'Die Treue zu Gott hat immense Strahlkraft!'

9. Jänner 2017 in Interview


„Ich glaube, wir dürfen sehr gespannt sein, was vom Gebetshaus Augsburg in Zukunft noch kommen wird.“ Dies sagt Linda Noé nach ihrer Teilnahme an der großen #MEHR-Konferenz des Gebetshauses Augsburg. KATH.NET-Interview von Petra Lorleberg


Augsburg-Linz (kath.net/pl) Linda Noé (Foto), kath.net-Redakteurin und derzeit in Familienpause, erläutert im kath.net-Interview ihre Impressionen von der #MEHR-Konferenz des Gebetshauses Augsburg.

kath.net: Frau Noé, die kirchliche Landschaft im deutschsprachigen Raum ist ja tief in der Krise, wie etwa auch Papst Franziskus vor einem Jahr der Deutschen Bischofskonferenz in Erinnerung gerufen hat. Dagegen wächst die #MEHR rapide. Stufen Sie es als bemerkenswert ein, dass dieses Jahr bereits über 10.000 Teilnehmer kamen?

Linda Noé: Ich war zum zweiten Mal auf der MEHR Konferenz und es war vieles bemerkenswert, was seit dem letztes Jahr gewachsen ist. Nämlich nicht nur die Anzahl der Teilnehmer, sondern auch die Professionalität, mit der organisiert wurde. Eine neue, größere Halle, ein tolles Cafehaus am Plaza mit allen möglichen Köstlichkeiten, viel mehr Platz und wunderbare Leiter für die Kinderbetreuung, der Teenstrack, ein großer sehr schön gestalteter Raum für die Eucharistische Anbetung...

Für mich ist es spürbar, dass sich hier etwas Lebendiges, Dynamisches ereignet. Ein Event, das nicht in sich oder in Selbstzufriedenheit ruht, sondern hinhört auf das, was Gott will, auf das, was ihm und den Menschen die kommen, am besten dient. Etwas, das noch immer viel Potential in sich trägt. Ich glaube, wir dürfen sehr gespannt sein, was vom Gebetshaus Augsburg in Zukunft noch kommen wird.

Wie Johannes Hartl bei einem der Vorträge gesagt hat: Es geht nicht primär um die Quantität, sondern um die Treue zu Gott. Die aber bringt Großes hervor und hat immense Strahlkraft, wie man sehen kann.

kath.net: Was für Menschen sind das denn in der Regel, die da kommen? Kommt da eher die christliche Basis? Oder kommen eher die christlichen „Promis“ und Leiter?

Noé: Das Publikum habe ich als sehr bunt durchgemischt erlebt. Nachdem alleine bei der Kinderbetreuung der 7-12 Jährigen über 400 Kinder angemeldet waren (es gab außerdem noch Betreuung für die 3-6 Jährigen und den sogenannten Teenstrack für die Teenager, die alle ihr eigenes wirklich schönes – teilweise auch geistliches – Programm hatten und nicht nur „beaufsichtigt“ wurden) kann man jedenfalls sagen, dass sehr viele Familien anwesend waren. Ich muss auch sagen, dass ich selten irgendwo, schon gar nicht bei einer so großen Menschenansammlung, die ja bei vielen an sich schon Stress hervorruft, so freundlich angesehen wurde, auch wenn die Kinder mal irgendwo „im Weg herum gestanden“ sind oder der Kleine Radau gemacht hat.

Ich habe aber auch viele ältere Menschen gesehen, genauso wie sehr junge Erwachsene. Auch einige Promis aus der katholischen oder christlichen Szene. Ich glaube, dass einfach Menschen kommen, die Sehnsucht danach haben, Gott zu begegnen und DADURCH sich und andere zu verändern. Die mehr wollen als nur über die schlechte Gesellschaft jammern und sich als Christen gegenseitig auf die Schulter klopfen. Das sind also Menschen jeglichen Alters und aus allen Bereichen.

Ist die MEHR ein Treffpunkt? Ja! Schön auch, viele bekannte Gesichter von überall her hier wieder gesehen zu haben!

kath.net: Nun lässt es sich für kath.net naturgemäß leichter über Vorträge und Predigten berichten. Doch das Interesse eines Gebetshauses fokussiert sich ja auch stark auf die Gebetszeiten. Wie haben Sie den Lobpreis, wie die ruhigeren Angebote für das Gebet erlebt? Für die katholischen Teilnehmer gab es ja auch die Möglichkeit zur eucharistischen Anbetung, wie dürfen wir uns das in der Praxis vorstellen?

Noé: Das Gebet ist selbstverständlich das wichtigste Stichwort bei einer solchen Veranstaltung, die aus einem jahrelangen treuen Rund-um-die-Uhr-Gebet gewachsen ist, und deren Mitte auch bei dieser Größenordnung immer das Gebet bleibt – was die MEHR meiner Meinung nach auch so besonders macht.

Bereits am ersten Abend konnte man auf jedem der 10.000 Stühle in der Halle eine kleine Anleitung finden, wie man selbst ins Gebet kommen kann. Damit man sich nicht nur berieseln lässt von der Lobpreismusik oder im durchaus beeindruckenden und ansprechenden äußerlichen Drumherum stehen bleibt. Diese Kurzanleitung hat mir sehr gut gefallen und war auch sehr brauchbar und praktisch zum Mitnehmen in Lesezeichen-Größe.

Stichwort Lobpreis: Wenn es gerade keine hl. Messe, Gottesdienst oder Lehre gab, fand in der großen Halle durchgängig Lobpreis statt. Man konnte immer dort bleiben und einstimmen, von wo auch immer in diesem riesigen Raum, zurückgezogen oder gleich vor der Bühne.

