Aleppo: Hunderte Kinder wurden Waisen

18. Dezember 2016 in Chronik


Christen betreuen Flüchtlinge in ihren Gemeindehäusern.


Aleppo (kath.net/ idea)
Trotz der katastrophalen Lage in der nordsyrischen Großstadt Aleppo versuchen die Kirchen vor Ort, den Flüchtlingen zu helfen. Gemeindezentren wurden kurzfristig zu Flüchtlingsheimen umgestaltet, berichtet das britische christliche Hilfswerk Barnabas Fund (Coventry). Wie es weiter mitteilt, haben die Rebellen im Osten der Stadt bei ihrem Rückzug vor den heranrückenden Regierungstruppen in einem überwiegend von Christen bewohnten Stadtteil wahllos auf Menschen geschossen. Dabei habe es viele Opfer gegeben. Die Zahl der Getöteten ist nicht bekannt. Der Westteil der Stadt war schon immer unter Kontrolle der Regierungstruppen.

In den christlichen Gemeindehäusern der umkämpften Stadtteile hängen dem Hilfswerk zufolge Plakate, auf denen mitgeteilt wird, wie man sichere Schutzräume erreichen kann. Dennoch bereiteten sich die Christen inzwischen auf den Fall vor, die Stadt zu verlassen. Nach Angaben von Barnabas Fund sind 1,5 Millionen Einwohner Aleppos dringend auf Hilfe angewiesen.

Aleppo sieht aus wie Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg

Der deutsche Zweig des christlich-humanitären Hilfswerk World Vision (Friedrichsdorf bei Frankfurt am Main) richtet sich zusammen mit seinen Partnerorganisationen auf einen Ansturm von Flüchtlingen aus Aleppo ein. 30 Kilometer vor der Stadt habe man mehrere Flüchtlingslager für insgesamt 100.000 Menschen errichtet, sagte Pressesprecher Dirk Bathe der Evangelischen Nachrichtenagentur idea.

Damit die Menschen die Lager überhaupt erreichten könnten, müsse aber die vereinbarte Feuerpause halten. Doch sie sei wiederholt gebrochen worden. Gerade in den letzten Tagen seien Hunderte Kinder zu Waisen geworden, so Bathe. Ihre Eltern seien auf der Flucht erschossen worden. Nach Angaben des Chefberaters von World Vision, dem Baptistenpastor Tim Costello, sieht Aleppo aus „wie Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg“. Er steht in ständigem Kontakt mit Mitarbeitern in Aleppo und erhebt schwere Anschuldigungen gegen die internationale Gemeinschaft: „Sie hat komplett versagt.“

Die medizinische Lage ist katastrophal

Die Nahost-Expertin des katholischen Hilfswerks Misereor, Astrid Meyer (Aachen), berichtete, dass die medizinische Lage für die in Ost-Aleppo verbliebenen Menschen katastrophal sei. Denn die syrische und russische Armee hätten gezielt Krankenhäuser zerstört: „Die dramatisch hohe Zahl an Verletzten kann kaum versorgt werden.“ Über die aktuelle Lage in Ost-Aleppo gibt es widersprüchliche Meldungen. Nach Angaben der mit den Regierungstruppen verbündeten russischen Armee konnte die Evakuierung erfolgreich abgeschlossen werden. 9.500 Menschen seien in Sicherheit gebracht worden.

Dem widersprachen Vertreter der Rebellen. Nur einige Verletzte, Mütter und Kinder hätten die Stadt verlassen. Unklar ist auch, welche Seite auf die bereitstehenden Busse zum Abtransport der Flüchtlinge geschossen hat. Rebellen und Regierungstruppen beschuldigen sich gegenseitig. UN-Angaben zufolge warten rund 50.000 Menschen in Ost-Aleppo weiter auf ihre Rettung. Die Vorstandsvorsitzende der Kindernothilfe, Katrin Weidemann (Duisburg), ist in Sorge, dass die evakuierten Menschen in nicht sichere Auffanglager gebracht werden. Dort seien sie weiter in höchster Gefahr. Sie plädierte dafür, die Flüchtlingslager in den Nachbarländern weiter auszubauen.

Foto: Kinder in Aleppo (C) Kirche in Not


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