Selig sind die Augen, die sehen was Ihr seht!

29. November 2016 in Spirituelles


Gedanken des seligen John Henry Kardinal Newman


England (kath.net)
Während der Jahrhunderte bevor Jesus auf die Erde kam, füllten alle Propheten, einer nach dem anderen, ihren Platz aus, oben auf dem Wachturm. Alle erwarteten seine Ankunft und hielten Ausschau danach im Dunkel der Nacht. Unaufhörlich hielten sie Wache, um den ersten Schimmer des Morgenrots zu erhaschen [...] „Gott, du mein Gott, dich suche ich, seit dem Morgenrot. Meine Seele dürstet nach dir im dürren, lechzenden Land ohne Wasser“ (vgl. Ps 62[63],2) [...] „Reiß doch den Himmel auf und komm herab. Die Berge würden in deiner Gegenwart zittern wie unter einer Feuersbrunst [...] Seit Anbeginn der Welt, mein Gott, hat noch kein Auge zu schauen vermocht die Wunder, die du denen bereitet hast, die mit dir in Erwartung deiner verbunden sind“ (vgl. Jes 64,1; vgl. 1 Kor 2,9).

Indessen, wenn jemals Menschen das Recht hatten, sich an diese Welt zu binden und an ihr Interesse zu haben, dann waren dies sehr wohl jene Diener des Herrn. Die Erde war ihnen gegeben worden, um sie untereinander zu teilen, und nach den Verheißungen des Allerhöchsten selbst sollte sie ihre Belohnung sein. Aber unsere Belohnung betrifft die kommende Welt [...] Und auch sie, die großen Diener Gottes, haben das irdische Geschenk des Herrn, trotz seines Wortes, verschmäht, um sich an noch schönere Verheißungen zu binden. Was sie besaßen, opferten sie um dieser Hoffnung willen. Sie gaben sich mit nichts weniger zufrieden, als mit der Fülle ihres Schöpfers. Sie hielten Ausschau nach dem Antlitz ihres Befreiers. Und sollte deswegen die Erde in Trümmer gehen, der Himmel zerreißen, die Elemente der Welt sich auflösen, nur damit er endlich erschiene, sollte alles in sich zusammenstürzen – besser, als weiterhin ohne ihn zu leben! So heftig war das Verlangen der Verehrer Gottes in Israel, die dessen harrten, der kommen sollte [...] Ihre Hartnäckigkeit ist ein Beweis dafür, dass es etwas zu erwarten gab.

Auch die Apostel standen, als ihr Meister gekommen und wieder gegangen war, den Propheten in nichts nach in der Schärfe ihrer Wahrnehmung und der Glut ihres Verlangens. Das Wunder der beharrlichen Erwartung hat sich fortgesetzt.



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