Christliche Hoffnung

15. November 2016 in Kommentar


Immer wieder begegnet mir in katholischen Kreisen ein unsagbarer Pessimismus. Doch wir sollten nicht mit einem katholischen Aluhut durch die Welt gehen. kath.net-Kommentar von Anna Diouf


Bonn (kath.net/ad) Immer wieder begegnet mir in katholischen Kreisen ein unsagbarer Pessimismus. An den immer gleichen Themenbereichen entzünden sich die unvermeidlichen Diskussionen um Glaubensabfall, Glaubensverdunstung und Niedergang der liebgewonnenen europäischen Kultur.

Natürlich sind diese Diskussionen wichtig. Zum einen, weil man die Lage der Nation, des Kontinents, der Welt und der Kirche realistisch beurteilen muss. Wenn angesichts einer Erstkommunion von dreiunddreißig Kindern der Pfarrer gegenüber der naturgemäß zu diesem Anlass zahlreichen Gemeinde verkündet, es gäbe kein Problem, schließlich sei die Kirche ja voll, wie man sehen könne, dann kann man nur von Realitätsverlust sprechen, und natürlich ist dem kritisch zu begegnen. Wenn liturgische Missbräuche den Glauben der Gemeinden schwächen, wenn zweideutige Aussagen die Lehre verunklaren, wenn keine Katechese stattfindet, dann ist das Grund zur Klage und zur Auseinandersetzung. Auch muss man, wenn man etwas ändern will, zuerst den Status quo kennen.

Aber in all dem sollten wir uns bewusst bleiben, dass der Christ nicht nur gut behütet unter dem Schutzmantel der allerseligsten Jungfrau steht, der Christ gehört durch die Taufe Christus an und soll am ewigen Leben und am Himmelreich teilhaben. Ausschlaggebend dafür ist nicht, ob Christus in unserem Umfeld sichtbar ist, sondern, ob er in unserem Herzen und in unserem Leben wohnt. Die Auseinandersetzung mit außerhalb unserer selbst liegenden Missständen ist sehr einfach: Man kann immer gut den Splitter im Auge des anderen erkennen, und es ist ja auch gut und Bestandteil der brüderlichen Zurechtweisung, dass man einander hilft, zu bemerken, was man in sich selbst gefangen nicht gut wahrnehmen kann. Aber an erster Stelle sollte nach dem Erkennen eines Missstandes die Frage stehen, was man selbst zu seiner Behebung beitragen kann.

Zuerst steht da der Glaube. Glaube ist nicht eine diffuse Vermutung, sondern eine Gewissheit im Vertrauen. Und Vertrauen braucht der Katholik von heute, auch, wenn es manchmal schwierig ist, und man darum bitten muss. Wer etwa der Kirche nicht vertrauen will, weil sie nicht deutlich genug gegen gewisse Umstände vorgeht, oder weil hohe Würdenträger selbst die Lehre der Kirche scheinbar oder tatsächlich torpedieren, der läuft Gefahr, am Ende sich selbst zu vertrauen, und sich damit aus der Gemeinschaft der Kirche auszuschließen. Modernismus und traditionalistische Abkehr von der Gemeinschaft mit Rom etwa sind zwei Seiten der gleichen Medaille: Weil man meint, es besser zu wissen als das Lehramt und alles besser zu verstehen, maßt man sich an, über die Katholizität der Kirche besser urteilen zu können als diese selbst – und steht schneller außerhalb der Gemeinschaft der Kirche, als einem lieb ist. Warum aber geht man, der man selbst Sünder und fehlbar ist, davon aus, dass Bischöfe es nicht sein dürften? Natürlich haben wir – zurecht – Ansprüche an unsere Hirten. Aber wenn wir etwa bemerken, dass einer offensichtlich gegen die Lehre der Kirche opponiert, stellt sich die Frage, ob wir sofort willentliche Abkehr vom Glauben vermuten wollen, oder ob wir Irrtum oder Einseitigkeit oder einen Mangel an Durchblick oder irgendeinen anderen Grund annehmen wollen, der uns freundlicher und weniger unbarmherzig über eine kontroverse Haltung urteilen lässt. In diesem Zusammenhang steht auch das Gebet: Sehr oft höre ich in entsprechenden Gesprächen: "Da kann man nur noch beten", oder "Für den kann man nur noch beten". Ich frage mich oft, in wie vielen Fällen dieser fromme Wunsch in die Tat umgesetzt wird? Die Feststellung lässt sich leicht treffen, den unliebsamen Bischof tatsächlich als Hirten und Bruder ins tägliche Gebet einzuschließen, erfordert dagegen ein wenig Durchhaltevermögen.

