Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht

9. November 2016 in Kommentar


UN-Sonderberichterstatter: Christen werden weltweit bedrängt und verfolgt. Von Prof. Heiner Bielefeld


Erlangen (kath.net/idea) In Ägypten kommt es zu Brandanschlägen auf Kirchen; im Iran müssen christliche Konvertiten als „Abtrünnige” um ihr Leben fürchten; protestantische Gemeinden in Russland werden als „fremdländische Sekten“ stigmatisiert; Terrorgruppen wie der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) zielen darauf ab, alle Spuren christlichen Lebens auszutilgen; in China oder Vietnam stehen christliche Gemeinden unter scharfer Beobachtung; wenn in Jordanien eine muslimisch-christliche Ehe geschieden wird, steht die christliche Ehefrau in der Gefahr, das Sorgerecht für ihre Kinder zu verlieren; in Bangladesch kommt es vor, dass Schulkinder ohne Zustimmung der Eltern in den hinduistischen oder islamischen Religionsunterricht geschickt werden; eine Angestellte der Fluggesellschaft „British Airways“ musste den lange Weg bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beschreiten, bevor ihr gestattet wurde, im Dienst ein sichtbares kleines Kreuz zu tragen.

Religionsfreiheit wird weltweit verletzt

Das sind nur einige Beispiele: Verletzungen der Religionsfreiheit an Christen finden in verschiedenen Regionen der Welt statt. Sie geschehen in Gerichtssälen, Schulen, Krankenhäusern, psychiatrischen Anstalten, Gefängnissen, Einwohnermeldeämtern, Kantinen, aber auch in der eigenen Nachbarschaft oder sogar im Kreis der eigenen Familie. Die Formen der Verletzung sind vielfältig; sie reichen von Diskriminierungen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt über Hasspropaganda in öffentlichen Medien bis hin zu Verhaftungen, Entführungen und Massakern, die teils Dimensionen von Völkermord annehmen.

Christen gelten als Ungläubige

Nicht weniger vielfältig sind die Motive: Mal gelten Christen als „Ungläubige“ und christliche Konvertiten als „Abtrünnige“, so etwa in Teilen der islamischen Welt. Anderswo werden sie eher unter den Vorzeichen nationalistischer Identitätspolitik als „fremde Invasoren“ bekämpft, etwa in Indien, Sri Lanka oder Myanmar. Diese beiden Motive können sich auch miteinander verbinden. Oft stehen im Hintergrund ganz handfeste Kontrollinteressen. Je autoritärer eine Regierung ist, desto obsessiver versucht sie typischerweise das gesamte gesellschaftliche Leben – und damit auch das religiöse Leben – zu kontrollieren und zu infiltrieren. Wer sich dem Kontrollgriff der chinesischen oder vietnamesischen Sicherheitsorgane entziehen will, muss mit harten Maßnahmen rechnen. In Nordkorea mit seinem pharaonenhaften Personenkult kommen all diese Motive zusammen.

Die Menschenrechte gehen uns alle an!

Was lässt sich tun? Wichtig ist, zunächst über das Schicksal der Betroffenen zu informieren. Dadurch wird in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Situation bedrängter, bedrohter und verfolgter Christen geschaffen. Solidaritätsarbeit kann und sollte sich dabei auf die Religionsfreiheit stützen, die im Kontext der UNO als internationales Menschenrecht verankert ist.
Das macht es möglich, dass die Angehörigen unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Orientierung im Eintreten für das Menschenrecht der Religionsfreiheit zusammenfinden. Denn die Menschenrechte gehen uns alle an!

Der Autor, Prof. Heiner Bielefeldt (Erlangen), ist von August 2010 bis Ende Oktober 2016 UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Er ist Lehrstuhlinhaber für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg.


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