'Ehe' für alle = 'Ehe' für keinen

28. Juni 2017 in Kommentar


Die Kanzlerin hat die Machtkarte gezogen und die Debatte um die Ehe für alle für den nächsten Deutschen Bundestag freigegeben. Es soll debattiert werden. Vielleicht tut eine offene Debatte unserer Gesellschaft ja gut. Kommentar von Peter Winnemöller


Berlin (kath.net/Blog „Katholon“/pw) Die Kanzlerin hat die Machtkarte gezogen und die Debatte um die Ehe für alle für den nächsten Deutschen Bundestag freigegeben. Eine große, ganzgroße oder Allparteienkoalition wird die „Ehe für alle“ auf den Weg bringen. Was in dieser Legislaturperiode von der CDU noch verhindert wurde, soll in der nächsten Legislaturperiode von einer Regierung unter eben dieser CDU durchgezogen werden. Der Fraktionszwang soll aufgehoben sein. Es soll debattiert werden. Vielleicht tut eine offene Debatte unserer Gesellschaft ja gut.

Hier folgt ein Beitrag zu dieser Debatte aus katholischer Sicht. Die freie Rede ist uns ja noch nicht untersagt. Nun denn …

Der Ehebegriff im Konflikt

Wie immer in unseren glorreichen sprachverwirrten Zeiten muss man zuerst einmal den Begriff klären, über den man reden will. Die Ehe ist für einen Katholiken ein Sakrament. Ein Mann und eine Frau erklären ihren Konsens, eine lebenslange Bindung einzugehen, die Kinder anzunehmen, die Gott ihnen schenken will und sich darüber hinaus zu lieben, zu achten und zu ehren in guten und in schlechten Tagen, bis der Tod sie scheidet. Die Beschreibung soll hinreichend sein, um den Begriff Ehe zu erklären, wenn ein Katholik ihn verwendet. Diese Definition ist gem. KKK 1061 ff. korrekt. Das hat Erzbischof Heiner Koch für die DBK erneut bestätigt.

In Politikerkreisen ist im Augenblick der Terminus „Ehe für alle“ in aller Munde. Als habe unser Land keine anderen Probleme, wird die „Ehe für alle“ wohl das Wahlkampfthema schlechthin werden. Was ist damit gemeint? Es soll ermöglicht werden, dass die sogenannte Eingetragene Lebenspartnerschaft in jeder Hinsicht der staatlichen(!) Ehe gleichgestellt wird. Da sich die staatliche Ehe von der Eingetragenen Lebenspartnerschaft inzwischen nur noch die Option gemeinsam ein Kind zu adoptieren unterscheidet, geht es rechtlich gesehen wohl nur darum. Politisch geht es jedoch um den Begriff als solchen.

Die staatliche(!) Ehe genießt den besonderen Schutz unserer Verfassung. Es kann wohl kein Zweifel daran bestehen, dass die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes unter dem Begriff „Ehe“ in etwa das verstanden haben, was die Kirche darunter versteht. Aus diesem Grunde ist darauf verzichtet worden, in der Verfassung selbst eine Definition vorzunehmen. Der einzige rechtliche Unterschied zwischen dem kirchlichen und dem staatlichen Begriff von „Ehe“ ist nach wie vor nur die Unauflöslichkeit der Ehe, wie sie die Kirche versteht. Dass ein säkularer Staat keinen Sakramentsbegriff hat, dürfte sich von selbst verstehen.

Die staatliche Ehe kann geschieden werden. Anfang der 70er Jahre wurde dies noch einmal erheblich erleichtert. Zu diesem Zeitpunkt begann sich der staatliche Ehebegriff in der praktischen Anwendung immer weiter vom kirchlichen Ehebegriff zu entfernen. Zunehmend wurden rechtliche Konsequenzen aus nichtehelichen Lebensgemeinschaften eines Mannes und einer Frau codifiziert. War es bis zur Abschaffung des Kuppeleiparagrafen noch strafbar eine Wohnung an einen Mann und eine Frau gemeinsam zu vermieten, wenn diese nicht verheiratet waren, so galt es jetzt rechtliche Regelungen für derartige Lebenskonstrukte zu finden.