Wer immer zuerst den Schlechtesten der möglichen Fälle annimmt, der schafft sich selbst eine nie versiegende Quelle des Verdrusses. Denn dann ist die Kirche überfüllt von übelwollenden Häretikern, die nichts anderes Anstreben als den Untergang der Kirche. Es geht also nicht darum, Folgen von Glaubensabfall oder Unglauben zu verharmlosen, sondern darum, wie wir mit dem Menschen, der hinter einer Haltung steht, umgehen wollen. Schließlich gibt es in der Kirche auch zahllose Aufbrüche, überall kann man mutige kleine und große Initiativen finden, die den Glauben leben und weitertragen. Diesen ist durch tatkräftige Unterstützung mehr geholfen, als wenn jemand nur daneben steht und über die Aussichtslosigkeit des Unterfangens philosophiert, während andere im Schweiße ihres Angesichts im Weinberg des Herrn arbeiten.

Ein weiterer Aspekt ist die kluge Abwägung von Information und gesunder Gleichgültigkeit. Wenn ein christliches Portal oder eine weltliche Zeitung stets negative und destruktive oder gar falsche Meldungen bringen – kann ich darauf nicht verzichten? Wenn es nur um Panikmache geht, die keinen von Hoffnung erfüllten Ausblick liefert, oder zumindest auf die Hilfe in Christus hinweist, muss ich diese Quelle rezipieren? Sicher nicht! Als mündiger Christ ist man selbst dafür verantwortlich, sich auch einmal bewusst nicht zu informieren, wenn die Information Gefahr läuft, zu einem Glaubenshindernis zu werden. Zumal wir im Bereich der Medien der großen Gefahr ausgesetzt sind, Gläubigkeit mit Leichtgläubigkeit zu verwechseln. Wir neigen dazu, großen Katastrophenmeldungen eher zu glauben als dem leisen Wehen des göttlichen Hauches. Panikmache ist aber keinesfalls Ausweis besonderen Gottvertrauens. Aktuell wissen wir etwa, dass selbst kirchliche Medien die Aussagen unseres Heiligen Vaters tendenziös bis falsch wiedergeben. Obwohl wir eigentlich um die starken Strömungen in der Kirche wissen, die gegen die Lehre stehen, und obwohl wir ebenfalls wissen, dass die säkularen Medien der Kirche keineswegs wohlgesonnen sind, erzielen kolportierte Aussagen des Papstes mit schöner Regelmäßigkeit Uneinigkeit und Schwadronieren über den angeblichen Gegensatz zwischen Franziskus und allen Päpsten vor ihm. Es ist geradezu dumm – man entschuldige die explizite Wortwahl –, hier immer noch auf Medien zu zählen, statt schlicht und einfältig auf den Heiligen Geist zu vertrauen. Dies ist nur ein Beispiel unter vielen. Wir sollten nicht mit einem katholischen Aluhut durch die Welt gehen: Gottes Schöpfung ist im Ursprung gut, sehr gut sogar. Und sie ist mit Gott versöhnt durch den Opfertod Jesu Christi. Wer sich diesen dramatischen und unermesslichen Rahmen vergegenwärtigt, in dem sich unser kleines Leben abspielt, der wird angesichts der real existierenden Probleme nicht verzagen. Wer sich dessen bewusst ist, muss keine Verschwörungstheorien unterhalten, die das Weltende beschwören – dass ein Weltende kommt, weiß der Christ sowieso, und es erfüllt ihn nicht mit übermäßiger Besorgnis, da er ja weiß, dass er in Christus ohnehin bereits ein Bürgerrecht im Himmel hat.


Foto Anna Bineta Diouf


Foto Heike Mischewsky


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