Wien: Debatte über freie Marktwirtschaft als Garant für Wohlstand

21. November 2016 in Österreich


Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände und Kummer-Institut luden zu Symposion - Ethiker Rhonheimer sieht in "innovativen Kräften des freien Unternehmertums, des Wettbewerbs und des Marktes" einzige Chance für allgemeinen Wohlstand


Wien (kath.net/KAP) "Wohlstand für alle durch Marktwirtschaft - Illusion oder Wirklichkeit?" war das Thema eines Symposiums der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände und des Karl Kummer Institutes für Sozial- und Wirtschaftspolitik. Auf dem Prüfstand stand dabei die Zeitgemäßheit der Katholischen Soziallehre, wie es von Seiten der Veranstalter hieß. Hauptreferent war der Ethiker und Philosoph Martin Rhonheimer, der sich mit dem gegenwärtigen Mainstream in der Katholischen Soziallehre sehr kritisch auseinandersetzte.

Wohlstand ist für Rhonheimer allein durch Kapitalismus und Marktwirtschaft möglich, die freilich in eine funktionierende Rechtsordnung eingebettet sein müssen. Den gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Problemen kann nach Ansicht Rhonheimers adäquat nur mit den "innovativen Kräften des freien Unternehmertums, des Wettbewerbs und des Marktes" begegnet werden. Wenn man hingegen nach mehr Staat und mehr Regulierung ruft, mache man den Bock zum Gärtner. Rhonheimer ist Professor für Ethik und politische Philosophie an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom und Präsident des "Austrian Institute for Economics and Social Philosophy". Er gehört dem Opus Dei an.

Rhonheimer untermauerte seine Thesen mit einem Blick zurück in die Geschichte und verwies auf den deutschen Bundeskanzler, Wirtschaftsminister und Wirtschaftswissenschaftler Ludwig Erhard. Dieser wird gemeinhin als Vater des "deutschen Wirtschaftswunders" und der Sozialen Marktwirtschaft bezeichnet. Erhard habe, gegen den Willen der alliierten Besatzungsmächte, in einer Nacht und Nebel-Aktion alle Preisbindungen aufgehoben. - "Auf einen Schlag war der Schwarzmarkt weg." - Risikobereitschaft wurde attraktiv, der freie Markt schuf Reichtum für die Erfolgreichen und Wohlstand für die Massen.

Rhonheimer: "Erhards Politik war der beste Beweis für die wohlstandschaffende Kraft eines freien, ungehinderten Marktes und der Intelligenz eines politisch nicht verzerrten, marktwirtschaftlichen Preissystems." - Insofern sah Rhonheimer auch die gängige Katholische Soziallehre als sehr fragwürdig an, da sie im Kräftespiel zwischen Kapitalismus und Marktwirtschaft auf der einen Seite und Staat/Politik auf der anderen Seiten auf den Primat der Politik pocht.

Frage der Gleichheit zentral

Die Wiener Sozialethikerin Ingeborg Gabriel zeigte sich skeptisch zu Rhonheimers Ausführungen. Sie stellte die Frage, wie weit die gegen den Staat gerichteten Aussagen einer nötigen Blickumkehr gerecht würden, da es zwar Schlagzeilen mache, wenn an der Börse etwas passiert, ein erfrierender Bettler aber keine Nachricht wert sei.

Am Anfang des Kirchendokumentes "Rerum Novarum" sei die Kritik gestanden, dass das Kapital in den Händen weniger Menschen angehäuft sei. Die Frage der Gleichheit auf der Ebene des Marktes sei deshalb zentral.

Die Debatte im Spannungsfeld Marktwirtschaft-Staat sei zudem immer noch von der Erfahrung der Planwirtschaft bestimmt. Unlängst habe ihr ein slowenischer Kollege erzählt, dass man bei ihnen das Wort "sozial" nicht verwenden könne, weil es durch den Kommunismus diskreditiert sei, berichtete Gabriel. Heute bestehe das eigentliche Problem darin, dass es auf Weltebene keine gemeinwohlfördernden Institutionen gebe.

Der Arbeits- und Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal sagte, dass der Mechanismus des Marktes in vielen Bereichen wunderbar funktioniere. Er setze aber ein bestimmtes Denken und Möglichkeiten voraus und auch Menschen, die bereit seien, sich für andere einzusetzen und nicht nur ihr erwirtschaftetes Ergebnis einzusacken. In den letzten 30 Jahren seien aber immer mehr Unternehmer dieser Verantwortung nicht nachgekommen.

Der Marktmechanismus setze weiters voraus, sich einem Vertragsabschluss verweigern zu können. Diese Freiheit bestehe am Arbeitsmarkt typischerweise nicht, das Marktmodell habe hier versagt und zu sozialen Spannungen geführt, so Mazal.

"Marktwirtschaftliches System das beste"

"Die marktwirtschaftlichen Systeme stellen am meisten von dem Geld bereit, das dann von den kapitalismuskritischen Institutionen verteilt wird", sagte der Direktor von Agenda Austria, Franz Schellhorn. Marktwirtschaft heiße, Steuerung durch den Markt, in dem Angebot und Nachfrage die Preise bestimmen. Das habe in der Vergangenheit - mit Rückschlägen - immer funktioniert. Dennoch müsse sich die Marktwirtschaft immer verteidigen. Das wundere ihn, so Schellhorn, da es noch nie so wenig Armut gegeben habe wie gegenwärtig.

Der Unternehmer, Ehrenobmann des Kummer-Instituts und ehemalige ÖVP-Obmann Josef Taus zeigte sich davon überzeugt, dass das marktwirtschaftliche System das beste sei, zumindest in den westlichen Industriestaaten.

Das Symposion fand in der Raiffeisen Zentralbank (RZB) statt. Deren Vorstandsdirektor Johannes Schuster ging auf die Genossenschaften ein, die in der Literatur oft als "dritter Weg zwischen Marktwirtschaft zum Einen und Planwirtschaft/Kommunismus zum Anderen" bezeichnet werden. Die RZB kenne viele Schattierungen nicht nur dieses dritten Weges, sondern auch viele Schattierungen der Marktwirtschaft. Wohlstand für alle durch Marktwirtschaft sei freilich aber eine Illusion, so Schuster.

Die Veranstaltung setzte eine AKV-Reihe von alljährlichen Symposien zu einem wichtigen gesellschaftspolitischen Thema fort. Vor zwei Jahren war "Die Zukunft unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems" Thema, im November 2015 lautete die Leitfrage: "Die globale Wirtschaft braucht einen Kompass - geben die Katholische Soziallehre und Laudato si' die richtigen Antworten?"

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