Irak: Die ersten Christen sind zurück in Mosul

24. Februar 2017 in Weltkirche


Chaldäischer Patriarch Sako ermutigt christliche Flüchtlinge - Sako: Er kann sich internationale Beobachter von Seiten der UNO oder EU vorstellen - "Wer beschützt die Christen? Das ist die entscheidende Frage." FOTOSTRECKE


Erbil (kath.net/KAP) Während um West-Mosul erbitterte Kämpfe zwischen der irakischen Armee und der IS-Terrormiliz toben, sind dieser Tage die ersten Christen in den bereits eroberten Ostteil zurückgekehrt. Das hat der chaldäische Patriarch Louis Sako gegenüber österreichischen Journalisten in Erbil bestätigt. Noch sei die Sicherheitslage freilich sehr schwierig. Der Kampf um Mosul sei noch längst nicht vorbei. Auch im Ostteil der Stadt bestehe immer noch die Gefahr, dass einzelne IS-Kämpfer Terroranschläge verüben. Der IS habe in dem gesamten Gebiet ein ausgeklügeltes Tunnelsystem und unzählige Minen und Sprengfallen angelegt, so Sako. Die Terrortruppe sei auch ausgezeichnet bewaffnet.

Ob die 2014 vertriebenen Christen auch in großer Zahl nach Mosul zurückkehren würden? Der Patriarch zeigte sich zu dieser Frage vorerst skeptisch. Die problematische Einstellung der Muslime gegenüber den Christen sei ja nicht erst mit dem IS gekommen, sondern schon vorher da gewesen. Und die Christen hätten auch jegliches Vertrauen in ihre muslimischen Nachbarn verloren. Denn oftmals seien sie noch vor dem Eintreffen des IS von ihren muslimischen Nachbarn und vermeintlichen Freunden ausgeraubt, bedroht und vertrieben worden. Sako fügte hinzu, dass vereinzelt aber auch Muslime Solidarität mit den Christen gezeigt hätten.

Ohne einen fundamentalen Bewusstseinswandel in der muslimischen Mehrheitsbevölkerung sei ein künftiges Zusammenleben jedenfalls nur schwer vorstellbar. Es brauche vor allem moderate Imame, die in den Moscheen Respekt und Achtung gegenüber den Christen predigen, so der Patriarch. Auch in den Schulen müsse endlich mit Vorurteilen gegenüber den Christen aufgeräumt werden, nahm Sako vor allem die Muslime selbst in die Pflicht. Das alles sei jedenfalls ein langwieriger Prozess, gab sich der Patriarch keinen Illusionen hin. Und trotzdem: "Drei christliche Familien sind bereits nach Mosul zurückgekehrt. Und das ist ein kleines Zeichen der Hoffnung."

Nach der Eroberung Mosuls durch die IS-Terroristen am 9. Juni 2014 hatten alle Christen die Stadt verlassen. Viele ihrer Häuser wurden sofort enteignet. Die Flüchtlinge hätten sich zunächst in die Ninive-Ebene oder nach Kirkuk begeben. Im August 2014 überrannte der IS dann auch weite Teile der Ninive-Ebene. Die Menschen - rund 120.000 Christen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten - flohen weiter in die sicheren Kurdengebiete.

"Wer beschützt die Christen?"

Die Ninive-Ebene, wo zahlreiche christliche Dörfer und Städte liegen, ist inzwischen zwar vom IS befreit, präsentiert sich derzeit aber nicht als einheitliches Gebiet. Ein Teil des Gebiets wird von kurdischen Truppen gehalten, der andere von der irakischen Armee. Die politische Zukunft der Region ist derzeit völlig offen.

Er ermutige die Menschen, in ihre Dörfer und Städte in der Ninive-Ebene zurückzugehen, wo immer es die Sicherheitslage erlaubt, betonte Patriarch Sako. Nur vor Ort könnten sie für ihre Rechte eintreten. Um die Sicherheitslage zu stabilisieren, könne er sich internationale Beobachter von Seiten der UNO oder EU vorstellen. Sako: "Wer beschützt die Christen? Das ist die entscheidende Frage."

Seit die kurdischen Peshmerga und die irakische Armee im vergangenen Herbst ihre Offensive gegen den IS starteten, ist der chaldäische Patriarch regelmäßig in den befreiten Zonen unterwegs; "um bei den Menschen zu sein und ihnen Mut zu machen". Das Bild der Zerstörung in den Dörfern sei zum Teil unvorstellbar, sagte Sako. In manchen Dörfer seien bis zu 80 Prozent der Gebäude zerstört, die Häuser geplündert und niedergebrannt.

Sako war dieser Tage auch mit dem Linzer Bischof Manfred Scheuer in der Region unterwegs, damit sich dieser ein Bild von der Lage machen konnte. Im von den Kurden gehaltenen Teil der Ninive-Ebene kommen die ersten Christen bereits in ihre Dörfer zurück, so diese nicht allzu schwer zerstört sind. Hoffnung mache beispielsweise die Situation in der Kleinstadt Telskof, so Sako, wo die ersten 45 Familien derzeit ihre Rückkehr organisieren. Hier blieben die Häuser relativ gut erhalten. Die Infrastruktur sei freilich völlig zerstört.

Die chaldäische Kirche hat 400.000 Euro Soforthilfe für den Wiederaufbau der christlichen Häuser zur Verfügung gestellt. Natürlich reiche dies Summe bei weitem nicht aus, ein Anfang sei aber gemacht, so Sako. Nachsatz: "Wir bitten dringend um Hilfe aus dem Westen! Auch von der Kirche in Österreich."

Eindringlich warnte der Patriarch den Westen einmal mehr vor Blauäugigkeit gegenüber den muslimischen Flüchtlingen, die nach Europa kommen. Die westlichen Staaten müssten "großherzig und weise zugleich" sein, so der Patriarch: "Kontrolliert genau, wen Ihr in Eure Länder lasst", so der Appell des Patriarchen.

Für den Irak sieht der Patriarch nur dann eine positive Zukunft, wenn es zu einer strikten Trennung von Religion und Staat kommt "und alle Bürger gleiche Rechte und Pflichten haben".

Linzer Bischof Scheuer (links) im Irak - Patriarch Sako (Mitte) - Peshmerga-Soldaten - In zerstörter Christenstadt Batnaya


Geschändete St. Kyriakos-Pfarrkirche in der zerstörten Christenstadt Batnaya


Zerstörte Christenstadt Batnaya im Nordirak/Ninive-Ebene


Linzer Bischof Scheuer (links) im Irak - Mit Patriarch Louis Sako (Mitte)


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