Nach Zeugen-Jehovas-Verbot Sorge über weitere Kreml-Repressionen

22. April 2017 in Aktuelles


Zeugen Jehovas, die ihren Glauben weiter ausüben, drohen künftig Strafverfolgung, Geldstrafen oder gar Gefängnis bis zu zehn Jahren


Prag-Moskau (kath.net/KAP) Nach dem Verbot der Zeugen Jehovas in Russland haben Menschenrechtler ihre Sorge geäußert, dass weitere Repressionen gegen kleine und unabhängige Glaubensgemeinschaften folgen könnten. Dabei werden von Beobachtern die Pfingstler und weiter evangelikale Demominationen sowie die Mormonen genannt. Grundlage dafür sei das im Juli 2016 in Kraft getretene "Yarovaya-Gesetz", wie das Prager Portal "RadioFreeEurope" am Freitag berichtet.

Das Oberste Gericht hatte am Donnerstag einen Antrag des Justizministeriums gebilligt, in dem die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas als extremistische Gruppe eingestuft wird, die die öffentliche Ordnung bedrohe und Familien zerstöre. Die Zentrale der Gruppe und ihre 395 Regionalverbände würden geschlossen, ihr Besitz beschlagnahmt. Zeugen Jehovas, die ihren Glauben weiter ausüben, drohen künftig Strafverfolgung, Geldstrafen oder gar Gefängnis bis zu zehn Jahren.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte am Freitag das vom Obersten Gericht Russlands ausgesprochene Verbot der Zeugen Jehovas. Das Urteil sei ein gravierender Verstoß gegen Russlands Verpflichtung auf Achtung der Religions- und Versammlungsfreiheit, erklärte die Organisation am Freitag in New York. Mehr als 100.000 Angehörige der Glaubensgemeinschaft in ganz Russland seien betroffen. Die Zeugen Jehovas kündigten unterdessen an, sie wollten die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anfechten.

Die Menschenrechtsorganisation verweist auf Angaben des russischen Justizministeriums, nach denen seit 2007 bereits mehrere Veröffentlichungen der Zeugen Jehovas verboten worden seien. In den meisten Fällen sei das mit dem Argument untermauert worden, die Zeugen Jehovas beanspruchten eine Überlegenheit gegenüber anderen Religionen und hielten ihre Auslegung der Bibel für allein gültig. Im Februar war die Zentrale der Zeugen Jehovas in Sankt Petersburg durchsucht worden. Weltweit haben die Zeugen Jehovas rund acht Millionen Mitglieder.

Bereits 2015 war in Russland ein erstes diskriminierendes Gesetz gegen gewisse Glaubensgemeinschaften in Kraft getreten. Gefordert wurde, dass diese ihre ausländischen Geldquellen offenlegten. Sollten diesbezügliche Fristen nicht eingehalten werden, drohe die Auflösung. Wie das umstrittene Gesetz zu Nichtregierungsorganisationen aus dem Jahr 2012 stellte das Gesetz von 2015 Empfänger von ausländischen Geldern unter Generalverdacht. Solche Glaubensgemeinschaften müssen seither jährlich einen detaillierten Finanzbericht vorlegen. Außerdem müssen sie Angaben zu ihrem Leitungspersonal machen und darlegen, dass ihre Aktivitäten ihrer Satzung entsprechen.

Die orthodoxe Kirche unterstützte die Verschärfung, weil sie kein ausländisches Geld erhält. Andere Konfessionen sowie muslimische und jüdische Organisationen werden allerdings zum Teil aus dem Ausland finanziert.

Der deutsche Humboldt-Universitätstheologe Joachim Willems warnte im Vorjahr, dass die Gesetze auf bestimmte dynamische Religionsgemeinschaften wie Baptisten und Pfingstkirchen abzielten. Sie seien vom Staat zu "ausländischen" und "nichttraditionellen" Gruppen erklärt worden.

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