Ihr Glaube ist unsere Hoffnung

10. März 2017 in Weltkirche


„Kirche in Not“ hilft in 48 Ländern Afrikas notleidenden Christen. Von Tobias Lehner


München (kath.net/KIN) „Es ist Nacht über Afrika.“ So beginnt Pater Werenfried van Straaten, der Gründer von „Kirche in Not“, den Bericht über seine erste Reise auf den afrikanischen Kontinent. Das war im April 1965. „Stationen auf dem Kreuzweg“ nannte er die Eindrücke, die er in der heutigen Demokratischen Republik Kongo sammeln konnte. 52 Jahre später ist dieser Kreuzweg nicht zu Ende.

„Mit Entsetzen erleben wir, dass Gewalt, Angst und Unsicherheit vielerorts aufflammen“, berichtet Laurent Kardinal Monsengwo Pasinya, der Erzbischof der Hauptstadt Kinshasa, an „Kirche in Not“. Mitte Februar hatten bislang Unbekannte Feuer in einem Trakt des Priesterseminars von Malole gelegt sowie ein Kloster und eine Kirche verwüstet. „Sie warfen den Tabernakel um, plünderten den Altar, zertrümmerten Kirchenbänke und versuchten, Feuer zu legen“, berichtete Pasinya.

„Die Kirche wird attackiert, um ihre Vermittlerrolle zu behindern“, erklärt der Kardinal. Die Demokratische Republik Kongo ist seit Jahrzehnten politisch zerrissen; Kämpfe zwischen Regierung, Rebellentruppen und Stammeskriegern erschüttern das Land. Die katholische Kirche versucht zu vermitteln. Politisch vereinnahmen lasse man sich jedoch nicht, so Pasinya. „Wir werden uns weiter für Frieden und Aussöhnung der gesamten Gesellschaft stark machen.“

Ähnlich wie in der Demokratischen Republik Kongo geht es den Christen in vielen Ländern auf dem afrikanischen Kontinent. „Der islamistische Terror greift auch hier um sich. Ganz besonders schlimm ist es in Nigeria, wo ,Boko Haram' sein Unwesen treibt“, sagt Karin Maria Fenbert, die Geschäftsführerin von „Kirche in Not“ Deutschland. „Aber auch Stammesfehden, Kriege und die große Armut bringen die Menschen in Afrikas an den Rand des Abgrunds.“ Einzige Hoffnung seien vielerorts die Kirche und ihre Einrichtungen.

„Tag für Tag wiederholt sich das Wunder der Brotvermehrung“

So erleben es auch die Pallottinerinnen in der Millionenstadt Goma. „Es vergeht kein Tag, an dem nicht ein weiteres Waisenkind oder eine Mutter mit ihrem unterernährten Baby vor unserer Tür steht“, erzählt Schwester Marta Litawa. Ihr Orden betreut mehrere Waisenhäuser, Schulen und medizinische Versorgungsstationen in der Kivu-Region im Osten der Demokratischen Republik Kongo und im benachbarten Ruanda. Als zwischen 1996 und 2013 blutige Kämpfe die Region erschütterten und mehr als fünf Millionen Menschen ermordet wurden, zogen zahlreiche Orden ihre Mitglieder von dort ab. Schwester Marta und ihre Gemeinschaft blieben.

„Tag für Tag wiederholt sich unter uns das Wunder der Brotvermehrung“, erzählt die Ordensfrau lächelnd. „Mit dem Wenigen, das uns zur Verfügung steht, bekommen wir alle satt.“ Auch den kleinen Kevin Moussa, der als neun Monate altes Baby in ihre Obhut gegeben wurde. „Der Vater weigerte sich, das Kind anzuerkennen und verstieß die Mutter. Schließlich war sie obdachlos.“ Als das Baby immer mehr abmagerte, brachte sie es zu den Schwestern. „Kevin hatte nur etwas mehr als die Hälfte des Durchschnittsgewichts von Jungen seines Alters; wir wussten nicht, ob wir ihn durchbringen.“ Mit einer speziellen Nahrung päppelten die Schwestern den Jungen auf. „Heute wiegt er bereits zehn Kilo, und seine Mutter dankt uns immer wieder mit Tränen in den Augen.“

Die Dankbarkeit ist auch auf der medizinischen Station der Schwestern spürbar. Mehr als 25 000 Patienten werden dort im Jahr betreut. Die meisten von ihnen sind HIV-positiv oder leiden unter Hepatitis B. „Wir führen Impfungen durch, geben Medikamente aus – aber mehr noch zählt die Beratung und Aufklärung der Ehepaare.“ Die Schwestern würden aber auch immer wieder angefragt, wenn es um die Vorbereitung auf die Sakramente oder um Glaubensfragen ginge, erzählt Schwester Marta. „Der Hunger der Menschen nach Gott ist groß.“

„Ich habe Gott mitten im Leid erfahren“

Das gilt auf dem gesamten afrikanischen Kontinent: Von den über 1,1 Milliarden Einwohnern Afrikas sind rund 215 Millionen Katholiken. Ihre Zahl hat sich seit 1982 vervierfacht. Die Zahl der Priester- und Ordensberufungen steigt kontinuierlich; auf den anderen Kontinenten – mit Ausnahme Asiens – gehen sie zurück. Darum ist die Förderung der Ausbildung von angehenden Priestern und Ordensleuten einer der Schwerpunkte der Afrika-Hilfe von „Kirche in Not“. „Allein im Jahr 2016 hat unser Werk jeweils rund 5000 Ordensleute und Priesteramtskandidaten in Afrika unterstützt“, erklärt Karin Maria Fenbert.

