Grüne machen Kirchenfinanzierung zum Wahlkampfthema

23. August 2016 in Deutschland


Nordrhein-Westfalen: Landesverband der Grünen fordert Ablösung der Entschädigungszahlungen


Düsseldorf (kath.net/idea) Die Grünen in Nordrhein-Westfalen wollen die Finanzierung der Kirchen zum Wahlkampfthema machen. Das kündigte der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Sven Lehmann (Köln) auf einer Fachtagung zum Staat-Kirche-Verhältnis am 20. August in Düsseldorf an. In den Programmen für die Bundes- und Landtagswahlen im kommenden Jahr werde die Partei eine Ablösung der Staatsleistungen an die evangelische und die katholische Kirche fordern. „Jedes Jahr zahlen die Steuerzahler in Deutschland über 500 Millionen Euro an die beiden großen Kirchen, ohne dass sie dafür eine Leistung erbringen müssen. Dieser Zustand muss endlich beendet werden“, forderte Lehmann.

Bundesregierung soll Expertenkommission einsetzen

Die Staatsleistungen gehen zurück auf den sogenannten Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Damals waren als Entschädigung für die Enteignung von Kirchengütern zeitlich unbegrenzte Zahlungen des Staates an die Kirchen vereinbart worden. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 sah vor, dass die Leistungen durch einen einmaligen Betrag abgelöst werden sollen. Diese Bestimmung wurde 1949 ins Grundgesetz übernommen, bisher aber nicht umgesetzt. Nach dem Willen der Grünen soll die Bundesregierung eine Expertenkommission einsetzen, die Grundsätze für die Ablösung erarbeiten soll, erklärte Lehmann. Auch die Bundesländer und die Vertreter der Kirchen sollten Gespräche über das Ende dieser Zahlungen aufnehmen. „Die Haushalte der Kirchen sind auf das Geld nicht angewiesen, und die Länder können es gut gebrauchen für soziale Leistungen“, so Lehmann. Die beiden großen Kirchen haben wiederholt ihre Bereitschaft erklärt, über eine Ablösung der Staatsleistungen zu verhandeln. Nach Meinung von Experten wäre dafür eine Einmalzahlung in Höhe des Zehn- bis Fünfundzwanzigfachen der jährlichen Leistungen angemessen.

Humanistische Union: Die Kirchen haben mehr als genug Geld erhalten

Nach Ansicht der atheistischen Humanistischen Union sind die Entschädigungsansprüche der Kirchen allerdings durch die bisher geleisteten Zahlungen „mehr als erfüllt“. Das erklärte Vorstandsmitglied Johann-Albrecht Haupt (Hannover) auf der Fachtagung. Immerhin hätten die Bundesländer seit 1949 über 16 Milliarden Euro an evangelische und katholische Kirche gezahlt. Dagegen warnte der Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der (katholischen) Diözesen in Deutschland, Ansgar Hense (Bonn), eine Ablösung der Staatsleistungen werfe schwierige verfassungsrechtliche Fragen auf. Es gebe „keine Schnellstraße zu einer Lösung“.


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