Die spießbürgerliche Ehe

Es war nur eine Frage der Zeit, bis dann auch andere Formen des Zusammenlebens den Ehebegriff für sich reklamierten. Wiewohl die Ehe im Grunde als ein bürgerliches Relikt angesehen wird, das in seiner Gesamtheit abzuschaffen ist (vgl. dazu Kölner Erklärung). Aber es wird durchaus nicht abgelehnt, bei aller Verachtung für das Bürgerliche überhaupt, durchaus ganz gerne den Schutz der Verfassung für sich in Anspruch nehmen. Ein steter Tropfen höhlt den Stein und so herrscht längst Konsens, dass die „Ehe für alle“ gar nicht mehr abgelehnt werden darf. Dass wir langsam einer demokratischen Debattenkultur vollends verloren gehen, inden die andere Meinung zu einer Sache quasi verboten wird, macht es nicht einfacher. Immerhin soll man schon mal Gegnern der „Ehe für alle“ die Höflichkeit verweigern. Ich bin so höflich zu verschweigen, was ich gerade über [biiiiiiiiiiiieeeeep] denke, deren Texte ich ja sonst zuweilen recht inspirierend finde.

Immerhin ist längst in Vergessenheit geraten, wozu der Art 6 Abs. 1 des Grundgesetzes denn eigentlich diente. Es ist keineswegs ein Schutzartikel für sexuell Selbstverwirklichungswillige beliebiger Ausrichtung. Vielmehr geht es in diesem Artikel – wie die folgenden Absätze 2 - 4 deutlich belegen – um den Schutz der Kinder. Die Familie ist die für die Verfasser des Grundgesetzes ganz selbstverständlich der bestmögliche Ort für das Heranwachsen von Kindern. Man hat das über Jahrtausende bewiesen. Die Familie setzt im Grundgesetz noch ganz selbstverständlich auf der Ehe zwischen Mann und Frau auf, die auch vom verfassungsgebenden Organ zur Zeit der Abfassung des GG als dauerhafte Beziehung, die offen für Kinder ist, angesehen wurde. Die Scheidungsgesetze damaliger Zeiten legten einer Scheidung von Eheleuten massive Hindernisse in den Weg. Das galt dem Schutz der Familie und sollte leichtfertige Trennungen, die heute an der Tagesordnung sind, verhindern.

Es ist also deutlich zu erkennen, dass der gesamte Gesetzgebungskomplex rund um Ehe und Familie vor allem einen Zielpunkt hatte, nämlich das sichere und behütete Aufwachsen von Kindern. Nicht zuletzt die Erfahrung aus dem totalitären NS-Regime, welches die Kinder von frühester Jugend beanspruchte, hatte dazu geführt, den Eltern und ihren Kindern besondere Schutzgarantien zu geben. Der beste Schutzraum für Kinder ist und bleibt grundsätzlich die Familie aus Vater, Mutter und Kindern. Kinder sind die Zukunft einer Gesellschaft. Diese Zukunft zu schützen und unter bestmöglichen Bedingungen, zu denen auch der Schutz vor staatlichem Zugriff gehört, aufwachsen zu sehen, war der innerste Grund für die Formulierungen des Art. 6 GG.

Die Vorstöße unterschiedlichster Gruppierungen auf den Begriff Ehe zielen also nicht darauf ab, plötzlich und unerwartet ganz bürgerlich werden zu wollen. Es ist vielmehr der Wunsch, den verfassungsmäßigen Schutz der Familie zu unterhöhlen. Dies soll geschehen, indem für alle denkbaren Verbindungen der Begriff „Ehe“ gelten soll.