Einer von ihnen ist Stephen Kilama. Er besucht zusammen mit über 40 Mitstudenten das Priesterseminar der Erzdiözese Gulu im Norden von Uganda. Dass der 29-Jährige in diesem Jahr die Priesterweihe empfangen wird, grenzt an ein Wunder. „Meine Eltern wollten schon die Totenmesse für mich feiern lassen“, erzählt Stephen. Das hängt mit einem der blutigsten Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent zusammen: Dem Bürgerkrieg zwischen ugandischen Regierungstruppen und der sogenannten „Lord's Resistance Army“ (LRA). Über 100 000 Tote seit 1998 gehen auf das Konto der Rebellengruppe. Zehntausende Kinder und Jugendliche wurden während des blutigen Konflikts verschleppt – die Mädchen als Sexsklavinnen missbraucht, die Jungen als Kindersoldaten herangezogen.

Einer von ihnen war Stephen. Er erzählt sein Martyrium: „Am 11. Mai 2003 drangen LRA-Kämpfer in den Schlafsaal unseres Internats ein und verschleppten mich zusammen mit 40 Kameraden.“ In Militärlagern wurden sie zum Töten gedrillt. Doch dazu sollte es glücklicherweise nicht mehr kommen. Stephen konnte fliehen. 12 seiner damaligen Schulfreunde sind bis heute vermisst. „Ich habe Dinge gesehen, die sich kein Mensch vorstellen kann. Allein aus menschlicher Kraft wäre es unmöglich gewesen, dieser Hölle zu entkommen. Ich hatte nichts als den Glauben und das Gebet.“ Stephen bezeichnet diese schreckliche Zeit sogar als Gotteserfahrung: „Viele Menschen sagen, sie können Gott nicht spüren. Ich habe ihn gerade mitten im Leid unmittelbar erfahren.“ Umso entschlossener verfolgte er ab da sein Lebensziel: „Als Priester will ich die Botschaft der göttlichen Barmherzigkeit und des Friedens in die Welt hinaustragen.“ Eine Botschaft, die der afrikanische Kontinent so dringend braucht. In Uganda ist die Lage seit 2008 relativ stabil. Aber der Terror geht andernorts weiter.

„Was wir tagtäglich machen, ist Friedensarbeit“

Zum Beispiel im Südsudan, dem jüngsten Land der Welt. 2011 trennte sich der mehrheitlich christlich geprägte Süden des Sudan vom muslimischen Norden. Damals war der Jubel groß. Er sollte nicht lange währen: Schon zwei Jahre später geriet das Land in einen blutigen Bürgerkrieg.

„Was wir hier tagtäglich machen, ist Friedensarbeit“, sagt Schwester Margo Delanye von den „Holy Faith Sisters“. Sie hat vor vier Jahren die Grundschule „St. Maria Magdalena“ in Riwoto im Osten des Südsudan aufgebaut. Der Krieg im Land sei – anders als oft dargestellt – kein ethnischer Konflikt. „Die Mitglieder der verschiedenen Stämme hassen einander nicht; sie sind traumatisiert vom endlosen Krieg und sehnen sich nach einer friedlichen Zukunft“, so die Ordensfrau. Das gemeinsame Lernen von Kindern aus verschiedenen Stämmen, Bildung überhaupt, seien wichtige Schritte in diese Zukunft.

„Als wir vor vier Jahren anfingen, mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten – vor allem was die Ausbildung der Mädchen betraf“, erzählt Pater Tim Galvin, der zusammen mit den Ordensfrauen Schule und Pfarrei betreut. Oft würden die Mädchen schon mit 15 Jahren verheiratet, da die Eltern eine Art „Brautgabe“ für sie bekämen, die sie zum Überleben bräuchten. „Wenn ich von einem solchen Fall höre, gehe ich zu einem Stammesältesten, damit er ein Machtwort spricht. Immer öfter habe ich Erfolg, und die Mädchen können weiter bei uns zur Schule gehen.“ Heute lernen in Riwoto über 400 Kinder – über 40 Prozent von ihnen Mädchen. Und die Schule wächst: Konnten in den letzten Jahren Klassenräume, Büros für die Lehrer und eine Schulkantine gebaut werden, so werden jetzt dringend neue Wohnräume gebraucht, um weitere Lehrer unterbringen zu können. „Wir leben hier mitten in Not und Krieg“, sagt Pater Tim, „aber es gibt auch so viele Zeichen der Hoffnung.“

Unter dem Leitwort „Ihr Glaube ist unsere Hoffnung“ bittet „Kirche in Not“ in der Fastenzeit um Spenden für die Christen Afrikas:

Kirche in Not Deutschland

Kirche in Not Österreich

Kirche in Not Schweiz

Kirche in Not - Afrika – ein Kontinent des Glaubens, der Not und der Hoffnung - Video zur Fastenaktion 2017


Kirche in Not - Ein Diakon in Uganda bringt kranken Dorfbewohnern die Eucharistie


Kirche in Not - Motivbild der Fastenaktion


Foto oben (c) Ismael Martinez Sanchez/Kirche in Not


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