken überzeugt, über die Frauenpriesterweihe müsse nur lange genug diskutiert werden, dann werde sich die Lehre schon ändern. Dem habe allerdings Papst Franziskus am Beginn seines Pontifikats den Boden entzogen, als er an das Nein zur Frauenordination mit den Worten erinnerte: "Das hat Johannes Paul II. gesagt, und zwar mit einer definitiven Erklärung. Jene Tür ist geschlossen." Bier dazu: Nimmt man "Ordinatio Sacerdotalis" beim Wort, gelte sogar: "Die Tür ist verschlossen, und nicht einmal das kirchliche Lehramt besitzt einen Schlüssel. Die Tür könnte allenfalls mit Gewalt aufgebrochen werden."

Dass die Träger des Lehramts dies auch nur in Erwägung zögen, ist laut dem Kirchenrechtler nicht erkennbar. Von abweichenden Meinungen unter Bischöfen zur Frauenweihe sei "bis heute nichts bekannt". Und selbst wenn sie zur Öffnung oder der Debatte darüber bereit wären: "Die Tür würde dabei aus den Angeln gerissen", warnt Bier vor innerkirchlichen Erschütterungen.

Ob die Priesterweihe für Frauen in Zukunft möglich sein wird oder nicht, hängt laut dem Kirchenrechtler nicht von der Qualität der Argumente ab. Es gehe auch nicht um eine Frage des "guten Willens" oder des Mutes zur Veränderung. Ausschlaggebend sei vielmehr: Nach dem Selbstverständnis des katholischen Lehramts ist das Thema als endgültig entschieden anzusehen - und zwar zu Ungunsten der Frauenpriesterweihe. Dieser Befund "wird manche ernüchtern", weiß Bier. Aber er hält es für "unredlich", Reformbefürwortern in der Frage der Frauenordination zu signalisieren: Eine Veränderung sei im Bereich des Möglichen.

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