'Die greifen mir unter das Kleid und die Polizei macht gar nichts'

26. Oktober 2016 in Deutschland


Über die Kölner Silvesternacht wurden erschütternde Opferberichte bekannt, Rechtspsychologe untersuchte die Anzeigen und Notrufe - Egg: am 1. Jan. lagen schon 227 Anzeigen vor - Vertuschungsvorwurf an NWR-Landesregierung


Köln (kath.net) Der Rechtspsychologe Professor Rudolf Egg hat vor dem „Untersuchungsausschuss Silvesternacht“ des Düsseldorfer Landtags festgestellt, dass die Opfer der sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht „nicht so richtig ernst genommen“ wurden. Die Polizei habe hilflos gewirkt, es habe faktisch am Dom einen rechtsfreien Raum gegeben, es seien deutlich zu wenig Polizisten dagewesen, obendrein hätten die anwesenden Sicherheitskräfte auch noch die falsche Strategie befolgt, „eine Null-Toleranz-Strategie wäre besser gewesen“. Das berichtete die „Bild“.

Inzwischen wurden erschütternde Opferberichte bekannt. „Welt N24“ zitierte Opfer (Link zum lesenswerten N24-Beitrag): „Ich fühlte mich in dieser Nacht nicht wie ein Mensch, sondern eher wie ein Gegenstand.“ Oder: „Als Frau kam man sich unter den ganzen ausländischen Mitbürgern vor wie im Zoo. Man wurde als Frau überhaupt nicht wahr- beziehungsweise ernst genommen, und es war überhaupt kein Respekt vorhanden.“ Der Kriminologe Egg zitierte aus einer Anzeige, die er als typisch einstufte: „Auf der Domplatte angekommen, wurden wir wirklich an allen Körperöffnungen unzählige Male berührt. Die Männer griffen uns zwischen den Schritt, an den Po und an die Brüste. Wir haben schnell festgestellt, dass es nicht aus Versehen passierte. Nachdem wir uns durch Wegschubsen der Männer wehrten, kamen immer mehr und versuchten, uns untereinander zu trennen. Sie griffen uns stärker zwischen den Schritt und pitschten hinein. Sie hatten keine Hemmungen mehr und hielten uns fest, schubsten zurück und öffneten unsere Taschen und Rucksäcke. Nur durch Weglaufen sind wir den Ausländern entkommen.“

Nach Darstellung von „Welt 24“ behauptete die Regierung Nordrhein-Westfalens, dass die Brisanz und die Ausmaße der Vorfälle erst ab dem 4. Januar erkennbar geworden seien. Die Opposition wirft den beiden SPD-Politikern Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Landesinnenminister Ralf Jäger vor, dass sie die Brisanz der Vorfälle unterschätzt oder zu vertuschen versucht hätten. Egg bringt diese Verteidigungsstrategie nun ins Wanken. Er hat ungefähr 1000 Anzeigen untersucht, über seine Einschätzung wurde er am Dienstag im Landtagsuntersuchungsausschuss dazu befragt. Der Experte betonte, dass viele Anzeigen bereits an Neujahr vorlagen. Gegenüber der „Welt 24“ sagte Egg wörtlich: „Am 31. Dezember und 1. Januar sind insgesamt 227 Anzeigen eingegangen. Das sind schon über 20 Prozent der Fälle.“ Zwar sei noch nicht ausgewertet, auf was sich diese Anzeigen im Detail bezogen hätten, doch er könne sich nicht vorstellen, „dass es nur Diebstähle waren. Man hätte schon Neujahr erkennen müssen, dass die Vorfälle in der Silvesternacht eine große Dimension haben.“ Demnach sei die Darstellung der Landesregierung entweder „eine glatte Lüge, oder es stimmt etwas nicht mit den internen Kommunikationsstrukturen.“.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Dienstag, dass die Übergriffe „vielleicht ein Wendepunkt in der Debatte um Flüchtlinge in Deutschland“ gewesen seien. Er äußerte sich bei einer Diskussionsveranstaltung in Köln über Integration, wie der „Spiegel“ berichtete. Einerseits müsse die deutsche Gesellschaft einerseits offen für Neues bleiben, andererseits müsse sie ihre Werte und Traditionen aber auch selbstbewusst vertreten. Denn „nur wenn wir selbst unsere Werte und Kultur schätzen und konsequent dafür eintreten, wissen Neuankömmlinge, was sie zu achten haben und können den erforderlichen Respekt und die Begeisterung für unsere Lebensweise entwickeln.“ In Köln gehörten dazu „natürlich der Weihnachtsmarkt“,“ aber auch der Karneval, Martinsumzüge, Currywurst, Schweinebraten, aber längst auch Döner und Falafel. All das bleibt nach wie vor Bestandteil unseres Lebens. Es liegt an uns, ob wir dies aus voreiliger Rücksichtnahme auf vermeintlich verletzte Gefühle aufgeben oder nicht.“ Der Bundesinnenminister erläuterte weiter, dass Menschen, die in Deutschland leben wollten, sich weiterhin ihrer alten Heimat verbunden fühlen könnten, doch „an erster Stelle sollten die Gesellschaft und das Land stehen, in dem und in der sie leben“.

Anonymisierte Aussagen von Opfern der Kölner Silvesternacht finden sich hier: „Welt N24“: Kölner Silvesternacht - „Ich kann euch nicht helfen“, sagte der Polizist.

ARD: Untersuchungsausschuss in Köln zu den Übergriffen in der Silvesternacht (Sendung vom 27.1.2016)



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