Adamovich: Grundrechte schützen öffentliche Religionsausübung

17. Jänner 2017 in Österreich


Früherer Verfassungsgerichtshof-Präsident erinnert: Verfassung garantiert positive Religionsfreiheit "sofern kein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vorliegt"


Wien (kath.net/KAP) Gegen falsche Interpretationen zum Verständnis des Menschenrechts auf Religionsfreiheit wendet sich der ehemalige Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Ludwig Adamovich. Religionsfreiheit bedeute keineswegs in erster Linie die Freiheit von Religion. Die Grundrechtsordnung schütze zudem nicht nur die private, sondern auch die öffentliche Religionsausübung "sofern kein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vorliegt", betonte der Jurist in einem am Dienstag von der Tageszeitung "Der Standard" veröffentlichten Leserbrief.

Juristisch wird zwischen "positiver" und "negativer" Religionsfreiheit unterschieden. Während die positive Religionsfreiheit das Recht verbürgt, sich zu einer Religion zu bekennen und diese einzeln oder gemeinsam auszuüben, bedeutet negative Religionsfreiheit das Recht, keine Religion haben zu müssen, Religionszugehörigkeit nicht kundtun zu müssen und keine Akte der Religionsausübung setzen zu müssen.

Adamovich verwies auf beide Dimensionen. Die negative Religionsfreiheit "setzt aber den Bestand von Religionsgemeinschaften, die der Staat zur Kenntnis genommen hat, geradezu voraus", betonte der frühere VfGH-Präsident. Deren innere Angelegenheiten wie Glaubensinhalte seien verfassungsrechtlich geschützt, erinnerte er. Seine Grenze finde dieser Schutz allerdings an den allgemeinen Staatsgesetzen, die nicht nur für Religionsgemeinschaften Gültigkeit hätten.

Adamovich war von 1984 bis 2002 Präsident des Verfassungsgerichtshofs. Mit seinem Leserbrief antwortete er auf einen am vergangenen Freitag im "Standard" erschienenen Gastkommentar zweier Wissenschaftler, in dem unter anderem die positive Religionsfreiheit teilweise in Frage gestellt worden war. Hintergrund ist die anhaltende Debatte um religiöse Symbole, die der jüngste ÖVP-Vorstoß nach einem Kopftuchverbot in sensiblen Bereichen des öffentlichen Diensts ausgelöst hat.

Bei der Frage des Kopftuchs müsse man unterscheiden, welche Funktion eine Person ausübt, betonte der Ex-VfGH-Präsident in dem Leserbrief: "Überall dort, wo es sich um die Ausübung staatlicher Autorität handelt, muss das demonstrative Tragen eines religiösen Symbols den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung von Staat und Religion erwecken. Dies sollte nicht für kleine und kaum sichtbare Symbole gelten."

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