Prüller: Zusammenhang von Ehe und Weitergabe des Lebens sehen

5. Juli 2017 in Österreich


Kommunikationschef der Erzdiözese Wien: Ohne Bezug zu Lebensweitergabe, einschließlich der dafür notwendigen Kombination von Mann und Frau, wird Ehe etwas Privates und verliert ihre gesellschaftliche Relevanz


Wien-Berlin (kath.net/KAP) Der Beschluss des deutschen Bundestags ebenso wie Umfragen in Österreich zugunsten der "Ehe für alle" zeigten zwar viel in der Bevölkerung vorhandene Empathie für sexuelle Minderheiten, aber auch, dass "uns etwas Entscheidendes verloren gegangen" sei - der Zusammenhang von Ehe und Weitergabe des Lebens: Das betont der Kommunikationschef der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, in seiner aktuellen Wochenkolumne "Culture Clash" für die Zeitung "Die Presse" (Sonntag).

Es sei früher klar gewesen, dass die Ehe "auch eine Funktion für die Gesellschaft und ihren Fortbestand" habe, erinnert der Wiener Diözesansprecher: "In allen Kulturen der Welt waren die Ehetraditionen Teil einer - wohl evolutiv entwickelten - Überlebensstrategie. Die normative Kraft des sozialen Grundmusters einer auf Nachkommenschaft ausgerichteten Ehe hat Männer und Frauen dazu gebracht, sich früher und fester und damit nachwuchsfördernder aneinander zu binden, als sie es sonst getan hätten. Der spezielle Charakter von Hochzeitsfesten, die oft mehrere Tage gedauert und das ganze Dorf - bei Herrscherfamilien das halbe Land - versammelt haben, hat die Freude und Verheißung der Fruchtbarkeit widergespiegelt: Der Strom des Lebens geht weiter."

Ein starkes Familienleitbild, das Kinderwunsch und Ehe "als eines bewirbt", führe zu Beziehungen, die im Schnitt stabiler seien. Sie würden früher beginnen, länger halten "und damit genau jenen demografischen Unterschied machen, der über Florieren oder Aussterben" entscheide - früher hat man das zumindest geahnt", so Prüller.

Er warnt davor, den Bezug auf die Weitergabe des Lebens auzuklammern. Ohne diesen, einschließlich der dafür notwendigen Kombination von Mann und Frau, werde die Ehe etwas Privates und verliere ihre gesellschaftliche Relevanz.

Der Gesetzgeber löse jetzt allerdings "die Charakteristika der Ehe Stück für Stück auf - bis sie allen alles und damit zum Nichts geworden sein wird", warnt Prüller. Man sehe die Fruchtbarkeit als für den Ehebegriff unerheblich und "Kindersegen als nebensächlich" an, das mache die Gesellschaft "erschreckend zukunftslos".

Im Blick auf den am Donnerstag gescheiterten SPÖ-Fristsetzungsantrag zur "Eheöffnung" von Donnerstag schreibt Prüller: "Ein Beschluss der 'Ehe für alle', die letztlich zur 'Ehe für niemanden mehr' wird, hätte dieses Malheur festgeschrieben. So haben wir eine neue Chance, den Sinn für die Grundlagen unserer Zukunftsfähigkeit wiederzufinden - ohne dabei Gerechtigkeit und Empathie preisgeben zu müssen."

In Deutschland geht die Debatte weiter

Unterdessen geht in Deutschland die Debatte über "Ehe für alle" auch nach dem Bundestagsbeschluss weiter. Im Zentrum steht vor allem die Frage nach der Verfassungsgemäßheit.

Mehrere deutsche Staatsrechtler halten die Öffnung der Ehe für verfassungsgemäß. Christoph Degenhart, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Leipzig, sagte der "Rheinischen Post" (Samstag): "Ich könnte mir vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht pragmatische Lösungen sucht, um das Gesetz zu halten." Frauke Brosius-Gersdorf, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Hannover, erklärte, die Ehe zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partnern habe 1949 nicht zur Debatte gestanden, sei aber im Grundgesetz auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden. Der Berliner Staatsrechtler Christoph Möllers sagte: "Es gibt im Grundgesetz sicherlich kein Diskriminierungsgebot."

Dagegen hält etwa der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, die "Ehe für alle" für verfassungswidrig. "Wenn man die Ehe öffnen will, muss man das Grundgesetz ändern", sagte er dem "Spiegel". "Das kann der einfache Gesetzgeber nicht machen." Das Bundesverfassungsgericht habe bis zuletzt in seinen Entscheidungen betont, dass eine Ehe im Sinne des Grundgesetzes nur die "Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist".

Auch das Kolpingwerk äußerte "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken". Zudem bedeute eine Unterscheidung zwischen Ehe und einem Rechtsinstitut für eingetragene Partnerschaften keine Diskriminierung. "Ganz im Gegenteil wird damit der Unterschiedlichkeit von gleichwertigen Lebensformen adäquat Rechnung getragen".

Am Freitag hatten bereits Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU), der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sowie der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, erklärt, sie rechneten mit einer Verfassungsklage.

Der Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, äußerte sich bedrückt darüber, dass er "stapelweise Briefe" erhalte, "in denen es heißt, die einzige Partei, die heute noch christliche Inhalte vertrete, sei die AfD". Er sehe dagegen "eine deutliche Distanz zu der Partei, sagte Koch, der auch Familienbischof der Deutschen Bischofskonferenz ist, bei "Spiegel Online".

In der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" betonte Koch, er wolle nicht in Abrede stellen, dass auch in schwulen und lesbischen Beziehungen konservative und christliche Werte gelebt würden. Auch dort gebe es zudem Treue und Verlässlichkeit. "Aber man soll bitte nicht alles in einen Pott werfen. Das Problem unserer Gesellschaft ist das Missverständnis, dass man Gleichwertigkeit schafft, indem Differenzierungen aufgehoben werden."

Der Bundestag hatte am Freitag mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linken und zahlreichen Unions-Abgeordneten die "Ehe für alle" beschlossen. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 7. Juli mit dem Gesetz befassen.

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