Kirche und AfD: Herr Adam, warum tun Sie sich das an?

9. Dezember 2016 in Deutschland


AfD-Mitbegründer Konrad Adam: Ihn wundere, dass es „keinerlei kirchliche Kritik an den ethisch fragwürdigen Positionen der Grünen und der Linkspartei zur Abtreibung, zu Ehe und Familie“ gebe. idea-Interview von Helmut Matthies


Wetzlar (kath.net/idea) Keine demokratische Partei ist in den letzten Jahrzehnten so massiv von Medien und politischen Gegnern kritisiert worden wie die erst vor drei Jahren gegründete Alternative für Deutschland (AfD). Für was steht die Partei, die laut Umfragen hinter CDU/CSU und SPD an dritter Stelle in der Wählergunst rangiert? Ein Gespräch mit einem der beiden entscheidenden Gründer neben Bernd Lucke: dem Historiker und Journalisten Konrad Adam. Mit ihm sprach Helmut Matthies.

idea: Herr Adam, eigentlich darf ich gar nicht mit Ihnen zusammen sein, denn Ihre Partei gilt als rassistisch und rechtsextrem. In der hessen-nassauischen Kirchenzeitung hieß es z. B.: „Die AfD hat bei ihren jüngsten Erfolgen Ergebnisse um die 20 Prozent erzielt. Das heißt aber zugleich: Vier Fünftel der Wähler und 100 Prozent der Nichtwähler haben nicht für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gestimmt.“

Adam: Wer mich kennt aus meinen Beiträgen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Tageszeitung „Die Welt“ und diversen Büchern, der weiß, dass ich mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und so weiter nichts zu tun habe.

Was ist heute eigentlich konservativ?

idea: Sie waren jahrelang einer der angesehensten FAZ-Redakteure. Warum tun Sie sich das mit der AfD an? Hätten Sie sich nicht besser in der CDU engagiert?

Adam: Ich gehörte zum Berliner Kreis, in dem sich bis heute CDU-Bundestagsabgeordnete und Journalisten treffen. Es war unser Ziel, in der Partei das konservative Element zu beleben. Dazu gehörte die Rückbesinnung auf Artikel 6 unseres Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt. Da ich das ernst nehme, werbe ich für ein Familiensplitting nach französischem Vorbild. Es unterscheidet sich vom deutschen Ehegattensplitting dadurch, dass die Gesamtlast von Steuern und Sozialabgaben nicht nur durch zwei – also Mann und Frau – geteilt wird, sondern durch die Zahl der von einem Haushalt zu versorgenden Personen. In Frankreich führt dies dazu, dass ein Fünf-Personen-Haushalt, ein Ehepaar mit drei Kindern, bei mittleren Einkommen nahezu steuer- und abgabenfrei ist. Genau das ist auch in Deutschland nötig, damit es wieder Mut zu Kindern gibt.

idea: Was gehört für Sie zum Konservativsein?

Adam: Ich bin gerne Deutscher. Ich liebe die deutsche Landschaft, die deutsche Kultur, die deutschen Kirchen, die deutsche Musik und die deutsche Sprache. Alles das möchte ich erhalten und nicht fremden Kulturen preisgeben.

idea: Was haben Sie gegen den Islam?

Adam: Vorbehalte. Um die zu verstehen, sollte man im Koran lesen. Da finden sich ziemlich blutige Aufrufe zur Gewalt gegen Ungläubige, vor allem gegen Juden und Christen.

Lässt sich die CDU verändern?

idea: Warum haben Sie nicht weiter versucht, die CDU zu verändern?

Adam: Weil ich keine Hoffnung mehr hatte, etwas zu bewirken. Dann lernte ich den Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke kennen. Wir waren uns einig in der Überzeugung, dass die Währungspolitik der EU gefährlich ist, und wollten es trotz aller Schwierigkeiten mit einer neuen Partei versuchen. Wir haben dann am 6. Februar 2013 im Gemeindezentrum der evangelischen Christuskirche in Oberursel bei Frankfurt am Main die AfD gegründet. Ich hatte bereits zuvor für den 11. März eine Auftaktveranstaltung für Interessierte in der Stadthalle angemeldet. Wir waren dann alle völlig überrascht, dass ohne große Werbung mehr als 1.200 Interessierte kamen. Und dann ging es Schlag auf Schlag weiter.

idea: … bis es dann beim Parteitag im Sommer letzten Jahres in Essen wieder zum Bruch kam und Bernd Lucke auszog …

Adam: Niemand hat sich in der Gründungsphase größere Verdienste erworben als er. Sein Problem war, dass er versuchte, als Professor die Partei im Stil eines Oberseminars zu führen, und die anderen als seine Schüler betrachtete. Das sorgte für Unmut, und schließlich kam es dann auf dem Parteitag in Essen zum Bruch …

Ins Rechtsextreme gerückt?

idea: … und die AfD rückte nach rechts oder gar – so der Vorwurf – ins Rechtsextreme.

