'Meinungsführende Politikerklärer in Redaktionen''

23. Jänner 2017 in Kommentar


„Ein öffentlich-rechtliches System, das die Bürger meint erziehen zu müssen, brauchen wir nicht.“ Zum Umgang der Medien mit US-Präsident Trump. Gastkommentar von Klaus Kelle


Washington D.C. (kath.net/The Germanz) Noch nie zuvor habe ich den Terminus „sich in einer abgekapselten Blase befinden“ so oft gehört, wie nach der überraschenden Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Diese „Blase“, das sind die journalistischen Zirkel in den Großstädten, in New York, Washington und Los Angeles. Und man kann mit Fug und Recht sagen: diese Zirkel gibt es auch genauso in London, Paris und Berlin.

Ich habe dem Kampfbegriff „Lügenpresse“ stets widersprochen. Es gibt keine Lügenpresse. Es gibt vielleicht eine „Lückenpresse“, die das aufgreift und denjenigen wohlwollend begleitet, den man sich selbst wünscht in den Redaktionen. 51 amerikanische Tageszeitungen haben ihren Wählern Empfehlungen zur Stimmabgabe erteilt. Nicht eine einzige hat sich für Donald Trump entschieden. Und der ist nun der neue Präsident der einzigen verbliebenen Supermacht auf der Erde.

Was könnte deutlicher dokumentieren, dass wir Medien-Leute insgesamt etwas falsch machen? Dass es zwar nicht schön ist, wenn der gewählte Präsident auf seiner ersten Pressekonferenz einen CNN-Reporter barsch abbügelt, aber das eben auch gilt: Alles hängt mit allem zusammen. Die politischen Beobachter und Berichterstatter haben den Aufstieg konservativer Organisationen und Parteien auch überall in Europa schlicht nicht wahrhaben wollen. Anzeichen dafür gab es genug.

Mit einem inzwischen wirklich guten Freund von mir, einer der besten Spindoktoren, den ich jemals kennengelernt habe…nein, DER beste… habe ich schon 2004 in einem spanischen Restaurant in Düsseldorf beim Mittagessen prognostiziert, was passieren wird. Damals hatte die CDU gerade das Konzept der „modernen Großstadtpartei“ erfunden, die sich fortan nicht mehr an Vertriebene, Katholiken und Landwirte, sondern an „urbane Millieus“ wenden wollte. „Das geht in die Hose“ prognostizierte ich meinem Freund. Nicht weil ich so schlau bin, sondern weil ich selbst in diesen CDU-nahen Milieus über viele Jahre meine politische Heimat hatte. Und mit Fahnenschwenken beim Christopher Street Day, mit Krippen-Wahn und Gender-Gaga gewinnt man dort keinen Blumentopf. Und schon gar keine Wahlen.

Die hippen Berater mit den Designerbrillen, die im Berliner Adenauer-Haus vortrugen, glaubten damals immer noch, Konservative – manche bestritten, dass es die als relevante Kraft überhaupt noch gibt im bunten, urbanen Deutschland – könnten ja gar nichts anderes wählen als die Union. Inzwischen sind die alle gedanklich ein wenig weiter, obwohl ich einige kenne, die immer noch glauben, das Phänomen AfD sei nur ein vorübergehendes.

Doch schlimmer als die Berater und Parteistrategen sind bis heute viele der meinungsführenden Politikerklärer in den Redaktionen. All die Moderatoren und Experten, die am Tag des Wahltriumphs von Trump im ARD-Morgenmagazin saßen und aussahen, als berichte man über ein Zugunglück oder ein Erdbeben. Ja, Erdbeben, das passt besser…eine Naturkatastrophe.

Die Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten übertrugen weder ARD noch ZDF live. Nun kann man sagen: alle vier Jahre die Eröffnung der neuen Amtszeit des Deutschen Bundestages übertragen sie ja auch nicht, worüber Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) schon mal zurecht ausgeflippt ist. Aber, liebe öffentlich-rechtlichen Grundversorger: Warum übertragt Ihr dann stundenlang die Hochzeit von William und Kate in London? Mit einem kleinen roten Herzchen rechts oben und dem Titel „Kiss me Kate“ eingeblendet? Ist das relevanter? Und das ZDF übertrug zeitgleich aus London stundenlang live. Ein Skandal, ein Verstoß gegen das Gebot der informationellen Grundversorgung, oder nennen wir es ihren Auftrag.

Das öffentlich-rechtliche „Phoenix“ diskutiert am Abend der Vereidigung Trumps im Studio, dass der neue Präsident sogar so furchtbar sei, dass er die Anschnallpflicht in Autos abschaffen wolle. Ich weiß nicht, ob das stimmt, und ich finde persönlich, es ist besser, wenn die Leute im Auto angeschnallt sind. Aber darf man über dieses Thema nicht sprechen? Ist man dann neben „doof“ auch noch „rechts“? Wenn man selbst entscheiden will, ob man sich anschnallt? Es ist auch besser, wenn man morgens aus dem Badezimmer kommt, und die Hose schließt. Brauchen wir dafür eine Regierung, die das regeln muss?

„Phoenix“ verdanken wir am Wahlabend auch die Aussage eines Experten, der sinngemäß erklärte: Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender in den USA bedeutender seien, wäre „ein solches Ergebnis nicht vorstellbar gewesen“. Haben Sie jemals etwas Entlarvenderes von diesen Leuten gehört, die irrtümlich der Auffassung sind, sie hätten einen Auftrag, uns quasi zu erziehen, damit wir nicht aus Versehen falsch wählen?

Liebe Politiker aller großen Parteien – Trump hin oder her – wollen wir dieses öffentlich-rechtliche System, so wie es real existiert mit seinen tausenden Mitarbeitern und einem jährlichen (!) Acht-Milliarden-Etats einfach so weiter machen lassen? Ich bin nicht für die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Systems. Aber ich bin für sauberen Journalismus, der die Wirklichkeit unvoreingenommen berichtet, der klar erkennbar getrennt von den Nachrichten kommentiert und dessen Journalisten und Moderatoren sich ihrer persönlichen Meinung bei der Arbeit enthalten.


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