Kirchen in Ungarn gedenken des Volksaufstands von 1956

20. Oktober 2016 in Chronik


Glockengeläut und Erinnerung an die Opfer des von der Sowjetarmee blutig niedergeschlagenen Aufstands in Gottesdiensten - In der katholischen Kirche erinnert man sich auch an Kardinal Mindszenty, einer Symbolfigur des Widerstandes


Budapest (kath.net/KAP) Zum 60. Jahrestag des ungarischen Volksaufstands von 1956 wird am kommenden Sonntag, 23. Oktober, auch in den katholischen Gottesdiensten an die damaligen Opfer der letztlich von der Sowjetarmee blutig niedergeschlagenen Volkserhebung erinnert. Zwar gibt es keine zentrale kirchliche Gedenkveranstaltung, wie die Pressestelle der Ungarischen Bischofskonferenz auf "Kathpress"-Anfrage hin mitteilte. Via Rundschreiben seien aber alle Pfarren gebeten worden, im Rahmen der Sonntagsmessen "der Helden und Opfer des Aufstandes zu gedenken und für sie zu beten".

Vertreter der katholischen, evangelisch-reformierten und evangelisch-lutherischen Kirchen nehmen zudem landesweit an den verschiedensten Trauerveranstaltungen teil. Katholischerseits bestimmt dabei jede ungarische Diözese selbst, in welcher Form noch an die historischen Ereignisse vor 60 Jahren erinnert wird.

Die Palette ist dabei sehr breit und hängt weitgehend davon ab, was in jenen Tagen an den unterschiedlichen Schauplätzen geschehen ist. Dort, wo bei bewaffneten Kämpfen Aufständische getötet wurden, wie zum Beispiel am 26. Oktober 1956 in der westungarischen Stadt Mosonmagyarovar, begeht man einen eigenen Trauertag. In Erinnerung an die Gefallenen werden an Gedenkstätten sowie auf Friedhöfen und Plätzen, wo Menschen gestorben sind, Kränze niedergelegt.

In Budapest stehen die Tage der diesjährigen Stadtmission von 20. bis 23. Oktober unter dem Motto "Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit". Mehrere katholische Gemeinschaften, Orden und Pfarren rücken dabei das Thema "Freiheit" ins Zentrum und wollten mit Berichten und Glaubenszeugnissen vor allem junge Menschen ansprechen. In der Pfarrkirche am Horvath Mihaly Platz können Interessierte beispielsweise Pfarrer Laszlo Baranyai kennen lernen, der an den Ereignissen in den Revolutionstagen aktiv teilgenommen hat.

Auch die anderen Kirchen gedenken des 60. Jahrestags. Die Ungarische Reformierte Kirche etwa hielt am 14. Oktober in Budapest eine Außerordentliche Gedenksynode ab. "Es ist würdig, der mutigen Teilnehmern der Revolution zu gedenken und ihnen zu danken", hieß es in der Schlusserklärung. Unter den Opfern seien Pastoren, Presbyter und Theologiestudenten genauso gewesen wie einfache Gemeindemitglieder. Viele wurden ins Gefängnis geworfen, durften ihrem Beruf nicht nachgehen und lebten jahrzehntelang in Angst. "Die Vergangenheit und die erlangte Freiheit verpflichten", betont das Dokument der reformierten Kirche weiter: "Das Gedenkjahr soll der Achtung der Vergangenheit und der Aussöhnung dienen, damit der Jahrestag tatsächlich zum gemeinsamen Feiertag der Nation wird."

Die evangelisch-lutherischen Kirchenvertreter wandte sich mit einem Hirtenbrief an ihre Gemeinden. Darin wurde dazu aufgerufen, den Jahrestag mit Gedenkgottesdiensten und einem gemeinsamen Glockenläuten angemessen zu begehen und auf diese Weise an die Opfer von 1956 zu erinnern.

Zehntausende Opfer

Der 23. Oktober ist ungarischer Nationalfeiertag im Gedenken an den Volksaufstand. Der Aufstand gegen die kommunistische Herrschaft begann am 23. Oktober 1956 mit einer Großdemonstration in Budapest und wurde durch den Einmarsch der Roten Armee ab dem 4. November blutig niederschlagen. Die Kämpfe forderten auf ungarischer Seite etwa 20.000 Tote. Insgesamt flohen mehr als 200.000 Ungarn ins westliche Ausland, viele über die Brücke von Andau. Etwa 70.000 blieben dauerhaft in Österreich. Nach der "Wende" wurde am 23. Oktober 1989 die Republik Ungarn ausgerufen.

In der katholischen Kirche ist das Gedenken an den Volksaufstand auch mit der Erinnerung an Kardinal Jozsef Mindszenty (1892-1975) verbunden, der nach dem zweiten Weltkrieg eine Symbolfigur des Widerstands gegen die kommunistische Herrschaft in Ungarn war. Mindszenty war 1948 von den Kommunisten verhaftet und in einem Schauprozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Während des Volksaufstandes 1956 wurde der Kardinal am 30. Oktober 1956 zunächst befreit. Nach der Niederschlagung der Revolution fand er Zuflucht in der US-amerikanischen Gesandtschaft in Budapest bevor er nach Rom ausreiste. Ab 1971 lebte Mindszenty in Wien, wo er am 6. Mai 1975 auch starb.

ARD/BR - Doku über den Ungarnaufstand 1956


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