Franziskus – der Papst unter Leuten

13. März 2017 in Aktuelles


Der Alltag des Papstes zwischen Santa Marta und dem Apostolischen Palast. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Wo lebt Papst Franziskus? Und wie schaut eigentlich ein Tag des Papstes aus? Vor nunmehr vier Jahren beeindruckte Franziskus die Welt mit seiner Entscheidung, nicht wie seine Vorgänger in der päpstlichen Wohnung des Apostolischen Palastes zu leben, sondern im Gästehaus des Vatikans zu bleiben, wo die Kardinäle während des Konklaves untergebracht waren. Seitdem ist die „Casa Santa Marta“ oder die „Domus Sanctae Marthae“, wie das Gästehaus auf Latein genannt wird, zu einem Begriff geworden, den man in der ganzen Kirche kennt.

Die Medien schufen den Mythos vom „bescheidenen“ Papst, der ein Gästehaus dem angeblichen „Luxus“ des Apostolischen Palastes vorzieht und damit ein Zeichen setzt, denn: hatte Franziskus nicht in seiner ersten Ansprache an die Medienvertreter nach dem Konklave am 16. März 2013 gesagt: „Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen!“? Dieses Bekenntnis zu evangelischer Armut wurde in einer reichen Welt, die gern neidvoll auf die Güter des Anderen blickt, zu einem Aufruf zum Abbau von all dem umgemünzt, was Geschichte und Tradition der römischen Kirche vorzuweisen haben. Um es sofort zu klären: die Vorgänger des regierenden Papstes haben weder in Luxus noch in Saus und Braus gelebt. Als Benedikt XVI. im Jahr 2005 die Wohnung übernahm, musste diese erst einmal gründlich renoviert werden. Fast dreißig Jahre war nur das Notwendigste getan worden. Elektrische Leitungen? Aus jener Zeit da es noch keine Sicherheitsnormen gab. Die Wohnung Johannes Pauls II. war zudem gern von Küchengerüchen erfüllt gewesen, da es an gut funktionierenden Dunstabzügen mangelte. Daher musste Benedikt XVI. einige Wochen warten, bis die Arbeiten abgeschlossen waren. Und – er lebte diese Zeit über in der „Casa Santa Marta“.

Die heutige Casa Santa Marta steht links an der Grenzmauer des Vatikans gegenüber der Petersbasilika. Im Jahr 1891 hatte Papst Leo XIII. das erste Hospiz errichten lassen. In diesem „Pontificium Hospitium Sanctae Marthae“ sollten Kleriker und Ordensmänner Unterkunft finden können, die in Rom zu Besuch waren. Das Haus wurde nach der Kirche benannt, die am selben Platz stand. Zu Beginn der 90ger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der Entschluss gefasst, das alte Gebäude abzureißen und eine neue Residenz zu errichten, dies auch im Hinblick auf künftige Konklaven. Die Kardinäle, die den Papst wählen, sollten nicht mehr provisorisch und unbequem in kleinen Zellen untergebracht werden, die man zu diesem Anlass im Apostolischen Palast zusammenbaute.

Der Neubau, der bedeutend höher und wuchtiger sein sollte als das alte Hospiz, führte zu einer großen, auch polemisch geführten Auseinandersetzung zwischen dem Vatikan, der Gemeinde Rom und Denkmalschützern, denn: das neue Haus verstellte einen einzigartigen Blick auf die Peterskuppel. Der Streit wurde auch durch eine Stellungnahme der UNESCO („Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur“) sowie des „International Council on Monuments and Sites“ („Internationaler Rat für Denkmalpflege“ mit Sitz in Paris) geschlichtet. Der vom amerikanischen Architekten Louis D. Astorino entworfene Bau wurde dann 1996 fertiggestellt. Es handelt sich um eines der exklusivsten modernen Gebäude der Stadt. Stünde die „Casa Santa Marta“ nicht im Vatikan, so würde man sie mit ihren 105 Suiten, 26 Einzelzimmern und einem großen Repräsentationsappartement als Fünf-Sterne-Hotel qualifizieren. Ihre wertvolle Ausstattung mit Marmor in Weiß und Beige gab in den 90ger Jahren Anlass zu einer vor allem von linksgerichteten Medien geführten Kampagne gegen das Haus, den Papst und die Verschwendung, die im Vatikan angeblich herrscht. Der Treppenwitz der Geschichte besteht darin, dass es dieselben Medien sind, für die die „Casa Santa Marta“ heute Inbegriff einer angeblichen Revolution der Bescheidenheit geworden ist.

