Der Antichrist und der Prozess der Entfleischung der Kirche

11. November 2016 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: die christliche Liebe ist konkret, nicht intellektualistisch oder ideologisch. Das traurige Spektakel eines Gottes ohne Christus, eines Christus ohne Kirche und einer Kirche ohne Volk. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Der Dialog der Liebe zwischen dem Hirten und seiner Braut, der Kirche. Papst Franziskus ging in seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Freitag der 32. Woche im Jahreskreis, Fest des heiligen Martin von Tours, von der ersten Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Johannes aus (2 Joh 1,4-9). Franziskus dachte über das Wesen der christlichen Liebe nach.

Das vom Herrn empfangene Gebot bestehe darin, in der Liebe zu gehen, in der Liebe zu leben. „Doch um welche Liebe handelt es sich?“, fragte sich der Papst. Dieses Wort werde heute für vieles benutzt. Von Liebe sei die Rede in einem Roman oder in einer Telenovela. Dabei aber handle es sich um eine „theoretische Liebe“.

Das Kriterium der christlichen Liebe dagegen sei „die Fleischwerdung des Wortes“. Wer dies leugne, wer dies nicht anerkenne, „ist der Antichrist“:

„Eine Liebe, die nicht anerkennt, dass Jesus im Fleisch gekommen ist, im Fleisch, ist nicht die Liebe, die Gott uns aufträgt. Das ist eine weltliche Liebe, eine philosophische Liebe, eine abstrakte Liebe, das ist eine Liebe, die ein wenig gering geworden ist, eine Liebe ‚soft’. Nein! Das Kriterium der christlichen Liebe ist die Fleischwerdung des Wortes. Wer sagt, dass die christliche Liebe etwas anderes ist – das ist der Antichrist! Wer nicht anerkennt, dass das Wort Fleisch geworden ist (‚Viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen; sie bekennen nicht, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist. Das ist der Verführer und der Antichrist’; V. 7). Und das ist unsere Wahrheit: Gott hat seinen Sohn gesandt, er ist Fleisch geworden und hat ein Leben geführt wie wir. Lieben wie Jesus geliebt hat. Lieben wie uns Jesus gelehrt hat. Lieben nach dem Beispiel Jesu. Lieben – auf dem Weg Jesu gehend. Und der Weg Jesu besteht darin, das Leben zu schenken“:

Die einzige Weise zu lieben, wie Jesus geliebt hat, bestehe darin, ständig aus dem eigenen Egoismus herauszutreten und hinzugehen, um den anderen zu dienen. Dies sei so, da die christliche Liebe „eine konkrete Liebe ist, denn konkret ist die Gegenwart Gottes in Jesus Christus“.

Vor dem, der also über diese „Lehre des Fleisches“, über die Lehre der Fleischwerdung hinausgehe, müsse man sich hüten, denn indem er so handle, bleibe er nicht in der Lehre Christi und habe Gott nicht:

„Dieses ‚darüber Hinausgehen’ ist ein Geheimnis: es ist ein Verlassen des Geheimnisses der Fleischwerdung des Wortes, des Geheimnisses der Kirche. Denn die Kirche ist die Gemeinschaft um die Gegenwart Christi herum: der also über sie hinausgeht. Dieses Wort ist stark, nicht?... προάγων, der darüber ‚hinausgeht’. Und daraus gehen alle Ideologien hervor: die Ideologien über die Liebe, die Ideologien über die Kirche, die Ideologien, die der Kirche das Fleisch Christi nehmen. Diese Ideologien entfleischen die Kirche! ‚Ja, ich bin katholisch. Ja, ich bin Christ. Ich liebe die ganze Welt in einer universalen Liebe’... Aber dabei ist er dann ganz ätherisch abgehoben. Eine Liebe ist immer im Innern, konkret und geht nicht über diese Lehre der Fleischwerdung des Wortes hinaus“.

Franziskus warnte: „Wer nicht so lieben will, wie Christus seine Braut, die Kirche, liebt, mit dem eignen Fleisch, das Leben hingebend, der liebt ideologisch“. Diese Art und Weise, Theorien und Ideologien zu schaffen, „auch die Theorien der eigenen Religiosität, die Christus das Fleisch nehmen, die der Kirche das Fleisch nehmen, ‚geht darüber hinaus’ und zerstört die Gemeinschaft, zerstört die Kirche“.

Wenn wir also damit anfingen, Theorien über die Liebe zu schaffen, gelangten wir zur „Umformung“ dessen, „was Gott mit der Fleischwerdung des Wortes gewollt hat. So werden wir zu seinem Gott ohne Christus kommen, zu einem Christus ohne Kirche und zu einer Kirche ohne Volk. Alles in diesem Prozess bedeutet, die Kirche zu entfleischen“:

„Beten wir zum Herrn, dass unser Weg in der Liebe aus uns nie – nie! – eine abstrakte Liebe mache. Sondern dass die Liebe konkret sei, mit den Werken der Barmherzigkeit, dass sie an das Fleisch Christi rühre, des fleischgewordenen Christus. Aus diesem Grund hat der Diakon Laurentius gesagt: ‚Die Armen sind der Schatz der Kirche!’. Warum? Weil sie das leidende Fleisch Christi sind! Wir wollen um diese Gnade bitten, nicht ‚darüber hinauszugehen’ und nicht in diesen Prozess einzutreten, der vielleicht viele Menschen verführt, der Prozess der Intellektualisierung, der Ideologisierung der Liebe, und so die Kirche zu entfleischen, die christliche Liebe zu entfleischen. Und wir wollen darum bitten, nicht zu jenem traurigen Spektakel eines Gottes ohne Christus, eines Christus ohne Kirche und einer Kirche ohne Volk zu gelangen“.

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