Adam: Was ist in Deutschland rechtsextrem, was rechtsradikal, was überhaupt rechts? Ich habe beim Parteitag in Essen bewusst ironisch gesagt: Rechts ist heute, wer einer geregelten Arbeit nachgeht, seine Kinder pünktlich zur Schule schickt und der Ansicht ist, dass man den Unterschied zwischen Mann und Frau mit bloßem Auge erkennen kann.

idea: Ist der Versuch der Bundessprecherin der Partei, Frauke Petry, den Begriff „völkisch“ auch positiv zu sehen, etwa nicht rechtsextrem?

Adam: Er ist nicht rechtsextrem, sondern ungeschickt. Wir können aus historischen, also guten Gründen gewisse Begriffe nicht mehr so unbefangen gebrauchen wie beispielsweise die Franzosen.

Wie der grüne Oberbürgermeister

idea: Und was ist mit Petrys Aussage, man müsste illegale Flüchtlinge notfalls mit Waffengewalt am Grenzübertritt hindern?

Adam: Tatsächlich hat Frauke Petry – ähnlich wie zuvor der grüne (!) Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer – gesagt: „Kein Polizist will auf einen Flüchtling schießen. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt.“

idea: Wie erklären Sie sich, dass die östlichen AfD-Verbände rechter erscheinen als die westlichen?

Adam: Sie sind, vermutlich aufgrund ihrer Erfahrung mit einer totalitären Herrschaft, empfindlicher gegenüber Tendenzen zur Einheitsmeinung. Im jetzigen Bundestag gibt es praktisch keine wirkliche Opposition. Alle wollen Mitte bzw. links von der Mitte sein. Doch die Demokratie lebt von Alternativen. Das war eines meiner Hauptmotive für die Gründung der AfD: eine argumentationsfähige Opposition mit konservativen Wurzeln zu bilden.

idea: Grüne wie Linke sind für Sie keine Opposition?

Adam: Nein. Die Grünen regieren in Hessen und in Stuttgart gemeinsam mit der CDU: Wo soll da die Oppositionslust herkommen? Alternative Vorstellungen hat bestenfalls noch die Linke. Tatsächlich gibt es in Deutschland keine Meinungsvielfalt mehr – auch nicht in den Kirchen.

Eine antichristliche Partei?

idea: Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Sternberg, hat erklärt, die AfD bedrohe das Christentum. Evangelische Bischöfe bezeichnen Ihre Partei als antichristlich. Das kann ja nicht alles erfunden sein …

Adam: Sie werden in unserem Parteiprogramm keine einzige Aussage finden, die das belegt. Im Gegenteil: Wir bekennen uns gern zu den jüdisch-christlichen und den griechisch-römischen Grundlagen unserer Kultur. Im Übrigen wählen laut Umfragen fast genauso viele Kirchenmitglieder die AfD wie andere Bürger. Das lässt vermuten, dass man den Warnungen der Kirchen nicht glaubt.

Die Aufgabe der Kirche

idea: Was ist für Sie als AfD-Politiker die Aufgabe der Kirche?

Adam: Der SPD-Politiker und evangelische Theologieprofessor Richard Schröder hat es so ausgedrückt, wie ich es auch sehe: Es ist Aufgabe der Kirchen, barmherzig zu sein, und Aufgabe des Staates, gerecht zu sein.

idea: Und wo ist der Staat nicht gerecht?

Adam: Kanzlerin Merkel hat sich über Recht, Gesetz und Verfassung hinweggesetzt, als sie im September 2015 Millionen von Migranten unkontrolliert in unser Land gelassen hat.

idea: Entspricht es nicht einer dem christlichen Menschenbild verpflichteten Parteichefin, bedrängten Menschen zu helfen?

Adam: Das will die AfD auch. Anders als Kirchen und Parteien unterscheiden wir aber zwischen Flüchtlingen und illegalen Einwanderern, Schutzbefohlenen und Migranten, Asylbewerbern und Asylbetrügern. Und selbstverständlich fühle ich mich als Christ besonders meinen verfolgten Glaubensgeschwistern verpflichtet: Allen Gutes zu tun, mahnt der Apostel Paulus, vor allem aber den Mitchristen. Auch von denen erwarte ich aber, dass sie, wenn die Notsituation in ihrer Heimat ein Ende hat, zurückkehren und sich dort am Wiederaufbau beteiligen. Wir helfen ihnen gern dabei. Hilfe zur Selbsthilfe ist das wohl wirksamste Konzept.

Was haben Sie gegen Fremde?

idea: Die Kirchen werfen der AfD vor, grundsätzlich etwas gegen Fremde zu haben.

Adam: Wer ist fremd? Meine spanische Schwiegertochter? Die Engländer nach dem Brexit? Alle EU-Ausländer? Ich habe nichts gegen Freizügigkeit in den Grenzen der EU. Aber wenn Bürger aus Kulturen kommen, die sich als integrationsunwillig oder -unfähig erweisen, müssen wir darüber reden.

idea: Was heißt das konkret?

