Katholische Anmerkungen zum Reformationsgedenken 2017

28. Oktober 2016 in Kommentar


Die Reformation hat ihr Ziel nicht erreicht, eine grundlegende Reform der Kirche zu bewirken. Sie hat zur Spaltung geführt. Das ist ihre Tragik. Von Bischof Heinz Josef Algermissen (Bonifatiusbote)


Fulda (kath.net/pbf) Ich möchte von einer grundsätzlichen Feststellung ausgehen und von diesem Ausgangspunkt einige Impulse zur ökumenischen Lage anbieten. Dabei stütze ich mich auch auf das Dokument der Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission im Blick auf das Reformationsgedenken im Jahr 2017 „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ (2013).

Ich bin sicher, dass das Reformationsgedenken für Katholiken keine Jubelfeier sein kann, sondern Anlass zu Besinnung, Schuldbekenntnis und Umkehr sein muss.

Die Reformation hat ihr Ziel nicht erreicht, eine grundlegende Reform der Kirche zu bewirken. Sie hat zur Spaltung geführt. Das ist ihre Tragik.

Martin Luther ist es zunächst um eine Reform der ganzen Kirche und gerade nicht um eine Reformation im Sinne der mit ihr schließlich zerbrochenen Einheit der Kirche und des Entstehens von neuen reformatorischen Kirchen gegangen. Nimmt man diese Intention ernst, muss man in der historischen Tatsache, dass die Reform damals nicht zur Erfüllung gelangen konnte, nicht nur das Versagen der damaligen römischen Kirche erblicken, sondern auch das Nicht-Gelingen der Reformation selbst, wie beispielsweise der evangelische Ökumeniker Wolfhart Pannenberg mit Recht immer wieder in Erinnerung gerufen hat. In seiner Sicht lag den Reformatoren nichts ferner als die „Abtrennung evangelischer Sonderkirchen von der einen katholischen Kirche“ (W. Pannenberg, Gesammelte Aufsätze, Göttingen 1977, S. 255).

Diese historische Einsicht kann umgekehrt nur bedeuten, dass es erst beim ökumenischen Bemühen um die Wiedergewinnung der Einheit der Kirche auch um die Vollendung der Reformation selbst geht. Und dass man folglich vom gemeinsamen Reformationsgedenken auch einen neuen und mutigen Impuls für den Prozess der ökumenischen Annäherung erwarten muss.

Von daher stellt sich aus ökumenischer Sicht die Frage, wie der Bruch mit der Tradition zu verstehen ist, ob sich die Reformation des 16. Jahrhunderts als Reform der Kirche verstanden oder ob sie nicht doch in einem viel radikaleren Sinn zu einer Wesensveränderung geführt hat.


Diese Frage stellt sich vor allem deshalb, weil es durchaus verständlich ist, dass die Reformatoren große Probleme mit der mittelalterlichen Form der Papstkirche gehabt haben, dass sie indes keineswegs zur frühkirchlichen Quelle zurückgekehrt sind, sondern sich immer mehr von jenem kirchlichen Grundgefüge verabschiedet haben, das sich seit dem 2. Jahrhundert herausgebildet hat und das die katholische Kirche mit allen orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen teilt, nämlich die sakramental-eucharistische und die episkopale Grundstruktur der Kirche. Da nach diesem altkirchlichen Verständnis Kirche dort ist, wo das Bischofsamt in der sakramentalen Nachfolge der Apostel und damit auch die Eucharistie als Sakrament, dem der Bischof und der Priester vorstehen, gegeben sind, kommt man nicht um das Urteil herum, dass mit der Reformation ein anderer Typus von Kirche entstanden ist und die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen auch bewusst auf andere Weise Kirche sein wollen.

Von daher stellt sich die für mich grundlegende ökumenische Frage nach dem Verhältnis zwischen Reformation und Tradition, genauerhin die Frage, wie sich die Reformation zur gesamten Tradition der Kirche verhält, von der uns immerhin 1.500 Jahre gemeinsam sind.

Und in diesem weiteren Horizont wäre auch die Frage zu beantworten, wie wir heute, und zwar die ökumenischen Partner für sich und gemeinsam, die Reformation betrachten: nach wie vor, wie in der Vergangenheit üblich, als Bruch mit der bisherigen Tradition der Christenheit, oder in einer bleibenden Kontinuität mit der gesamten Tradition der universalen Kirche.

Von der Beantwortung dieser Grundfrage hängt nicht nur die Art und Weise ab, in der wir Katholiken uns am Reformationsgedenken beteiligen können, sondern auch und vor allem, wie der ökumenische Dialog der katholischen Kirche mit den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen weitergehen soll.

Konkret: Wir haben auf beiden Seiten allen Grund, Klage zu erheben und Buße für die Missverständnisse, Böswilligkeiten und Verletzungen zu tun, die wir uns in den vergangenen 500 Jahren angetan haben. Ein solcher öffentlicher Bußakt müsste jedenfalls der allererste Schritt bei einem gemeinsamen Reformationsgedenken sein.

Aus Buße folgt die Hoffnung, dass das gemeinsame Reformationsgedenken uns die Möglichkeit schenkt, weitere Schritte auf die erhoffte Einheit zu tun und nicht bloß beim Erreichten stehen zu bleiben. Dafür erbringt das ökumenische Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ einen wichtigen Beitrag, in dem es die sichtbare Einheit der Kirche als Ziel unserer ökumenischen Bemühungen in Erinnerung ruft. 2017 kann dann eine Chance werden, wenn dieses Jahr nicht etwa der Abschluss, sondern ein Neubeginn des ökumenischen Ringens um die volle Einheit zwischen den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und der katholischen Kirche sein wird.

Für die katholische Kirche ist die ökumenische Bewegung sowohl geistlich wie lebenspraktisch ein irreversibler Prozess; für sie gibt es keine Alternative auf dem Weg zur Einheit.

Foto Bischof Algermissen


Foto Bischof Algermissen (c) Bistum Fulda


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