Ein Kreuz zu Weihnachten

24. Dezember 2016 in Spirituelles


Onkel Justus war dafür bekannt, dass er nicht gerade besonders gerecht war, was seine Geschenke betraf. Eine Weihnachtsgeschichte von Stefan Fleischer


Grenchen (kath.net) Onkel Justus war dafür bekannt, dass er nicht gerade besonders gerecht war, was seine Geschenke betraf. Er konnte einmal diesen, dann wieder jenen seiner Verwandten bevorzugen, oder auch einmal einen „vergessen“, wenn es irgendwie Differenzen gegeben hatte. Er fragte auch nie nach den Wünschen der zu Beschenkenden. Was er glaubte, das hätte dieser oder jener nötig, das lag in den jeweils sorgfältig verpackten Geschenkpaketen. Er war eben ein schon in die Jahre gekommener Junggeselle, der so seine Macken hatte. Aber es mit ihm zu verderben, das wollte dann doch niemand, denn es hieß, er hätte ein anständiges Vermögen. So wunderte es Paul auch nicht, als er einmal zu Weihnachten ein Wandkreuz von Onkel Justus auf seinem Gabentisch fand. Das war in jenem Jahr, als er die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium geschafft hatte. Er bemühte sich, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Doch Onkel Justus hatte ein feines Gespür für die Stimmungen seiner Mitmenschen. „Ich weiß, das freut Dich heute nicht besonders. Aber Du wirst eines Tages noch Freude daran haben. Trag Sorge dazu. Es ist ziemlich alt und handgeschnitzt.“ sagte er trocken.

So hing denn von nun an dieses Kreuz in Pauls Zimmer, das heißt immer dann, wenn Onkel Justus zu Besuch kam. Und dieser hatte Anstand genug, nie unangemeldet zu erscheinen. Doch sonst hatte es seinen Platz in einer Schublade zuunterst im Kleiderschrank. Für Gott und den Glauben hatte Paul nicht viel übrig, wie übrigens alle seine Studienkollegen. Nicht dass er grundsätzlich etwas dagegen hatte. Aber er hielt es eher mit den Philosophen auf den Areopag: „Darüber wollen wir Dich ein andermal (vielleicht später einmal) hören.“ Er war sportlich und auch sonst vielseitig interessiert. Da blieb einfach keine Zeit mehr dafür.

Kurz vor der Matura verstarb Onkel Justus, ziemlich unerwartet wie man es von ihm gewohnt war. Nun war jedermann auf die Testamentseröffnung gespannt. Doch vorher galt es noch die Beerdigung zu überstehen. Sie fand in jenem kleinen Dorf statt, wo Onkel Justus zeit seines Lebens gewohnt hatte. Das war der Heimatort des ganzen „Clans“. Doch für Paul war es das erste Mal, dass er dort die Kirche betrat. Unwillkürlich stockte er. Zwischen dem Chor und dem Kirchenschiff hing ein fast überlebensgroßes Kreuz von der Decke herunter. Einen Augenblick meinte er, das Kreuz aus der Schublade seines Zimmers zu sehen. Beim Traueressen sprach er den Bruder des Onkels darauf an. Dieser war Priester geworden und gehörte dem Orden der Redemptoristen an. Dieses Kreuz sei das Werk eines Vorfahren aus alter Zeit. Dieser sei Holzschnitzer gewesen und auf Kreuze spezialisiert. Es gäbe noch verschieden, größere und kleinere, von ihm in der Gegend. Er selber besitze ebenfalls ein solches, das er zu seiner Primiz erhalten habe. Auch Onkel Justus haben ein solches besessen. Doch bei der ersten Durchsicht seiner Hinterlassenschaft habe man es nicht gefunden.

Auch für Paul blieb aus der Erbschaft ein rechtes Sümmchen. Das würde er für sein Studium gut gebrauchen können. Onkel Justus hatte keine Bedingungen an diese Zuwendung gemacht. Und doch ließ ihn der Gedanke nicht mehr los, er hätte ihm dieses Kreuz nicht zu Weihnacht geschenkt, sondern als Primizkreuz. Das wurde es dann auch am Ende seines Studiums und hing lange Jahre im Zimmer von Pater Paulus, bis auch sein irdisches Zelt abgebrochen wurde, wie der Völkerapostel im 2. Korintherbrief formuliert.

kath.net-Buchtipp:
Gottesbeziehung heute
Gedanken und Erfahrungen
Von Stefan Fleischer
Taschenbuch, 184 Seiten
2015 BoD
ISBN 978-3-7392-0045-3
Preis 15.50 EUR

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