Papst Franziskus selbst hat erklärt, warum er nicht im Apostolischen Palast wohnt. Auf die Frage eines Mädchens antwortete der Papst lächelnd: „aus psychiatrischen Gründen“. Franziskus will nicht allein und isoliert leben. Er zieht als Jesuit das „Kollegsleben“ im Hotel vor, ein offenes Leben in einem offenen Haus mit all den für ein Hotel typischen alltäglichen Bewegungen. Der Apostolische Palast ist „Ort der Arbeit“, den der Papst am Vormittag für die Vielzahl der Audienzen und Begegnungen nutzt, die seinen offiziellen Terminkalender auszeichnen. Der Nachmittag – er bleibt seinem eigenen persönlichen Kalender vorbehalten, den der Papst selbst führt, was auch für sein privates Telfonverzeichnis gilt, ein legendäres schwarzes Büchlein, das es Franziskus gestattet, seine umfangreichen persönlichen Kontakte aufrechtzuerhalten, zu pflegen, zu nutzen. Am Anfang führten diese berühmten spontanen Papst-Telefonate noch zu Schlagzeilen. Jetzt ist klar: so gestaltet Franziskus sein kleines Privatleben und nicht unwichtige Teile seines Dienstes als universaler Hirte der Kirche.

Wie schaut also so ein Durchschnittstag des Papstes zwischen dem Hotel, in dem er lebt, und den weiten Korridoren und Sälen des Palastes aus? Der Wecker surrt um 4:45 Uhr. Die Zeit bis zur heiligen Messe um 7:00 Uhr in der Kapelle der „Domus“ verbringt Franziskus in Gebet und Betrachtung. Wesentlicher Bestandteil dieser Betrachtungen sind neben dem Brevier die liturgischen Texte des Tages, was die Grundlage der seit dem 22. März 2013 zum Begriff gewordenen „Predigten in Santa Marta“ ist: frei gehaltene Predigten in einem auch eigenwilligen Stil und mit pointierten Inhalten als Frucht der morgendlichen und sehr persönlichen Auseinandersetzung mit den Schriftworten. Nach der Messe und einem abschließenden Gebet begrüßt der Papst einige der Teilnehmer am Gottesdienst – eine Begegnung, bei der der Fotograf natürlich nicht fehlen darf.

Nach dem Frühstück im Speisesaal – der Papst speist an einem etwas abgelegenen und geschützten Tisch – beginnt die Morgenarbeit an den vielen Dossiers, die sich auf dem Schreibtisch stapeln, gefolgt von den Audienzen. Nach dem Mittagessen um 13:00 Uhr ruht der Papst, um sich dann bis zum Abendessen, das er zwischen 19:30 Uhr und 20:00 Uhr einnimmt, der Arbeit und den Begegnungen verschiedenster Natur zu widmen. Nach dem Abendessen folgt ein weiterer Moment des Gebets und des Studiums, bis sich Franziskus gegen 22:00/22:30 Uhr zu Bett begibt.

Der Papst bewohnt die Suite 201 im zweiten Stock des Hauses. Sie besteht aus einem Wohn/Arbeitszimmer mit Schreibtisch, einem Sofa, zwei Sesseln und einem Bücherschrank, dann das Schlafzimmer, ein Vorraum und das Bad. Das Schlafzimmer ist aus dunklem Holz gefertigt. Ein Kühlschrank sorgt für kalte Getränke und Kleinigkeiten zum Essen. Das ungefähr 70 Quadratmeter umfassende Apartment mit Hochglanzparkettböden diente früher als Unterkunft für besondere Gäste. So hatte sich Franziskus beim Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomaios I. „entschuldigt“, dass er ihm nunmehr seine Wohnstatt genommen habe. Franziskus hat die Gewohnheit, sich frei im Haus zu bewegen. So kann es vorkommen, dass die anderen Gäste plötzlich vor dem Papst stehen, der allein im Aufzug ins Atrium gekommen ist. Das Mittagessen wird im Speisesaal serviert, das Abendessen: Buffet mit Self Service. In Momenten der Ruhe geht Franziskus nach wie vor dem sudamerikanischen „Ritus“ des Trinkens von Mate-Tee nach. Der Papst ist ein unermüdlicher Arbeiter voller lebhafter Energie, der keine Minute des einfachen Müßiggangs kennt. Braucht er eine Pause, so einer seiner Sekretäre, dann nimmt sich Franziskus diese, indem er den Rosenkranz betet: „Das hilft mir, mich zu entspannen“, so der Papst.

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