Die schwierigste Auslandsreise des Pontifikats von Franziskus

27. April 2017 in Kommentar


Der Papst wird der Real-Politik Ägyptens, der muslimischen Welt und der koptischen Kirche begegnen. Wird er jeweils auch freundlich-klar die Probleme ansprechen? „Ganz Ägypten hofft darauf!“ Gastkommentar von Msgr. Joachim Schroedel, Kairo


Kairo (kath.net) In drei Tagen wird – zum zweiten Mal in der Geschichte des Christentums – der Nachfolger des Apostelfürsten Petrus ägyptischen Boden betreten. Wie vor siebzehn Jahren der Heilige Johannes Paul II. schon sagte; er wird in die Heimat des Apostelschülers Markus kommen, und somit auch in eine Art eigene Heimat. Doch dies ist nur der theologisch-historisch-meditative Teil des 27 Stunden dauernden Besuches des Heiligen Vaters. Und es ist gut und wichtig, dass wir diesen Besuch eben unter dem Aspekt der Christengeschichte würdigen.

Aber Papst Franziskus kommt ebenso in die Real-Politik des heutigen Staates, der Arabischen Republik Ägypten, er kommt in die Real-Religion des Islam und begegnet den immer noch sehr einflussreichen muslimischen Gelehrten der wohl wichtigsten Gelehrtenschule des sunnitischen Islam, und er kommt in die Real-Ökumene, die geprägt ist durch die orientalische Kirche, die nach dem Konzil von Chalzedon im Jahre 451 entstanden ist sowie anderer Kirchen, deren Selbstbezeichnung „orthodox“, also: rechtgläubig ist – im Gegensatz zu den „haeretikoi“, also den „Irrlehrern“, als die auch die römische Kirche immer noch von mancher Seite bezeichnet wird.

Diese drei realen Situationen, in die hinein Franziskus fährt, sollen kurz beleuchtet werden.

Als Staatsoberhaupt wird er dem Präsidenten der Republik Ägypten einen „Höflichkeitsbesuch“ abstatten, der gleich nach seiner Ankunft am Freitagnachmittag erfolgt. Er wird Präsident El-Sisi begegnen und die beiden werden sich freundliche Worte sagen. Aber Franziskus begegnet im Staatsoberhaupt Ägyptens einem Präsidenten, der im siebten Jahr nach der so genannten „Revolution“ vom Januar 2011 ein Land regiert, das von Armut, Teuerung, Verlust von Freiheits- und Menschenrechten, von einem immer größer werdenden Unterschied von Arm und Reich gekennzeichnet ist. Ägypten steht nicht zuletzt wegen seiner Bevölkerungsexplosion am Rande des Abgrundes. Wird ein Papst, der sein Pontifikat durch die stete Forderung nach Solidarität mit den Armen geprägt ist, und der mit seiner Reise wirklich „an die Ränder“ der Menschlichkeit geht, hier ein Wort sagen? Papst Franz zeigt sich immer wieder „undiplomatisch“. Er wäscht Gefangenen die Füße, um ihnen zu zeigen: Ich bin mit Euch. Werden sich Redenschreiber für ihn finden, welche die bedrängende wirtschaftliche und soziale Situation des Landes, in freundlich-klare Sätze gekleidet, auch ansprechen?

Ganz Ägypten hofft darauf!

Als Theologe und Religionsführer nimmt er teil an einer durch die hoch-renommierte muslimische El-Azhar Universität veranstaltete „Friedenskonferenz“. Im Mai 2016 hatte der derzeitige Großscheich der El-Azhar Universität, Ahmed Al-Tayeb, bei einem Besuch in Rom diese Konferenz angekündigt. Sein Wunsch war damals, dass der Papst diese Konferenz mit einem Gruß- oder Schlusswort krönen könnte. Der Wunsch Al-Tayebs ist es, der Papst möge aufrufen für Frieden zwischen den Religionsführern, den Gesellschaften und allen Ländern dieser Welt. Es ist zwar eine großartige Geste des Friedenswillens des Islam, dass der Großscheich der El-Azhar zusammen mit dem römischen Papst auftritt und um Frieden wirbt; doch zugleich wird dem aufmerksamen Beobachter nicht die Tatsache entgehen, dass innerhalb des letzten Jahres in Europa aber eben und gerade auch in Ägypten im Namen des Islam grausamste Attentate geschehen sind, die hunderte von Toten forderten. Hier greifen Forderungen nach „mehr Sicherheit“ für die christlichen Gemeinschaften zu kurz. Der Heilige Vater könnte und sollte – auch in seinen öffentlichen Ansprachen – eine verstärkte Bemühung um religiöse und interkonfessionelle Bildung einfordern. Bildung der Muslime ist der erste Schritt zur Vermeidung von Fundamentalismus und daraus resultierendem Terrorismus. Werden dem Papst klare Worte dazu gelingen?

