Und wieder: Unfaire Zahlenspiele

30. Jänner 2017 in Familie


Zum Marsch für das Leben/Washington kamen hunderttausende, doch die „Zeit“ berichtete von „mehrere(n) tausend Menschen“ – Kurze Presseschau: Überprüfen Sie persönlich via Link die genannten Artikel. Von Petra Lorleberg


Washington (kath.net/pl) Wie unfair Berichterstattung in anerkannten Medien sein kann, dafür liefert der jüngste „Marsch für das Leben“ in Washington wieder hervorragendes Anschauungsmaterial. Am diesjährigen March for Life nahmen mehrere hunderttausend Lebensschützer teil (die genaue Zahl ist umstritten), der US-Vizepräsident Mike Pence unterstützte den Marsch sogar als einer der offiziellen Redner. Nur wenige Tage zuvor hatte am selben Ort der Trump-kritische und abtreibungsbefürwortende „Women´s March“ stattgefunden, der erheblich stärkere Beachtung der Medien gefunden hatte bis hin zu spürbar höheren Angaben bei den Teilnehmerzahlen (de facto dürften beide Veranstaltungen aber ungefähr in der gleichen Liga gespielt haben). Einige Beispiele:

Z.B.: „Zeit“, „Standard“, ARD

Die Zeitung „Zeit“ berichtet im ersten Satz ihres Artikels: „Mehrere Tausend Menschen haben sich in der Hauptstadt Washington versammelt, um gegen ein Urteil des Obersten Gerichts von 1973 zu demonstrieren, das den Schwangerschaftsabbruch legalisierte.“ In der Mitte des „Zeit“-Artikels werden die Leser dann aber informiert: „Am 21. Januar hatten in Washington über eine halbe Million Menschen für das Recht auf Abtreibung demonstriert.“ Quelle: „Zeit“: Die Abtreibungsgegner schöpfen Hoffnung.

Der österreichische „Standard“ titelte anhand einer Meldung der Nachrichtenagentur „apa“: Tausende protestierten in Washington gegen Abtreibungen.

Auch die ARD – immerhin ein öffentlich-rechtlicher Sender – spricht im Untertitel von „zehntausenden Demonstranten“: Kein Steuergeld für Abtreibungen. Möglicherweise lagen der ARD aufgrund ihrer zeitnahen Berichterstattung noch keine genaueren Zahlen vor – aber bei gutem Willen wäre dies spätestens am Folgetag korrigiert worden. Die ARD baute in ihren Bericht auch eine Vorhersage Trumps mit ein: „Zuvor hatte er vorhergesagt, es würden 600.000 Teilnehmer kommen“, und überließ es dann dem Leser, aus ihrem falschen Zahlenmaterial ebenso falsche Rückschlüsse über Trumps Realitätsnähe zu ziehen. Die ARD vergaß auch nicht den Vergleich mit dem „Women´s March“, Zitat: „bei dem vergangenes Wochenende Hunderttausende in Washington und Millionen Frauen und Männer weltweit für die Rechte von Frauen und Minderheiten demonstriert hatten“.

Kirchliche Berichterstattung

Leider konnte auch die Berichterstattung der Kirche dieses Bild nicht deutlich korrigieren. Das offizielle Portal der Deutschen Bischofskonferenz, „katholisch.de“, übernahm den Bericht der kirchensteuerfinanzierten „Katholischen Nachrichtenagentur“ (KNA). Der Leser wurde bereits im Untertitel informiert: „Zehntausende Abtreibungsgegner haben in Washington für das Leben demonstriert“. Zwei Tage vor dem March for Life konnten „katholisch.de“ und KNA dankenswerterweise noch titeln: Hunderttausende zu "Marsch für das Leben" erwartet. Unmittelbar vor dem Beginn des Marsches informierte „katholisch.de“ dann im Untertitel, dass „zehntausende Demonstranten“ zum Marsch erwartet würden, siehe Link. Auch einen Tag nach dem Marsch blieb „katholisch.de“ bei der Angabe „zehntausende“, siehe Link.

Dagegen berichtete die „Katholische Presseagentur Österreich“ (KAP) in ihrem Beitrag Papst lobt "Marsch für das Leben" in Washington wörtlich: „Zur 44. Auflage kamen mehrere hunderttausend Menschen nach Washington - laut Schätzungen etwa ebenso viele wie bloß eine Woche zuvor zur Amtseinführung von Donald Trump und am Montag zu einer Demonstration für das Recht auf Abtreibung gekommen waren. Der Lebensmarsch wird von katholischen US-Bischöfen sowie den Spitzen zahlreicher anderer Glaubensgruppen unterstützt.“ Allerdings wäre zu wünschen gewesen, dass diese Bemerkung nicht ausgerechnet im allerletzten Abschnitt gestanden hätte. Das offizielle katholische Presseorgan für die Schweiz, „kath.ch“ übernahm den KAP-Artikel auf ihren deutschsprachigen Auftritt.

Der deutschsprachige Auftritt von „Radio Vatikan“ berichtete wörtlich: „Mehr als 50.000 Menschen sollen am Protestmarsch teilgenommen haben“, siehe Link. Doch steht dies in deutlicher Spannung zur Darstellung auf der englischsprachigen Seite von „Vatican Radio“. Dort wird der interessierte Leser folgendermaßen informiert: „Jedes Jahr zieht der March for Life hunderttausende in die Hauptstadt der USA“.

Fazit

Positiv lässt sich immerhin über die Berichterstattung in deutschsprachigen Medien sagen: Es war nicht möglich, den Marsch für das Leben schweigend zu übergehen. Durch das Streichen von Steuergeldern für die Abtreibungsorganisation „Planned Parenthood“ kurz nach seinem Amtsantritt hat der neue US-Präsident Donald Trump das Thema „Lebensschutz“ zu einem der Spitzenthemen seiner Präsidentschaft gemacht und die Medien müssen darauf reagieren.

In den nichtkirchlichen Medien vermisst man das gesunde Pro und Kontra zum Thema Lebensschutz. Es dominiert erfahrungsgemäß – auch jenseits der hier zitierten Beispiele und keineswegs nur bei der Darstellung der Teilnehmerzahlen – einseitig die abtreibungsbefürwortende Haltung. Dies kann als ungewöhnlich eingestuft werden und lässt Fragen aufkommen.

Traurig ist, dass sich teilweise sogar offizielle kirchliche Medien nicht dazu durchringen können, ihre Leser über die gewaltigen Teilnehmerzahlen beim March for Life zu informieren. Somit findet sich das Pro und Kontra in den kirchlichen Medien, doch leider ist es hier fehlplatziert. Kirchliche Medien sollten unter keinen Umständen in den Verdacht kommen, eine abtreibungsbefürwortende Position einzunehmen. Hier fehlt es gelegentlich an Klarheit.

Zu danken ist der „Katholischen Presseagentur Österreich“ (KAP) für ihre Klarheit in der Darstellung der Zahlenfrage.

Und wieviele Teilnehmer waren es nun wirklich? Verschaffen Sie sich mittels Video selbst einen Überblick: Der gesamte March for Life 2017 im Zeitraffer.

Der March for Life 2017 /Washington im Zeitraffer



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