‘Eritrea hungert nach Gott’

3. Dezember 2016 in Weltkirche


„Die Menschen werden alles verschlingen, was mit Religion zu tun hat.“ Doch religiöse Literatur ist in Eritrea schwer zu bekommen.


Königstein (kath.net/ KiN)
Eritrea liegt im Nordosten Afrikas. Eine autoritäre Regierung unter Präsident Isayas Afewerki sichert zwar Menschenrechte und Religionsfreiheit zu, in der Praxis werden diese jedoch stark beschnitten. Immer mehr Eritreer flüchten – die willkürliche Einberufung zum Militärdienst und wiederholte Hungersnöte tragen wesentlich dazu bei. Trotz aller Schwierigkeiten gibt es in Eritrea eine vitale Kirche. Der Afrika- und Nahost-Experte des weltweiten päpstlichen Hilfswerks „Kirche in Not“, Dr. Andrzej Halemba, war kürzlich vor Ort. Maria Lozano hat mit ihm gesprochen.

Lozano: Pater Halemba, welchen Eindruck konnten Sie von Eritrea gewinnen?

Halemba: Ich war zum ersten Mal dort. Ich hatte es so oft versucht, aber erst jetzt durfte ich einreisen. Gut die Hälfte der sechs Millionen Eritreer sind Christen, die andere Hälfte sind Muslime. Die meisten Christen gehören einer orthodoxen Kirche an. Katholische, orthodoxe und protestantische Kirchen sind offiziell staatlich anerkannt, der Islam auch. Die Katholiken sind eine kleine Minderheit von etwa 150 000 Gläubigen.

Es gibt eine jahrhundertelange christliche Tradition. Die Religiosität der Menschen ist beeindruckend. Man sieht ihnen die Freude am Glauben richtig an – auch an ihrer Kleidung! Denn viele Frauen tragen weiße Kleider. Das steht nicht nur für Reinheit, sondern auch für die Entschlossenheit zu einem geistlichen Leben. Es ist so, also würde man den Himmel über die Kleidung ins Herz bringen wollen!

Sie sagten es bereits: Einige christliche Kirchen sind staatlicherseits anerkannt. Dennoch wird ihre Arbeit stark reglementiert und behindert. Wie sieht das Leben der Christen unter diesen Bedingungen aus?

Auch wenn die staatlichen Übergriffe zunehmen: Die katholische Kirche schafft es, ihre Eigenständigkeit zu behaupten. Das gelingt ihr auch deshalb, weil sich Diözesen und Gemeinden karitativ engagieren. So ist die katholische Kirche die einzige religiöse Organisation im Land, die Schulen, Kindergärten und Sozialstationen betreibt. Sie setzt sich auch für die Ausbildung von Frauen ein. Das ist wichtig, denn viele Männer sind für einige Jahre beim Militär. Die Versorgung der meist sehr großen Familien liegt also komplett bei den Frauen. Die katholische Kirche hat den Bedarf erkannt und bietet deshalb Hygiene-, Koch- oder Nähkurse an und vieles mehr.

Was hat Sie bei Ihrer Reise am meisten berührt?

Es gab so viele berührende Momente! Wenn ich einen auswählen muss, würde ich sagen: Es war der enorme Fleiß, die Ausdauer und die Lernbereitschaft der jungen Leute. Ein Beispiel: Das Internet in Eritrea ist sehr langsam, also müssen die Studenten viele Stunden warten, oft bis weit nach Mitternacht, damit sie sich Dokumente herunterladen oder Themen recherchieren können, um ihre Hausaufgaben gut zu machen. Ich habe Priesteramtskandidaten erlebt, die viele Stunden für das Studium aufwenden. Das gleiche gilt für die jungen Ordensschwestern. Es ist beeindruckend zu erleben, wie viele Gläubige Katecheten oder Religionslehrer werden wollen. Es geht ihnen nicht in erster Linie um den Verdienst – sie spüren eine tiefe Berufung!

Sie sprechen das hohe Engagement von Ordensfrauen und Laienhelfern an. Wie sieht das in der Praxis aus?

Die Pfarreien in Eritrea sind riesig, und der Pfarrer kann nicht überall sein. Deshalb übernehmen Ordensfrauen und Katecheten die Gemeindearbeit. Sie bereiten die Kinder auf die Erstkommunion vor; sie kümmern sich um die Kranken. Ich erinnere mich an einen alten Mann, der in einer Gemeinde zu den Schwestern kam. Er litt unter Albinismus – einer Pigmentstörung, die Haut und Haare sehr hell werden lässt, die Augenfarbe fast rot. Man meidet ihn. Die Schwestern haben ihn so liebevoll behandelt wie einen Großvater. Es war so eine familiäre Atmosphäre!

Es gab dort auch ein Waisenhaus für Mädchen. Die Schwestern haben sie unterrichtet, mit ihnen Hausaufgaben gemacht, getanzt und so weiter. Ich konnte die Freude und Dankbarkeit der Mädchen richtig spüren! Gleiches gilt für Behinderteneinrichtungen. Diese Menschen hätten niemand, der sich um sie kümmert, wenn es die Pfarreien und Klöster nicht gäbe.

Wie hilft „Kirche in Not“ vor Ort?

Eritrea hungert nach Gott. Die Menschen hungern richtig nach Bibeln und religiöser Literatur. Meine Gesprächspartner sagten mir: „Die Menschen werden alles verschlingen, was mit Religion zu tun hat.“ Doch religiöse Literatur ist in Eritrea schwer zu bekommen. Dabei wollen wir helfen – zum Beispiel mit der Kinderbibel von „Kirche in Not“ und anderen Schriften für die Katechese.

Ein weiterer Punkt: Es gibt viele Priester- und Ordensberufungen in Eritrea. Ich habe im „kleinen Seminar“ – also einem kirchlichen Internat für Jungen auf dem Weg zum Priesterberuf – gefragt: „Warum wollt ihr Priester werden?“ Die Antworten waren wundervoll: „Ich will Gott dienen“, „ich will Menschen zu Gott führen“, „ich liebe Gott und will mich dafür einsetzen, dass die anderen Menschen ihn auch lieben“. Natürlich werden nicht alle von ihnen Priester werden, denn viele sind die einzigen Söhne und müssen die Großfamilie versorgen; andere müssen zum Militär und können den Dienst nicht quittieren. Aber die Kirche braucht gute Priester, und alle diese Jungen brauchen eine gute Ausbildung. Und das müssen wir unterstützen.

Um die Christen in Eritrea weiterhin unterstützen zu können, bittet „Kirche in Not“ um Spenden – online unter www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München
IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: Eritrea


Foto: Dr. Andrzej Halemba (Mitte) mit Priesterseminaristen in der Hauptstadt Asmara. © Kirche in Not


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