Fragwürdige Allianzen am Ort des Terrors

21. März 2017 in Kommentar


Ausgerechnet am Schauplatz des Berliner Weihnachtsmarkt-Anschlags laden radikal-islamische Verbände zu einer „Friedens“-Demonstration ein – Mit dabei auch Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche - Gastkommentar von Tobias Klein


Berlin (kath.net)
Es hörte sich so schön an: Unter dem Motto „Religionen für ein weltoffenes Berlin“ sollte am Donnerstag, dem 16. März, eine Kundgebung „gegen Hass und Gewalt“ stattfinden; Vertreter von „mehr als 20 verschiedenen religiösen Gruppen“, hieß es, wollten gemeinsam ein „Zeichen für Frieden und Toleranz“ setzen. Auf dem Breitscheidplatz vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, also an der Stelle, an der knapp drei Monate zuvor der islamistische Terrorist Anis Amri mit einem gestohlenen LKW in einen Weihnachtsmarkt gerast war, zwölf Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt hatte. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte zu, ein Grußwort zu der Kundgebung beizusteuern; auch die evangelische Gemeinde der Gedächtniskirche, die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBO) und der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin unterstützten die Demonstration.

Aber dann wurden einige irritierende Details bekannt. Zum Beispiel, dass der Moscheeverein „Neuköllner Begegnungsstätte“ (NBS) die Veranstaltung bei der Berliner Polizei als „Kundgebung gegen ein Anwachsen der Hetze gegen Migranten, Muslime und Flüchtlinge“ angemeldet hatte – sowie dass die NBS und drei weitere mitveranstaltende Moscheevereine vom Verfassungsschutz beobachtet werden: wegen Verbindungen zu islamistischen Gruppierungen wie der Muslimbruderschaft und der Hamas, aber auch, weil sie – wie es im Verfassungsschutzbericht des Jahres 2015 heißt – Auffassungen propagieren, die „mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind“.

Vor diesem Hintergrund forderte der Zentralrat der Juden in Deutschland den Regierenden Bürgermeister in einem Brief auf, von der Teilnahme an der Kundgebung Abstand zu nehmen, aber Müller ignorierte das Schreiben. Auch die Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche lehnten es ab, ihre Unterstützung für die Demonstration zurückzuziehen: Frank-Peter Bitter, Geschäftsführer des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Berlin, nannte es ein „Geschenk“, dass „mehr als 20 verschiedene religiöse Gruppen mit ihrer konfessionellen Unterschiedlichkeit gemeinsam für den Frieden beten“. Die Pressesprecherin der Evengelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, Heike Krohn-Bräuer, wies den Vorwurf, mit radikalen Islamisten gemeinsame Sache zu machen, mit dem Hinweis zurück, der Imam der umstrittenen „Neuköllner Begegnungsstätte“, Mohamed Taha Sabri, habe sich schon früher klar vom Islamismus distanziert.

Wie diese Distanzierung konkret aussieht, davon vermittelt eine Aussage Taha Sabris bei der Kundgebung am Donnerstagabend einen Eindruck. Der Imam, der übrigens schon 2015 – noch bevor seine Moschee erstmals im Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde – von Bürgermeister Müller mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet wurde, erklärte: „Ich weigere mich, diesen Terror islamisch oder islamistisch zu nennen. Nichts von dem, was die Terroristen anrichten, hat etwas mit dem Islam zu tun.“ – Freilich: An die reflexartige Beteuerung „Das hat nichts mit dem Islam zu tun“ hat man sich seit Jahren gewöhnt. Wenn dieser Satz aber vom Imam einer vom Verfassungsschutz beobachteten Moschee am Schauplatz eines eindeutig islamistisch motivierten Terrorakts geäußert wird, dann kann man sich schon fragen, ob das nicht einer Verhöhnung der Opfer dieses Anschlags gleichkommt.

Aber auch wenn die Verantwortlichen von EKBO, Gedächtniskirchen-Gemeinde und Diözesanrat der Katholiken ehrlich überzeugt gewesen sind, dass das Anliegen der Demonstration eine Distanzierung vom radikalen und gewalttätigen Islamismus sei, stellt sich die Frage, weshalb sie sich partout an dieser zwar nominell interreligiösen, faktisch aber hauptsächlich von Muslimen getragenen und besuchten Veranstaltung beteiligen mussten. Die Ansprache des Pfarrers der Gedächtniskirche, Martin Germer, gibt hier einen Fingerzeig: Wie der Berliner „Tagesspiegel“ berichtet, betonte Pfarrer Germer „die prinzipielle Friedlichkeit der Religionen und die Ablehnung von Hass und Gewalt“. Abgesehen davon, dass diese Aussage geeignet scheint, die in der säkularen Gesellschaft ohnehin recht verbreitete Auffassung zu stützen, die verschiedenen Religionen seien in ihrem Kern identisch bzw. austauschbar, erweckt sie auch den Eindruck, die christlichen Kirchen sähen auch sich selbst in der Pflicht, ihr Verhältnis zu „Hass und Gewalt“ zu klären. Man mag sich fragen, ob die Gefahr einer militanten Radikalisierung tatsächlich ein solches Problem für die christlichen Kirchen hierzulande darstellt – oder ob die eigentliche, wesentlich akutere Gefahr für sie nicht vielmehr in einer Tendenz zur Beliebigkeit, Profillosigkeit und zu religiösem Indifferentismus liegt. Vergessen wir in diesem Zusammenhang nicht, dass dieselbe Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, die hier so gar keine Berührungsängste gegenüber radikalen Islamisten an den Tag legt, sich alljährlich vom „Marsch für das Leben“ distanziert, da dieser „fundamentalistisch“ sei. Aus katholischer Sicht kann man da beinahe froh sein, dass sich seitens des Erzbistums Berlin „nur“ Vertreter des Diözesanrats an der Islamisten-Demo beteiligten.

Letztlich am plausibelsten erscheint die Annahme, dass die Vertreter der christlichen Kirchen ganz einfach der Ansicht waren, bei einer Veranstaltung, die „Religionen“ im Plural im Titel trägt, dürften sie schlechterdings nicht fehlen. Was bei dieser leicht peinlich anmutenden „Adabei“-Haltung herauskommt, ist ein hilfloser Profilierungsversuch, bei dem die Verantwortlichen verkennen oder willentlich ignorieren, dass sie sich vor den Karren radikal-islamischer Gruppierungen spannen lassen. Der Islamexperte Ahmad Mansour erklärte gegenüber der WELT, „die Strategie der Moscheen, die der Muslimbruderschaft nahestehen“, ziele darauf ab, „als Partner der Politik wahrgenommen zu werden“. In diesem Sinne war die Kundgebung auf dem Breitscheidplatz zweifellos ein Erfolg für die Islamisten.


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