Ein Wort an Katholiken: Wir müssen Klartext reden

9. Mai 2017 in Kommentar


„Wir müssen jungen Leuten klare Prioritäten setzen und vorleben. Die Priorität Nummer Eins lautet: Gott zuerst. Das ist das eiserne Gesetz des Christentums.“ - Ein Gastbeitrag von Andreas Wollbold


München (kath.net/Blog Andreas Wollbold) Wir müssen Klartext reden. Es geht mir um den Nachwuchs für Priester und Orden. Da sieht es nicht gut aus. Gar nicht gut. Dafür kann man tausend Gründe anführen – wirkliche oder nur scheinbare. Aber der entscheidende Grund geht uns alle an: Wir tun zu wenig dafür. Ein bisschen läuft das nach dem Sankt-Florians-Prinzip: „O heiliger Sankt Florian, / verschon‘ mein Haus, zünd‘ andre an!“ Zünd‘ die Jungen und Mädchen aus anderen Familien an mit dem Feuer einer Berufung zum Priester, zur Ordensschwester oder Ordensmann! Natürlich, es wäre prima, wenn wir einmal wieder eine Primiz hätten. Großes Fest mit Freialtar, Blasmusik und Super-Stimmung. Oder wenn aus unseren Reihen eine Ordensschwester käme und wir an der ergreifenden Feier ihrer Profess im Kloster teilnehmen könnten, wo kein Auge trocken bleibt. Aber – jetzt müssen wir ganz ehrlich sein – das wäre schön, solange es uns nicht allzu viel kostet. Nur, eine solche Einstellung ist so wie bei einer Kollekte für die Kirchenrenovierung: Nachher findet die Kirchenverwaltung bloß hundert bunte Knöpfe im Kollektenkörbchen. Damit kann man ein Clownsgewand für den Zirkus bestücken, aber keinen Kirchturm vor dem Einsturz bewahren.

Da beißt keine Maus den Faden ab: Wir müssen jungen Leuten klare Prioritäten setzen und vorleben. Die Priorität Nummer Eins lautet: Gott zuerst. Das ist das eiserne Gesetz des Christentums. Gott zuerst, das bedeutet zum Beispiel: Der Sonntag ist heilig, und die heiligste Stunde des Sonntags ist die in der Kirche. Das hat absolut Vorrang. Also nicht: Familienfeier am Samstagabend bis tief in die Nacht, und dann muss der liebe Gott doch einsehen, dass ich am Sonntagmorgen ausschlafen muss. Oder gemütlich brunchen. Nein, wenn ich nicht durch echte Pflichten gebunden bin, z.B. als Krankenschwester im Krankenhaus, dann darf mein Platz in der Bank nicht leer bleiben. Da gibt es auch keine Altersbegrenzung, etwa: „Das gilt erst ab 60.“ Nein, Gott lädt jeden ein zur Sonntagsmesse, und wenn ich nicht komme, dann habe ich seine Einladung eben ausgeschlagen. Das ist dann so wie beim Gleichnis vom Hochzeitsmahl. Einer nach dem anderen entschuldigte sich: Ich habe gerade einen Ochsen gekauft. Ich habe gerade geheiratet. Ich habe… Keine von diesen Entschuldigungen lässt der Herr gelten. Denn nur allzu deutlich zeigen sie: Das sind alles Leute, für die gilt eben nicht: Gott zuerst. Und meistens setzen sie auf die erste Stelle etwas ganz bestimmtes anderes. Das fängt auch mit G an und hat vier Buchstaben. Gott ist es nicht, sondern… Geld. Geld, das ist auch Erfolg, Ansehen, Mitmischen – große Scheunen und karge Herzen. Beweise?

