Trink deinen Cappuccino zwei Stunden später…

17. März 2017 in Kommentar


Fasten ist keine Erfolgsstory, wo der Sieger nach 40 Tagen eine geistliche Trophäe einheimst, sondern ein Weg zur Freiheit. BeneDicta von Petra Knapp-Biermeier.


Linz (www.kath.net) Ich sitze mit meinem Jüngsten am Tisch und höre zu, was er mir vom Kindergarten erzählt. Hungrig löffelt er sein Kartoffelgulasch. Es duftet nach Majoran, Knoblauch und Paprika. Mein Teller ist halbvoll, und ich esse heute Luft, rede, höre, lache, lächle, faste. Ich weiß noch nicht, dass ich zehn Stunden später mit leerem Magen schlafen gehe, mit einem Herz, dass etwas neu entdeckt hat: Freiheit.

Ich experimentiere zu Beginn dieser Fastenzeit und bin unsicher, ob ich überhaupt noch fasten kann, denn mein Verhältnis zum Fasten ist seit langem gespalten. Als Teenager habe ich gefastet, bei Wasser und Brot, freitags, manchmal mittwochs, inspiriert von Medjugorje. Dann verblasst es. Andere Zeiten kommen, und Fasten ist innerlich verknüpft mit Gesetzlichkeit, Unfreiheit, schlechtem Gewissen. Folgerichtig faste ich gar nicht mehr. Bis heute.

Es beginnt auf MEHR-Konferenz 2017, als die Idee präsentiert wird, 40 Tage zu beten und zu fasten – für Europa, für Erweckung, für eine Erneuerung des Glaubens. Ich bin begeistert, fühle mich angesprochen und trage mich in die Liste der Fastenden ein. Wie ich konkret faste, weiß ich zunächst nicht. Einer meiner Jobs ist nämlich, meine Familie mit Essen zu versorgen, einkaufen, kochen, backen, planen.

Aber das ist gar nicht das
Hauptproblem, merke ich, je näher die Fastenzeit rückt: Essen ist für mich…. Hmmmm. Genuss. Trost. Beruhigung. Heimat. Sicherheit. Essen ist an so viele Gefühle geknüpft, dass mir schwindlig wird, wenn ich daran denke, nicht zu essen. Nur mit einer eher vagen Idee eines möglichen Fastens starte ich am Aschermittwoch, mit ein bisschen Suppe und dem Gefühl, dass ich das nie schaffe.

Was gibt es da eigentlich zu schaffen? Es hat mich zunächst entmutigt, dass es für manche Christen so einfach ist, sehr radikal zu fasten. So nebenbei erzählt mir ein Priester, dass es für ihn überhaupt kein Problem war, damals, diese 16 Tage zu fasten.

Und 40 Tage mit Säften und Brühen sei unvergleichlich leichter als nur mit Wasser, höre ich anderswo.
Nun ja. Ich fokussiere mich zunächst auf die ersten drei Tage dieser Fastenzeit, und Gott ist gut zu mir, denn ich begreife bei meinem kleinen geistlichen Experiment sehr schnell einige Dimensionen des Fastens: Erstens ist es eine vehemente Form, das Gebet zu verstärken, zweitens eine Rückeroberung der Freiheit, drittens erkenne ich die individuelle Handschrift Gottes über meinem Leben ganz neu.

Die ersten zwei Tage reduziere ich die Mahlzeiten und esse eher wenig, am dritten Tag habe ich vor, gar nichts zu essen und nur zu trinken, denn an diesem Tag wird weltweit für Österreich gebetet und abends werde ich mich in ein 24-Stunden-Gebet in der Nähe einklinken. Aber noch bin ich nicht dort. Noch ist Freitagmorgen, und um sieben Uhr stehe ich in der Küche und bereite Porridge für meinen magenkranken Mann vor, richte Jausenbrote für die Kinder und koche das Mittagessen vor.
Gulasch, Palatschinken, Grießbrei, Obstsalat. Es gibt nicht viele Tage im Jahr, wo ich so durchgehend und vielfältig mit Essen zu tun habe, wie an meinem ersten Fasttag seit Jahrzehnten. Mein Kopf sagt mir, dass ich das nicht durchhalte und spätestens am Nachmittag umfalle.

