Große Enttäuschung über geringe Teilnahme an Muslim-Demo gegen Terror

19. Juni 2017 in Deutschland


Reaktionen aus Politik und Medien auf die Kölner Muslim-Demo gegen Terror unter dem Motto „Nicht mit uns“.


Köln (kath.net/pl) Die Enttäuschung ist groß. Diesen Eindruck vermitteln die aktuellen Zeitungsberichte und –kommentare sowie Politikerreaktionen nach der mit Hoffnung erwarteten Demo in Köln „Nicht mit uns“, in der sich muslimische Mitbürger gegen islamistischen Terror stellen wollten, kath.net hat berichtet. Noch vor der Demo hatte sich Ditib, der größte Islam-Dachverband in Deutschland, distanziert. In der Begründung liest man, dass Forderungen nach 'muslimischen' Antiterror-Demos zu kurz greifen, Muslime stigmatisieren und den internationalen Terrorismus auf sie, ihre Gemeinden und Moscheen verengen würden. Auch sei es Muslimen im Ramadan nicht zumutbar, „stundenlang in der prallen Mittagssonne bei 25 Grad zu marschieren und demonstrieren“.

Die Veranstalter hatten auf etwa 10.000 demonstrierende Muslime gehofft, eine von vornherein nicht allzu hoch angesetzte Zahl. Wieviele Demonstranten schlussendlich gekommen waren, darüber liefern die Medien stark schwankende Angaben, man kann aber höchstens von 2.000 bis 3.000 Teilnehmern ausgehen (Vgl.: „Spiegel“: „Muslimische Demonstration gegen Terror kleiner als erwartet“), darunter möglicherweise auch viele Nichtmuslime. An für Fastende unzumutbarer Sommerhitze kann der Teilnehmermangel jedenfalls nicht gelegen haben, denn in Köln war dann der Himmel am Samstag meist bedeckt und die Höchsttemperatur nur um die 17 Grad, einige Teilnehmer tragen Pullis oder Sommerjacken. Zum Hinweis der Ditib auf den Ramandan sagte Lamya Kaddor, Mitinitiatorin der Demo, nach Angaben des „Kölner Stadtanzeigers“ bei ihrer Rede während der Kundgebung: „Wir arbeiten im Ramadan. Wir machen Sport im Ramadan. Also können wir auch auf die Straße gehen. Wir Muslime müssen es schaffen, unseren Jugendlichen zu erklären, wenn ihr den Weg zu den Islamisten wählt, werdet ihr ausgeschlossen, habt ihr bei uns nichts verloren. So wie junge Neonazis in einer demokratischen Gesellschaft auch nichts zu suchen haben.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte gegenüber der „Rheinischen Post“: „Teilnehmen wäre besser gewesen als abseits stehen“. Er bedauerte, dass nicht alle islamischen Dachverbände die Initiative unterstützten. Denn die Veranstaltung sei eine wichtige Initiative, die deutlich mache dass Muslime gegen den Terror im Namen des Islam einträten.

Grünen-Chef Cem Özdemir hatte „kraftvolleres Zeichen“ der Muslime erhofft, schreibt die „Welt“. Scharf kritisiert der Spitzenkandidat gegenüber der „Welt“ nun Ditib, man könne dort nicht so tun, als ob einen das Thema nichts angehe. Der Ditib habe hier mit der „fadenscheinigen Absage eine Chance verpasst, mit anderen gemeinsam ein Statement für ein friedliches Miteinander und gegen islamistischen Terror zu setzen.“

Schon im Vorfeld hatte auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, die Entscheidung des Ditib als sehr bedauerlich bezeichnet, „Spiegel“: „Scharfe Kritik für Ditib-Absage an Anti-Terror-Demo“.

„Der Aufstand der anständigen Muslime bleibt aus“ . Unter diesem Titel kommentiert Robin Alexander in der „Welt“: „Die Prediger eines liberalen Islam haben gerufen, und die Gläubigen sind nicht gekommen. … Manche türkische Hochzeiten sind besser besucht und leider auch die Demonstrationen auf deutschen Straßen für den Rückbau der türkischen Demokratie.“ Der Ramadan-Friedensmarsch sei schon der zweite gescheiterte Versuch, einen Aufstand der Anständigen unter den Muslimen zu organisieren“. Doch seien auch bereits beim ersten Marsch „nur schmerzhaft wenige Muslime“ dabei gewesen. Später sei herausgekommen, „dass die muslimischen Verbände nur auf Initiative einer Mitarbeiterin des Kanzleramtes und unter sanftem Druck des Innenministeriums zur Mahnwache aufgerufen hatten“. Die Kosten der ‚muslimischen Mahnwache‘ seien von CDU und SPD getragen worden. Trotzdem bleibe die Hoffnung, dass die Mehrheit der Muslime in Deutschland den Terror verabscheue. Liberale Türken und Araber sehe man jedenfalls in Berlin und in Köln. Doch der „organisierte liberale Islam, von dem Politik und Medien träumen, ist ein Potemkinsches Dorf“.

Auf die Begründung der Ditib, nicht an der Demo teilzunehmen, weil eine solche muslimische Anti-Terror Demo Muslime selbst stigmatisieren würde, schrieb Daniel Heinrich im „Deutschlandfunk“: „Das ist natürlich vollkommener Humbug. Kein Rassist dieser Welt würde eine muslimische Anti-Terror Demo ernsthaft als Argument ins Feld führen, um Muslime zu beleidigen, zu diffamieren, auszugrenzen.“ Zur Frage, wer schuld an der „katastrophal niedrigen Beteiligung“ sei, schreibt Heinrich: „Es wird, liebe Ditib, und liebe andere Islamverbände, die heute nicht mit an Bord waren, viel Mühe und viel Geduld kosten diesen PR-Gau wieder glattzubügeln. Und niemand außer Euch selbst kann dafür verantwortlich gemacht werden.“

Im „Darmstädter Echo“ war zu lesen: „Nicht nur Ditib verweigerte sich, sondern auch viele nicht organisierte liberale Moslems. Auch sie hätten Zeichen setzen können. Nicht nur gegen etwas, sondern vor allem für die Werte, die sie vermutlich tatsächlich mit uns teilen: Freiheit des Glaubens, des Wortes und Toleranz. Solange diese Hoffnung aber keine weithin akzeptierte Gestalt und keine wirklichen Ansprechpartner findet, muss der Satz, dass Islamismus und Islam nichts miteinander zu tun hätten, mit einem klaren ‚Doch‘ gekontert werden.“

Unverdrossen berichtete aber die „Süddeutsche Zeitung“ anhand einer Meldung der Presseagentur dpa: „Tausende Muslime setzen Zeichen gegen Terror“.

Die Demonstration war im Vorfeld von Dutzenden Gruppierungen unterstützten worden, „darunter Parteien, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und kirchliche Gruppen“, berichtete der WDR.

Rheinische Post - Friedensprotest in Köln: ´Nicht mit uns – Muslime gegen Gewalt und Terror´



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