Ägypten: Christen zwischen Angst und Gottvertrauen

2. Jänner 2017 in Weltkirche


Koptischer Bischof zur aktuellen Lage nach Anschlag in Kairo


Wien-München (kath.net/KIN) Der jüngste Anschlag auf die Gottesdienstbesucher in der Kirche St. Peter und Paul in Kairo hat nach Einschätzung des koptisch-katholischen Bischofs Kyrillos William Samaan die Angst vor weiteren Terroranschlägen unter den Christen des Landes entfacht. Am dritten Adventssonntag war in dem Gotteshaus in der ägyptischen Hauptstadt eine Bombe detoniert. Sie riss 26 Menschen in den Tod, 35 wurden schwer verletzt. Wenig später bekannte sich die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu dem Anschlag. Obwohl seine Bischofsstadt Assiut gut fünf Autostunden von Kairo entfernt liegt, seien die Auswirkungen des Attentats auch dort zu spüren, berichtet Samaan. Mit Andrea Krogmann sprach er über die Folgen und die politische Aufarbeitung des Anschlags.

Andrea Krogmann: Bischof Kyrillos, wie bewerten Sie die gegenwärtige Lage in Ägypten?

Bischof Kyrillos: Der brutale Anschlag auf Gläubige in Kairo hat bei allen Christen große Trauer ausgelöst. Wir sind sehr betroffen. Am Dienstag vor Weihnachten hat die koptische Kirche den 26. Märtyrer des jüngsten Anschlags erhalten: Ein zehnjähriges Mädchen ist seinen Verletzungen erlegen. Trauer und Angst sind groß. Gleichzeitig erleben wir viel Gottvertrauen und Stärke. Wie schon bei vorhergehenden Anschlägen ist es auch diesmal so: Wenn Terror verübt wird, um Menschen vom Gottesdienst abzuhalten, kommen noch mehr als sonst.

Krogmann: Wie haben die Muslime und die Regierung auf den Anschlag reagiert?

Bischof Kyrillos: Wir erfahren viel Solidarität und Mitgefühl! Viele haben angerufen oder sind vorbeigekommen, um uns ihr Mitgefühl auszusprechen. Der Staat hat sofort reagiert und Untersuchungen aufgenommen. Das ist sehr bedeutsam. Denn viele Menschen denken, dass die Polizei und der Staat christenfeindliche Anschläge billigen. Das ist diesmal anders. Ein Präsident, der selbst zur Trauerfeier kommt und jedem Angehörigen der getöteten Christen und allen Kirchenvertretern die Hand schüttelt, das ist ein starkes Zeichen!

Krogmann: Hat der Anschlag in Kairo die Angst vor weiteren Anschlägen geschürt?

Bischof Kyrillos: Ja, die Angst wächst. Der „Islamische Staat“ hat weitere Anschläge angekündigt. Wir Kopten feiern Weihnachten – nach westlichem Kalender – ja erst am 7. Januar. Was dann passieren wird, wissen wir nicht.

Krogmann: Gibt es besondere Sicherheitsmaßnahmen?

Bischof Kyrillos: Die verantwortlichen Kräfte sind zu uns gekommen und haben uns um Zusammenarbeit gebeten. Zusätzlich zum äußeren Schutz, der in ihrer Hand liegt, wollen sie unsere Leute trainieren und ihnen zeigen, auf was sie achten müssen. Unter anderem sollen unsere Pfadfinder, die an den kirchlichen Hochfesten die Ordnungsdienste in der Kirche übernehmen, ein ziviles Sicherheitstraining von den Behörden erhalten. Vor unserer Kathedrale wurden Metalldetektoren aufgestellt. Das ist teuer, aber wichtig. Zwar kennen wir unsere Gemeindemitglieder, aber gerade zu Festen kommen viele Fremde.

Krogmann: Fühlen sich die Christen damit ausreichend geschützt?

Bischof Kyrillos: Vor vielen Kirchen sind schon seit Jahren Soldaten postiert. Das Problem ist aber, dass sie nicht sehr gut ausgerüstet sind. Das muss jetzt besser werden. Aber an den großen Festtagen gibt es natürlich auch außergewöhnliche Maßnahmen wie Straßensperren und erhöhtes Sicherheitsaufgebot. Das erhöht das Sicherheitsgefühl. Aber einen vollkommenen Schutz gibt es nicht.

Krogmann: Welchen Weihnachtswunsch haben Sie für Ihr Land und Ihre Gläubigen?

Bischof Kyrillos: Natürlich wünsche ich mir Frieden für unser Land. Wir sehen die Anstrengungen unseres Präsidenten, der eine gute, sichere Zukunft für Ägypten will. Diese Bemühungen werden untergraben durch die Terrorakte. Das Land braucht Ruhe, auch wegen des Tourismus, der eine unserer wichtigsten Einnahmequellen ist. Ohne diese Ruhe kommen keine Touristen. Ohne ausländische Gäste und Wirtschaftspartner steigt die Armut. Und Armut erzeugt immer mehr Extremismus.

Rund zehn Prozent der Einwohner Ägyptens sind Christen, die meisten von ihnen sind koptisch-orthodox. Gut eine Viertelmillion Katholiken leben im Land, sie gehören mehrheitlich der koptisch-katholischen Kirche an. Das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ unterstützt die christliche Minderheit Ägyptens seit vielen Jahren. Neben dem Bau und dem Unterhalt von Kirchen fördert das Hilfswerk auch Jugendprojekte und setzt sich für benachteiligte Frauen ein. Um weiter helfen zu können, bittet „Kirche in Not“ um Spenden:

Kirche in Not Deutschland

Kirche in Not Österreich

Kirche in Not Schweiz

Bischof Kyrillos William Samaan


Trauerfeier für die Opfer des Bombenanschlags in der koptisch-orthodoxen Kathedrale in Kairo



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