Aber nachmittags wird es noch intensiver: Der Großeinkauf ist dran, und am Heimweg nehme ich noch Speck, Eier und frisches Brot vom Bauern, richte Abendessen für alle, setze mich dazu und wundere mich über meine vollkommene Ignoranz.
Es ist jetzt halbsieben Uhr abends, und mein Magen knurrt, aber es stört mich nicht sehr, ich trinke etwas Brühe und fülle meine Wasserflasche voll, ehe ich ins Auto steige. Vor dem 24-Stunden-Gebet sitze ich in unserer eiskalten Pfarrkirche und friere und bete, vor dem ausgesetzten Allerheiligen, zusammen mit ein paar älteren Frauen.

Und meine erste Erkenntnis habe ich hier: Fasten öffnet meine geistlichen Poren. Hey, Gott, ich will was. Ich will ganz etwas Konkretes, Gott, und das ist mir so wichtig, dass ich dir das schenke, was du natürlich gar nicht brauchst, eh klar, mein geringes Fasten. Aber es ist mir ernst, mein Gott, es ist mir ein Herzensanliegen, dass dein Name groß wird auf dieser Welt. Mein Fasten gibt meinem Beten Kontur, es verschärft es, unterstreicht, verstärkt, bringt meine Gebete nicht mausgrau, sondern neongelb blinkend vor Gott.

Meine zweite Erkenntnis kommt dann unter viel Gelächter beim Autofahren zum 24-Stunden-Gebet mit Freunden. Ich erzähle von meinem kulinarischen Fasttag und entdecke nebenbei, dass ich tatsächlich frei bin: Frei auf etwas zu verzichten obwohl ich so sehr an Dingen hänge, und frei von Leistungsdruck, Gesetzlichkeit und Perfektionismus. Und ich bin frei, jederzeit aufzuhören mit dem Fasten.

Meine dritte Erkenntnis kommt dann am nächsten Morgen: Es gibt nichts zu „schaffen“. Fasten ist keine Erfolgsstory, wo der Sieger nach 40 Tagen eine geistliche Trophäe einheimst. Noch in der Nacht überlege ich nämlich, ob ich einfach weitermache mit dem Fasten, weil ich es gerade neu entdeckt habe und es doch so gut läuft. Am nächsten Morgen bekomme ich die Antwort: Die Kinder bringen uns Frühstück ans Bett – Toast, Schinken, Säfte und Obst – und sie bestehen darauf, dass wir miteinander essen.

Ich fühle mich so reich beschenkt. Und es ist so überdeutlich, was Gott mir persönlich sagen will: Du bist nicht zum extremen Fasten berufen, nicht hier, nicht jetzt. Das ist nicht das, was ich im Moment von dir will. Aber ich will dich in die Freiheit führen, in die Unabhängigkeit von dem, woran du so sehr hängst. Schritt für Schritt…
Genauso verlaufen dann die Tage danach. Immer wieder starte ich einen neuen Anlauf zum Fasten – und scheitere. Dafür entdecke ich im Alltag immer wieder Gelegenheiten, Dinge vorübergehend wegzulassen: Mal verschiebe ich eine Mahlzeit ganz bewusst, mal schalte ich das Handy aus, mal lasse ich die coole Bibel App sausen und nutze die Zeit zum Beten.

Ja, Fasten, das ist so individuell wie du selber. Fasten, das ist deine ganz persönliche Berufung. Fasten, das ist primär ein Ding zwischen dir und Gott. Ich ermutige dich, kleine Fastenschritte in deinen Alltag zu integrieren: Trink mal deinen Cappuccino zwei Stunden später und fokussiere dich in dieser Zeit auf Gott, wo auch immer du stehst. Schenk ihm das ganz bewusst.

Gehe ganz kleine Schritte, experimentiere, probiere aus, was dir möglich ist, in Übereinstimmung mit deinem Alltag. Mach dich auf diesen neuen Weg der Freiheit, des verstärkten Gebets. Bitte ihn dir zu zeigen, wie du fasten sollst. Gott stülpt dir keine fremde Identität über. Er will dich. Genauso wie du bist, aber er will dich formen, schleifen, deine Kontur herausarbeiten, frei machen. Gib ihm in dieser Fastenzeit Gelegenheit dazu.

Jeden Freitag kommentieren auf kath.net in der Reihe BeneDicta Gudrun Trausmuth, Inka Hammond, Isabella von Kageneck, Petra Knapp und Linda Noé wichtige Themen über Gott, die Welt und alles, was die Herzen noch so bewegt.


© 2017 www.kath.net