„Ehe“ für niemanden

Die Folge Art. 6 GG ist unter anderem eine daraus resultierende ehe- und familienfreundliche Steuergesetzgebung. Es gibt ferner für Eheleute und Familien eine Reihe weiterer Privilegien, wie z.B. Auskunftsrechte, gemeinsames Erziehungsrecht für Kinder, Erbrecht u.v.a.m. Alle diese Vorteile ergeben für den Staat dann und nur dann Sinn, wenn die geschützte und geförderte Familie grundsätzlich den Selbsterhalt der Gesellschaft und letztendlich des Staates dient. Systematisch ist eine Subvention immer ein Problem. Zu rechtfertigen ist sie dann und nur dann, wenn die Subvention als Investition aufgefasst werden kann. Das ist da und nur da der Fall, wo Nachwuchs gezeugt, geboren und erzogen werden kann, nämlich in der Familie, die auf der Ehe zwischen Mann und Frau aufsetzt.

Erweitert der Staat also den Ehebegriff indem unterschiedlichste Lebensgemeinschaften vom Staat als eine Ehe geführt werden, erhalten auch diejenigen, die für Eheleute vorgesehenen Privilegien, die die Bedingungen, unter denen die Privilegien im Sinne der Verfassung vorgesehen sind, gar nicht erfüllen. Im Großen und Ganzen ist das bereits geschehen, insofern es u.a. steuerliche Regelungen und Auskunftsrechte betrifft. Da ist gar kein so großer Unterschied zur Ehe mehr. Die Aufweichung ist längst vollzogen, allerdings noch unter Verzicht auf den Ehebegriff.

Wenn es also an dieser Stelle um den Begriff geht, dann geht es am Ende nur darum die dann sinnlos gewordenen Privilegien für die Familie, die ja in der Praxis dann auch alles und nichts sein kann, abzuschaffen. Die Protagonisten einer „Ehe für alle“ machen sich zu freiwilligen oder unfreiwilligen Handlangern der Kölner Erklärung, die die Ehe in ihrer Gesamtheit und jeglicher nur denkbaren Form ablehnen.

Das Ende der Entwicklung der „Ehe für alle“ ist die „Ehe für niemand“.

Eine Debatte muss her

Mit dem Ende des Widerstandes der Bundeskanzlerin gegen die „Ehe für alle“ ist exakt der Prozess eingeläutet, der am Ende die staatliche Ehe als solche abschaffen wird. Es wäre darüber hinaus wohl kaum zu erklären, warum eine polygame Beziehung zwischen einem oder mehreren Männern und einer oder mehrerer Frauen von den Privilegien einer „Ehe“ ausgeschlossen sein sollte. Warum ein Single nicht mit sich selber seine Ehe schließen können soll, ist kaum einzusehen. Verbleiben wir hier systemimmantent können auch zoophile, pädophile und andere Bindungen nicht ausgeschlossen werden. Was für alle unterschiedslos gilt, gilt am Ende für niemanden mehr.

Erinnern wir uns an den besonderen Schutz der Ehe und Familie in unserer Verfassung. Eine völlige Dekonstruktion des Ehebegriffs, wie er derzeit erfolgt, führt zur kompletten Abschaffung der staatlichen Ehe als solcher. Die dekonstruierte staatliche Ehe weist eine maximal mögliche Inkongruenz zu dem aus, was ausgehend vom kirchlichen Eheverständnis einmal tatsächlich auch staatliches Eheverständnis war.

Da kann der Familienbischof der DBK noch so oft betonen „…, dass die deutschen Bischöfe Ehe als lebenslange Verbindung von einem Mann und einer Frau mit prinzipieller Offenheit für die Weitergabe von Leben betrachten.“ Man muss an dieser Stelle erklären, dass Politiker und andere, die eine „Ehe für alle“ postulieren gar nicht über dasselbe reden, wie ein katholischer Bischof.