• Dass die Kinder in der Schule Erfolge haben, das ist uns wichtig. Dafür besucht man Elternabende, dafür informiert man sich, dafür kann man den Kindern auch schon einmal ganz gehörig den moralischen Zeigefinger zeigen. Dass sie täglich beten – „Mein Gott, man kann sich doch nicht um alles kümmern!“ So kommt es dann, dass manche bei der Erstkommunion oder Firmung mit ein bisschen Hilfe das Vaterunser aufsagen können, vom Glaubensbekenntnis gerade mal irgendwas gehört haben und beim „Gegrüßet seist du Maria“ glatt streiken. Mündige Christen? Na ja, eher müde Christen haben wir da herangezogen!

• Dass der Nachwuchs gute Freunde findet, vielleicht auch in Vereinen aktiv wird, das ist uns recht. Deshalb erinnern wir sie auch ans Training, an Termine und Verpflichtungen. Das steht rot angestrichen im Familienkalender. Nur bei der Kirche, beim Gottesdienst, da sagen wir auf einmal: „Das muss jeder selbst entscheiden.“ Gewiss, wenn er erwachsen ist, dann wird er‘s selbst entscheiden. Aber entscheiden kann man nur, wenn man etwas gründlich kennengelernt hat. Beim wirklich Wichtigen sagen wir den jungen Leuten doch ansonsten auch, wo es lang geht. Beim Wichtigsten auf Erden, nämlich dem Glauben, da soll auf einmal alles egal sein?

• Und dass sie dann später einen Partner finden, der ordentlich ist, einen guten Beruf hat, kein Faulenzer und erst recht kein Drogenkonsument ist, das ist uns wichtig. Wenn sie dann aber vor der Ehe zusammenziehen, da ist es einem im Grunde ganz recht: „So ist das eben heute. Hauptsache, der Partner ist in Ordnung!“ Ja, aber das Zusammenleben ist nicht in Ordnung. Da ist vom „Gott zuerst“ nicht mehr viel zu sehen. Und wenn sie ein reiches Freizeitleben haben, spannend, abenteuerlich und auch ein bisschen verschwenderisch, dann sind wir im Grunde stolz darauf: „Die können sich was leisten!“ Aber dass sie über Jahre hinweg die Kirche nur von innen sehen, wenn die Familie eine Messe bestellt hat, dass ihre Werte, ihre Lebenseinstellung, ihr Verhalten sich keinen Millimeter von Gleichaltrigen in Ostdeutschland unterscheidet, die überhaupt nicht getauft sind – welche Rolle spielt dann überhaupt noch das Christentum?

Wir wollen nicht jammern. Ein Großteil des Lebens heute funktioniert eben so, als ob es Gott nicht gäbe. Das ist wie eine ansteckende Krankheit. Am Ende werden wir dann allerdings lauter brüchige Ehen, verwöhnte Kinder, wenig belastbare Persönlichkeiten und ein ziemlich gemütliches, selbstzufriedenes Absinken Europas zu einer Problemregion der Welt haben. Und die Kirchen? Die werden wir schön renovieren, und in 20, 30 Jahren verkaufen müssen – als coole Architektenbüros, als supermoderne Bistros oder… als Moscheen und Gebetsräume für Buddhisten. Wir werden aufschreien, aber dann ist es zu spät.

Also, wir müssen Klartext reden. Die Kirche ruft nach Berufungen. Mit Priester- und Ordensleben bietet sie die schönsten Berufe der Welt an: Ein Leben mit Gott und für die Menschen, wo ich am Ende sicher nicht sagen werde: „Wenn ich ehrlich bin, es war nicht viel.“ Wir dürfen nicht weiter die Ohren auf Durchzug stellen. Wir dürfen nicht die kalte Schulter zeigen: „Soll der Bischof sich seine Priester doch selber backen!“ Bei diesen Berufen verlangt Gott viel, aber er gibt noch viel mehr. Darum kommt alles darauf an, den jungen Leuten vom Kindergartenalter an vorzuleben und klarzumachen: Gott zuerst, das ist unsere Devise in Wort und Tat – und nicht bloß ein Lippenbekenntnis.

Andreas Wollbold ist Professor für Theologie und Inhaber des Lehrstuhl für Pastoraltheologie in München.

Symbolbild: Allein zum Gebet in einer Kirche



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