Adam: Ich denke an den Islam, der eine Trennung zwischen Religion und Staat nicht kennt. Das widerspricht den Grundsätzen der Glaubensfreiheit und der Gewaltenteilung, denen das Grundgesetz Verfassungsrang zuspricht. Der wachsende Einfluss des Islams gefährdet Demokratie und Meinungsfreiheit; als Demokrat will ich das aber nicht.

idea: Der Islam gehört für Sie nicht – wie für die Kirchen – zu Deutschland?

Adam: Ich möchte nicht von einer Kultur bereichert werden, die auf die Gleichberechtigung pfeift, indem sie dem Mann vier Frauen erlaubt, der Frau aber keine vier Männer. Und die, um das nicht zu vergessen, einen tiefverwurzelten Antisemitismus pflegt.
Wenn Juden für die AfD kandidieren

idea: Wenn Sie gegen Antisemitismus sind, wie erklären Sie sich dann die Kritik des Zentralrates der Juden in Deutschland gegenüber Ihrer Partei?

Adam: In unserem Parteiprogramm steht, dass wir jeden Antisemitismus und Rassismus ablehnen. Wäre es anders, würden sich sicher auch nicht ehemalige Rabbiner an führender Stelle bei der Aufstellung der Kandidaten für den Bundestag befinden. Und selbstverständlich haben wir aus historischen Gründen den Juden und dem Staat Israel gegenüber besondere Verpflichtungen.

idea: Bei der AfD ist viel die Rede davon, dass sich Deutsche in Deutschland zunehmend fremd fühlen. Geht es Ihnen auch so?

Adam: Ja, wenn ich in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin, höre ich viele Sprachen, die ich nicht verstehe, aber nur wenig und meist schlechtes Deutsch. Ich habe in manchen Stadtvierteln nicht mehr das Empfinden, in Deutschland zu sein. Wie jeder andere möchte aber auch ich in einem Land leben, in dem ich mich nicht als Ausländer fühlen muss. Jeder Mensch hat ein Recht auf Heimat.

Wenn Kirchenleiter in der SPD sind

idea: Wie erklären Sie sich die ungewöhnlich harte Kritik der Kirchen an Ihrer Partei?

Adam: Manche AfD-Politiker haben sich tatsächlich unglücklich ausgedrückt. Das darf aber doch nicht zur Verdammung einer ganzen – zumal sehr jungen – Partei führen. Verquere Aussagen gibt es doch auch bei CDU- oder SPD-Politikern, von Linken und Grünen ganz zu schweigen. Bei der Kritik an der AfD sollte man nicht vergessen, dass fast alle EKD-Ratsvorsitzenden der letzten Jahre wie eben jetzt auch Heinrich Bedford-Strohm SPD-Mitglieder waren oder sind, auch wenn die Mitgliedschaft ruht. Diese parteipolitische Einseitigkeit vieler Kirchenführer erklärt manche Attacken auf eine konservative Partei, auch wenn „Hirten“ sich politisch eigentlich zurückhalten sollten. Was mich vor allem wundert: Es gibt keinerlei kirchliche Kritik an den ethisch fragwürdigen Positionen der Grünen und der Linkspartei zur Abtreibung, zu Ehe und Familie.
Sollte das Kirchensteuersystem geändert werden?

idea: Sie sind Mitglied der hessen-nassauischen Kirche, die Ihre Partei besonders heftig attackiert. Wie gehen Sie damit um?

Adam: Ich habe mich in den letzten Wochen darum bemüht, mit Kirchenpräsidenten und Bischöfe ins Gespräch zu kommen. Das werde ich auch weiter tun, auch wenn die meisten von ihnen ziemlich kühl abgesagt haben. Sie glauben, auf einem hohen Ross zu sitzen und die vielen Kirchenmitglieder, die konservativ denken, verprellen zu können, weil es ihnen Dank des deutschen Kirchensteuersystems finanziell so gut geht. Vielleicht hilft man den Kirchen, zu ihrer eigentlichen Aufgabe zurückzukehren, wenn man hier etwas ändert. Ich hoffe, dass man es mir nicht allzu schwermacht, Mitglied einer Kirche zu bleiben, die so wunderbare Botschafter wie Johann Sebastian Bach hervorgebracht hat.

idea: Danke für das Gespräch.

Der 1942 in Wuppertal geborene Konrad Adam studierte alte Sprachen, Geschichte und Rechtswissenschaft und zählte bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (von 1979 bis 2000 im Feuilleton) und danach bis 2007 als politischer Chefkorrespondent der Tageszeitung „Die Welt“ zu den angesehensten deutschen Journalisten. 2013 sorgte er mit der Einladung zu einer Veranstaltung in Oberursel bei Frankfurt a.M. für den Startschuss zur Gründung der Alternative für Deutschland (AfD).


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