Die Debatte und das Sakrament als Gegenentwurf

Daher rate ich an, den Begriff Ehe im katholischen Kontext nicht mehr isoliert zu verwenden. Es muss klar unterschieden werden zwischen „staatlicher Ehe“ und dem „Sakrament der Ehe“. Wir werden sonst der Begriffsverwirrung nicht mehr Herr, zumal kaum eine Aussicht besteht, dass der Staat für die dekonstruierte staatliche Ehe bereit wäre, einen anderen Begriff zu wählen. (N.B.: Der Verwaltungsaufwand dafür wäre enorm!)

Politisch ist – darüber sollte sich jetzt jeder klar sein – einstweilen nichts mehr von der in der Verfassung geschützten Ehe zu retten. Das sollte niemanden davon abhalten, für eine staatliche Ehe im herkömmlichen Sinne zu streiten. Auch wenn man dann [s.o.] von Frl. von Roenne unhöflich behandelt werden wird! Streit ist in einer freiheitlichen Demokratie eine unbedingte Notwendigkeit. Lasst uns streiten. Scheiß was auf die Höflichkeit!

Und vielleicht werden wir von einer offenen Debatte ja doch mal überrascht.

Dennoch gilt es zunächst vor den erkennbaren politischen Wirklichkeiten unserer Tage nicht die Augen zu verschließen. Mit großer Wahrscheinlichkeit kommt die „Ehe für alle“ Dann gilt es in der Begriffsverwirrung mindestens für Klarheit zu sorgen. Die Kirche sollte ferner allen Ernstes ihre Praxis zu überdenken, ein Brautpaar nur dann zu trauen, wenn es vorher den Verwaltungsakt einer staatlichen Verehelichung absolviert hat. Dies umso mehr, als der Staat vor längerer Zeit bereits freiwillig auf diese Pflicht verzichtet hat. Lassen wir also fahren, was uns Bismarck aufgezwungen hat. Über kurz oder lang wird es keine Vorteile mehr haben, staatlich ver-„ehe“-licht zu sein.

Die „Ehe für niemand“, die am Ende steht, könnte eine große Chance für das Sakrament der Ehe sein. Wenn die Kirche ihr Alleinstellungsmerkmal erkennt und nutzt, kann sie ein starkes Zeichen geben. Schon in der Antike war der christliche Lebensentwurf immer dann besonders attraktiv, wenn die Menschen die Unerträglichkeit ihrer damals zügellosen Lebensweise erkannten. Das kann bald wieder so sein. Denn eines ist klar, allen Unkenrufen der Veröffentlichten Meinung zum Trotz streben junge Menschen ein Leben in stabilen Verhältnissen an. Irgendwer muss ihnen sagen, wie das geht und was man selber dafür tun muss, dass es Gottes Segen dazu braucht und dass es auf dem Weg nun einmal auch dunkle Tage geben kann.

Wer könnte das, wenn nicht die Kirche?

Als Fazit kann man sagen, dass man sich unter Umständen mit der Wirklichkeit der Vernichtung von Ehe und Familie in der Gesellschaft wird abfinden müssen.

Es bleibt lohnenswert auf dem Weg dahin, keinen Streit um das bessere Modell zu vermeiden.

Am Ende wird es unbedingt notwendig sein, im Sinne der benediktinschen Option, Zeugnis von der christlichen Alternative zu geben.

Weiterführende Links:
- Berlins Erzbischof Koch erneuert DBK-Nein zur 'Ehe für alle'

- Deutsche Bischofskonferenz gegen 'Ehe für alle'

- Papst Franziskus: 'Die Gemeinheit, die man mit Indoktrinierung der Gendertheorie begeht' – Ehe ist „ein Abbild Gottes, Mann und Frau in einem Fleisch“.

Foto Peter Winnemöller


Foto (c) Michael Hesemann/kath.net


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