Ganz Ägypten hofft darauf!

Nach dem „Höflichkeitsbesuch“ beim Präsidenten und dem Auftritt in der El-Azhar – Universität wird Franziskus mit dem Oberhaupt der koptisch-orientalischen Kirche zusammentreffen. Tawadros II. hatte seine erste Auslandsreise nach seiner Wahl nach Rom zum Nachfolger des Apostels Petrus geführt. Nun findet der Gegenbesuch statt. Schon jetzt ist deutlich, dass dieser Besuch von den etwa 12-15 Millionen orientalischen Kopten mit großer Begeisterung begrüßt wird. Im römischen Papst begrüßen sie den Lehrer des Evangelisten Markus, ihres Kirchengründers. Und dies in schwieriger, bedrängter, ja verfolgter Situation. Allein deshalb hat sich jetzt schon der Besuch der römischen Pontifex gelohnt. Doch gilt es auch hier, Stolpersteine der Ökumene zu beseitigen. Es besteht keine Kommuniongemeinschaft mit den Kopten; aber selbst die Gemeinschaft in der Taufe ist nicht notwendigerweise gegeben. Sehr konservative koptische Bischöfe fordern bei Konversion zum Koptentum die Neutaufe. Dies bedeutet: Selbst eine frommer Katholik, der seine Liebe bei einer Koptin gefunden hat, muss sowohl zum Koptentum konvertieren (denn eine „Mischehe“ gibt es nicht) als auch noch einmal neu getauft werden. Wenn Franziskus bei seinen Begegnungen mit den orientalischen Kopten deutlich auf diese – im Grunde völlig anti-ökumenische – Haltung zu sprechen käme, wäre das ein sehr deutliches Zeichen für die Ökumene. Papst Tawadros II ist hierbei schon wesentlich weiter als viele seiner Bischöfe in der koptischen Synode. Wird der römische Papst hier deutlich werden und die Anerkennung der christlichen Taufe fordern?

Ganz Ägypten hofft darauf!

Am Ende seiner „Stippvisite“ wird er – wohl im Priesterseminar im Stadtteil Maadi – Priestern, Ordensleuten und Seminaristen der katholischen Gemeinschaft begegnen. Viele katholische Ordensgemeinschaften leisten in vorwiegend muslimischer Umgebung einen gesegneten und manchmal heroischen Dienst an den Armen, Kranken und Bildungssuchenden. Mit dutzenden von katholischen Ordensgemeinschaften ist die katholische Kirche seit etwa 150 Jahren in Ägypten vertreten. Ihnen allen sollte auch der Dank des Heiligen Vaters gezollt werden. Die Messe am zweiten Tag seiner Visite – von der noch immer nicht klar ist, wo sie denn gefeiert werden wird – steht zu Beginn dieses Tages. Die katholische Kirche mit den verschiedenen Riten ist eine bunte, aber lebendige Gemeinschaft von wohl einer viertel Million Christen. „Wir sind da!“ werden sie rufen. Wir sind unter Petrus – und mit Petrus! – im Lande des Heiligen Markus, des Gründers der Kirche Ägyptens.

Möge die Reise Seiner Heiligkeit gesegnet sein! Gott schütze unseren Heiligen Vater!

kath.net-Artikel von und über Monsignore Schroedel

Monsignore Joachim Schroedel war 19 Jahre im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz Seelsorger der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Kairo, ganz Ägypten und für die deutschsprachigen Katholiken im Nahen Osten. Die DBK hat ihn 2014 von dieser Stelle abberufen und diese Stelle nicht mehr neu besetzt. In Absprache mit seinem Heimatbischof ging Schroedel vorzeitig in Pension und steht - eingeschränkt durch mangelnde finanzielle Unterstützung - den Christen Ägyptens weiterhin als Priester zur Verfügung..

kath.net-Buchtipp
Mit Segenskreuz und Handy
20 Jahre als Priester im Nahen Osten
Von Joachim Schroedel
Taschenbuch, 162 Seiten
2016 Mainz Verlagshaus Aachen; Patrimonium
ISBN 978-3-86417-048-5
Preis 15.30 EUR

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Kirche in Not: Msgr. Joachim Schroedel: Wie Muslimen begegnen?



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