Brexit: Kardinal Nichols sieht Ursache in verlorener EU-Vision

31. März 2017 in Aktuelles


Englands Bischofskonferenz-Vorsitzender strikt gegen Deutung als "Sieg von Populismus" - Kardinal Bagnasco warnt vor Risiken und ruft zu mehr Zusammenhalt auf


Barcelona-Rom (kath.net/KAP) Der "Verlust der Visionen der EU" ist für den Bischofskonferenz-Vorsitzende von England und Wales die tieferliegende Ursache für den Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Der "Brexit" sei nicht etwa ein "Sieg des Populismus" in seinem Land, sondern deute auf "Unzufriedenheit über lange Zeit hinweg" mit dem Projekt des geeinten Europas, sagte Kardinal Vincent Nichols am Mittwoch vor Journalisten. Schauplatz war eine kirchliche Konferenz über Jugendpastoral, die vom Rat der europäischen Bischofskonferenzen CCEE organisiert war.

Das Vereinigte Königreich hatte am Mittwoch offiziell sein Austrittsgesuch aus der Europäischen Union eingereicht. Ein Rückschlag für die EU sei nicht notwendigerweise ein Rückschlag für den Kontinent, so Nichols' Kommentar dazu. Europa sei jedoch "nicht mit der EU gleichzusetzen", betonte er. Zugleich gelte jedoch auch, dass keine Nation isoliert von anderen leben könne. Man müsse deshalb nun die Entwicklungen der nächsten zwei Jahre abwarten.

Weitaus kritischere Worte für den britischen EU-Ausstieg fand der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco. Eine Abspaltung führe zu nichts, sagte er laut der italienischen Tageszeitung "Avvenire" (Donnerstag). "Wenn Europa sich nicht auf seine Wurzeln besinnt, gehen wir alle große Risiken ein", so der Kardinal, der auch der Präsident der CCEE ist. Er rief zu mehr Zusammenhalt in der EU auf.

Hürde für die Ortskirche

Mit Sicherheit werde der Brexit auch die katholische Kirche in England betreffen; auf psychologischer Ebene seien Auswirkungen bereits in den polnischen Diasporagemeinden zu spüren, sagte Christopher Jamison, Verantwortlicher für katholische Berufungspastoral in England. Die mehrheitlich katholischen osteuropäischen Migranten empfänden "Missbehagen" und fühlten sich nach der Debatte um den Brexit unwillkommen, so der Experte am Donnerstag in Barcelona gegenüber der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA.

Jamison betonte, praktische Fragen des Aufenthalts und der Berufstätigkeit ausländischer Kirchenmitarbeiter hingen von den jetzt zu erarbeitenden gesetzlichen Regelungen ab. Er hoffe, dass die augenblickliche Verunsicherung ende, wenn die entsprechenden Abkommen getroffen seien.

Auch im Blick auf Theologiestudierende gebe es Auswirkungen. So seien unter anderem die Anerkennung von Studienleistungen im Ausland und Modalitäten für Austauschprogramme wie Erasmus zu klären.

Die katholische Kirche sei "von Natur aus für Internationalität", sagte Jamison. Der Benediktiner und Mitarbeiter der Bischofskonferenz von England und Wales verwies auch auf zahlenstarke katholische Migrantengemeinden aus Nicht-EU-Ländern, vor allem Nigerianer und Filipinos.

Für bestehende internationale Kirchenstrukturen werde der Brexit keine Änderungen erfordern, so Jamison weiter. Im Rat der europäischen Bischofskonferenzen CCEE seien bereits jetzt katholische Ortskirchen über die Grenzen der Europäischen Union hinaus vertreten. "Europa ist größer als die EU", so auch Jamison.

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