US-Experten warnen vor Transgender-Boom bei Kindern

27. Juli 2017 in Aktuelles


Wiener IMABE-Institut verweist auf Forscher, die zu Zurückhaltung bei frühzeitigen Hormonbehandlungen vor der Pubertät mahnen


Wien-Washington (kath.net/KAP) Erfahren Menschen eine Nicht-Übereinstimmung zwischen ihrem erlebten und biologischen Geschlecht, spricht man von einer Geschlechtsidentitätsstörung (GIS), auch Transsexualität genannt. Sie zeigt sich in dem Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden - auch mittels hormoneller und chirurgischer Eingriffe. US-Experten warnen nun vor einer frühzeitigen Behandlung von Transgender-Kindern mit Hormonen, die die Pubertät unterdrücken, berichtet das Wiener kirchliche Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) in seinem Informationsdienst "bioethik aktuell".

Der Leidensdruck für betroffene Kinder wie auch deren Eltern sei groß, wird festgehalten. Gerade Fälle mit Kindern seien allerdings heikel, da es sich um eine besonders vulnerable Patientengruppe handelt und es die Eltern sind, die für ihre Kinder entscheiden. IMABE verweist dazu auf die Lage in Großbritannien, wo das "Gender Identity Development Service" zuletzt einen rasanten Anstieg von Interessenten meldete: Während im Jahr 2009/10 94 Kindern mit Eltern die Institution aufsuchten, waren es im Jahr 2016/17 bereits 1.986. Auch in den USA boomen demnach Gender-Kliniken für Jugendliche: Im Jahr 2014 gab es 24 Kliniken, vorwiegend an der US-Ostküste und in Kalifornien, im Jahr 2015 gab es bereits 40 im ganzen Land.

Michelle Cretella, Präsidentin des American College of Pediatricians, hält die immer häufiger werdenden Hormonbehandlungen im Kindesalter für ein nicht-wissenschaftliches Massenexperiment und warnt vor einem unverantwortlichen Boom. In einer im Vorjahr im "Journal of American Physicians and Surgeons" publizierten Überblicksarbeit betonte die Kinderärztin, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis gebe, wonach die Störung der Geschlechtsidentität angeboren wäre. Bei 80 bis zu 95 Prozent der Kinder handelte es sich um ein vorübergehendes Phänomen. Die Symptome verschwanden, die Kinder lernten ihre biologische Eigenart zu akzeptieren und waren nach Abschluss der Pubertät emotional stabil. Weder Hormonbehandlung noch spätere chirurgische Eingriffe zur Geschlechtsumwandlung waren offenbar nötig.

Dass insbesondere der Beginn einer hormonellen Behandlung bei Kindern auch unter Fachleuten kontrovers diskutiert wird, betonen auch die Leitlinien für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP). Es lägen bisher keine systematischen Untersuchungen vor, wie sich eine hormonelle Behandlung vor Pubertätsabschluss auf die weitere Entwicklung der Geschlechtsidentität auswirke, heißt es darin.

Für Eltern von Kindern mit Geschlechtsdysphorie kann eine Hormonbehandlung, die die Pubertät unterdrückt, verlockend wirken, schreiben die US-Wissenschaftler Paul W. Hruz, Paul R. McHugh und und Lawrence S. Mayer in einer Analyse des Themas in der Vierteljahresschrift "New Atlantis" (Ausgabe Frühjahr 2017). Sie zeigen großes Verständnis für betroffene Eltern, die große Angst und Not durchleben und ihre Hoffnung auf eine "medizinische Lösung" setzen. Doch die Autoren warnen vor Kurzschlüssen.

Zum einen gebe es kaum wissenschaftliche Literatur darüber, warum manche Menschen eine Geschlechtsidentitätsstörung entwickeln. Außerdem sei die Zurechnungsfähigkeit von Kindern, die sich kaum der Tragweite ihrer Wünsche bewusst sind, zu hinterfragen. Zum anderen sei der Erfolg der Pubertätsunterdrückung - gemessen an einer Verringerung von pubertätsbedingten psychischen Traumata und einer Verhinderung von Suiziden - unbewiesen. Die Pubertät hormonell zu blockieren, sei ein rein experimentelles Verfahren. Es widerspreche dem ärztlichen Ethos, derartige Verfahren ohne intensive Vorabprüfung bei Kindern anzuwenden. Letztlich müssten die Erziehungsberechtigten der ärztlichen Behandlung zustimmen - und auch dazu, dass ihre Kinder Forschungsgegenstand für Tests von ungeprüften Therapien werden, kritisieren die Experten. Das Fazit der Forscher: "Unabhängig von den guten Absichten der Ärzte und Eltern: Wer junge Menschen solchen Behandlungen aussetzt, gefährdet sie."

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