Dann gab die Treppe hinauf ein schön gestaltetes „Obergemach“, einen Raum für das stille Gebet vor ausgesetztem Allerheiligsten. Jeden Tag habe ich mehr Menschen dort angetroffen. Ich habe mich sehr gefreut darüber, wie auch die eucharistische Anbetung seit dem letzten Jahr gewachsen ist. Daneben gab es auch ein Zimmer, vor dem sich immer eine Menge Menschen zur Beichte anstellten.

Der Anbetungsraum war vielleicht auch für Manchen, der diese Gebetsform noch nicht so kannte ein Platz der wohltuenden Stille in all dem Trubel.

kath.net: Und das Stichwort Ökumene. Da sind die Katholiken bunt vermischt mit evangelischen Landes- und Freikirchlern, offenbar kamen sogar orthodoxe Christen. Wie dürfen wir uns das Miteinander vorstellen? Und: Wie funktionierte dies bei Eucharistie/ evangelischem Abendmahl und bei den Beichtangeboten?

Noé: Zur Ökumene kann ich sagen, dass am Anfang alle Teilnehmer der Konferenz sinngemäß aufgefordert wurden, die Unterschiede zu respektieren und dort zur Kommunion bzw. zum Abendmahl zu gehen, wo jeder zugehörig ist, im anderen Fall einfach mit zu beten. Bei der Austeilung der Kommunion ist mir stark aufgefallen, wie viele auch nur zum Segen mit überkreuzten Händen zum Priester gegangen sind, ohne zu empfangen.

Respektvoll, ja, so habe ich den Umgang miteinander erlebt.

Vor dem Beichtzimmer gab es einen Aushang, auf dem es hieß, dass es auf Anfrage auch die Möglichkeit zu einer evangelischen Beichte gibt. Wie viele das in Anspruch nahmen weiß ich allerdings nicht.

Im Gebet und in der Sehnsucht nach Gott war für mich jedenfalls eine große Einheit spürbar. Und dafür muss man nicht die Unterschiede unter den Teppich kehren oder alle Grenzen verwischen.

kath.net: „Gesungen ist doppelt gebetet“, das wusste schon der hl. Augustinus und bis heute zitieren Kirchenchöre diese Stelle gern. Gilt dies Ihres Erachtens auch für den musikalischen Lobpreis der #MEHR?

Noé: Ich persönlich mag diese Art des Lobpreises, wie er auf der MEHR stattfindet, sehr gern. Heute zum Beispiel gab es ein wahnsinnig mitreißendes Gloria bei der Hl. Messe. Einfach nur WOW! Es ist eine eingängige Musik mit meist biblischen Texten, die man gut mitsingen kann, und das soll man ja auch.

Ich glaube, dass der Hl. Augustinus wusste natürlich , was er sagte. Musik und Gesang erhebt das Herz der Menschen in diesem besten Fall zu Gott.

Das stille Gebet ist aber auch absolut wichtig. Als Mutter verstehe ich das mehr denn je, auch wenn es im Gebet nicht primär darum geht, das Bedürfnis des Beters zu stillen :-)!

Insofern möchte ich auch sagen, es macht auch gar nichts, wenn man mit dieser Art des Lobpreises, wie es ihn auf der MEHR gibt, nicht immer so wahnsinnig gut kann oder einem das vielleicht (noch?) fremd ist. Er ist für Gott, und ich bin sicher, wie die Menschen für Jesus gesungen haben auf der MEHR und wie sie es immer im Gebetshaus tun, ist für Jesus eine Herzensfreude!

kath.net: Welche geistlichen Impulse nehmen Sie persönlich von der diesjährigen #MEHR mit?

Noé: Ich nehme vor allem vielleicht den Impuls zum „unverzweckten Gebet“ mit, den Johannes Hartl gegeben hat, auch wenn ich alles erst noch ein bisschen sickern lassen muss, bevor ich da ein wirkliches Resümee ziehen kann.

Einfach Zeit mit Gott verbringen, mit ihm sein, weil er es wert ist, wie auch ein Slogan des Gebetshauses ist. Nicht weil ich irgendetwas will, eine Liste abarbeiten möchte, Angst vor ihm habe, etwas leisten möchte. Weil ich ihn liebe und noch mehr lieben lernen möchte. Weil ich Sehnsucht danach habe, dass er auch durch mich gegenwärtig sein kann und ich seine Liebe und sein Heil weitergeben können möchte, sicht- und greifbar machen können möchte für andere. Alles wächst aus der Intimität mit Gott, jede Fruchtbarkeit.

Außerdem habe ich das Bild mitgenommen, das Hartl (mit Worten, nicht an seiner kleinen Tafel :-) ) gemalt hat, als er davon sprach, dass oberhalb der Wolkendecke immer die Sonne scheint, und man das sieht, wenn man sich mit dem Flugzeug über die Wolken erhebt. Unterhalb ist es vielleicht grau und düster manchmal- und schwierig, man kann gar nicht glauben, dass die Sonne überhaupt noch existiert. Aber wenn ich mich über die Wolken erhebe durch die Anbetung Gottes, dann bekomme ich diesen neuen Blickwinkel, von dem ich alle Kraft schöpfen kann. Von einem Ort, an dem kein Mangel herrscht, wo ich als Kind Gottes von meinem Vater mit allem versorgt werde und die Waisenmentalität Schritt für Schritt ablegen kann, die mich egoistisch, ängstlich oder neidisch sein lässt.

Foto: kath.net-Redakteurin Linda Noé auf der #MEHR2017


Videos: Johannes Hartl: Heilige Faszination - #MEHR2017 / Gebetshaus Augsburg


Foto oben (c) kath.net



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