Von Ablenkungsmanövern und Achtsamkeit

21. Juli 2017 in Kommentar


Gott braucht dich, du unperfektes, schwaches, unendlich geliebtes Kind! Für andere, die ihn noch nicht kennen. BeneDicta von Petra Knapp-Biermeier.


Linz (kath.net) Die Fahrtluft kühlt wunderbar. Es ist kurz nach neun, und einer dieser heißen Julitage liegt hinter uns. Ich liebe unsere Harley Davidson, auf der wir noch eine Abendrunde drehen, weg von Baustellen jeglicher Art, Pause, Abstand, Nachdenken definitiv unerwünscht. Das Leben hat sich wieder mal zu drehen begonnen, immer schneller, noch mehr Arbeit, noch mehr Ehrgeiz, die Dinge gut und noch besser zu machen, noch mehr Pläne, noch mehr, immer mehr.

Keine Ruhe. Kaum Gebet. Es erstaunt mich, wie schnell ich herauskippe aus dem Frieden, dem Geborgensein im Willen Gottes, wie selbstverständlich die Mechanismen dieser Welt sich hineinbohren in mein Leben, wie jede kleine Beschäftigungslücke, jede Atempause sich sofort füllt, mit kleinen Unsinnigkeiten, mit Facebook, WhatsApp & Co – wenn ich nicht achtsam bin.

Wenn ich in meinen Pausen nicht auftanke und andocke an den Allerhöchsten, sondern mich ablenken lasse, dann werden mit der Zeit aus bedeutungslosen Lücken gewaltige Löcher, in denen sich Unschönes sammelt. Ich weiß nicht mehr, wie mir geschieht. Groll zerfrisst mich, Gedanken quälen, Selbstmitleid drückt nieder, so wie jetzt, als wir Kurve um Kurve den Berg hochfahren, vorbei an einem Dickicht an Tannen und einem Hasen, der in Windeseile durch ein Feld saust.

Fünf Minuten später steht ein Glas Rotwein vor mir, und ich starre auf die verblichene gelbe Decke auf dem runden Tischchen. Eine Fliege landet auf dem Teller und krabbelt etwas verloren herum. Wir sind die einzigen hier. Der Kaffeehausbesitzer setzt sich zu uns, erzählt von seiner Arbeit, seinen Ängsten, seinen Erlebnissen. Mein Mann hört zu, nickt, lacht, versteht, bringt Gott ins Spiel, seine Liebe, seine Sehnsucht nach uns.

Die Atmosphäre ändert sich. Ich werde wacher, aufmerksamer, begreife, beginne zu beten. Nach einer halben Stunde setzt sich ein Mann dazu, dessen Freundin, später kommt noch einer. Kurz vor Mitternacht sitzen wir zu acht um das kleine Tischchen. Noch immer geht es um Gott, den einen, der uns nicht loslässt, auch wenn wir unachtsam dahin stolpern. Ich bin mittlerweile hellwach.

Meine eigenen Sorgen sind in den Hintergrund getreten. Ich sehe, dass Gott zu den Menschen kommen will. Und noch während wir kurz darauf wieder den Berg hinunterrollen, wird mir klar, dass Gott unsere Begrenztheiten ganz ungeniert ignoriert. Es spielt keine Rolle für ihn, welchen IQ du hast, ob du narzisstisch bist, gegen Abhängigkeiten kämpfst, oder ob du einfach gerade schlecht drauf bist. Er will dich rausholen. Und seinen Frieden drauflegen – auf die Wunden, die Probleme, die noch immer da sind, die dich seit Jahren begleiten, Gott weiß warum.

Er will wirken, durch dich, in deiner Schwachheit, trotz deiner Schwachheit. Er wartet nur auf dein ehrliches Ja, auf deine minimale Bereitschaft, ihm deine Hand zu geben und ihm die Führung zu überlassen. „Bring deine Sorgen ins Licht meiner Gegenwart, wo wir gemeinsam mit ihnen fertig werden können. Konzentriere dich darauf, mir zu vertrauen…“, schreibt Sarah Young in ihrem Buch „Ich bin bei dir. 366 Liebesbriefe von Jesus“, das mir Tage später in die Hände fällt. „Bekenne, dass du mir vertraust, unabhängig davon, wie du dich fühlst. Wenn du daran festhältst, werden deine Gefühle schließlich deinem Glauben folgen.“

Der abendliche Ausflug hat mich wieder wachgerüttelt. Ja, Gott braucht dich, du unperfektes, schwaches, unendlich geliebtes Kind! Lass dich nicht zu lange hineinfallen in deine Traurigkeit, deine Selbstgerechtigkeit, deinen Stolz, deine Verbissenheit, dein Selbstmitleid. Gleich nebenan warten sie, unruhige, hungrige Herzen, die ihren Erlöser suchen. Du hast eine große Berufung! Suche Gottes Nähe, trotz alledem. Denn deine Nähe zu Gott wird andere segnen, „weil du durch sie in dieser dunklen Welt wie ein helles Licht scheinst“ (S. Young).

Buchtipp: Sarah Young, Ich bin bei dir. 366 Liebesbriefe von Jesus. Gerth Verlag


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