Worum bitten wir?

6. Juli 2016 in Spirituelles


Wenn unsere Fürbitten deutlich machen, wofür Gott in unserem Leben da sein soll, dann sollten wir nicht nur für die Opfer, sondern vor allem für die Täter beten. Gastkommentar von Michael Moos


Mühlhausen (kath.net) In jeder Messe beten wir Fürbitten. Dort bitten wir für jemand um etwas. Unsere Bitten spiegeln wider, was wir denken, wofür Gott in unserem Leben da sein soll. Worum bitten wir eigentlich in den Fürbitten?

Wir bitten in der Regel um Erlösung von Leiden. Wir bitten für die Opfer (von Krieg, Gewalt, Katastrophen etc.). Wir bitten für die Leidenden und wir bitten um Erlösung von den Leiden.

Ja, Jesus hat Kranke geheilt und dadurch Leiden gelindert. Die Menschen sind ihm nachgefolgt und haben geglaubt, dass, wenn sie nur wenigstens sein Gewand berühren können, sie geheilt und von ihren Leiden erlöst werden.

Auch heute noch geschehen Wunder. Menschen werden von Gott von unheilbaren Krankheiten auf wunderbare Weise geheilt. Aber Gott heilt nicht alle Menschen. Viele, die Meisten, erleben und erfahren Leid. Liebt Gott nur die, die er heilt?

Im Leid sind wir mit Jesus vereint. Leid ist Nachfolge Jesu. Nicht umsonst sind die Märtyrer, die um Jesu Willen gestorben sind, diejenigen, die in der Offenbarung mit weißen Gewändern vor Gott stehen. Sie sind reingewaschen im Blut des Lammes. Ihr Leben ist dem Leben Jesu so ähnlich geworden, dass sie direkt in Gottes Herrlichkeit aufgenommen wurden.

Der Glaube an Gott hat sie nicht vor Leiden bewahrt, ganz im Gegenteil! Sie sind Jesus nachgefolgt und er hat sie durch das Leid hindurch in den Himmel geführt. Jesus Christus ist nicht in die Welt gekommen, um uns ein gemütliches Leben zu bescheren und alle Unbequemlichkeiten von uns fernzuhalten.

Jesus Christus hat nicht nur Kranke geheilt, sondern er hat die Menschen befreit. Manche waren von Dämonen oder unreinen Geistern besessen. Diese Dämonen, die den Menschen den freien Willen genommen hatten, vertrieb und vernichtete er.

Er befreite die Menschen aus der Hand des Bösen. Er gab ihnen die Freiheit und die Menschlichkeit zurück. Er erlöste sie.

Ja, Jesus hat Leid gelindert. Doch wenn wir genau hinschauen, dann können wir mehr erkennen.

Nehmen wir die Begebenheit mit dem Gelähmten, wo seine Freunde nicht zu Jesus kommen können, weil das Haus so voll ist. Sie steigen Jesus buchstäblich aufs Dach, decken das Dach ab und lassen den Kranken hinunter. Sie legen ihn Jesus direkt vor die Füße. Und was macht Jesus? Er vergibt ihm die Sünden. Natürlich wundern sich die Menschen, dass Jesus die Sünden vergibt, aber ich kann mir gut vorstellen, dass die Freunde auf dem Dach sich gedacht haben: "Naja, Sünden vergeben ist ja ganz schön und gut, aber deswegen sind wir eigentlich nicht gekommen. Hast du da nicht noch was vergessen?" Jesus erkennt ihre Gedanken und heilt den Gelähmten. Der nimmt seine Bahre und geht hinaus.

Ist Jesus auf die Welt gekommen, um uns von unseren Leiden zu erlösen? Ist Gott Mensch geworden und hat seinen Sohn unter grausamsten Schmerzen am Kreuz sterben lassen, damit wir nicht mehr leiden müssen?

Gott kann eingreifen und unsere Leiden lindern, aber er hat seinen Sohn in die Welt gesandt, damit wir von unseren Sünden erlöst werden. Er hat seinen Sohn für uns hingegeben, damit wir die Verlockungen und Verführungen des Bösen durchschauen können. Er hat das menschliche Leid auf sich genommen, damit wir, vor allem im Leiden, seine Liebe erkennen können und uns zu ihm hinwenden können. Gerade im Leid sind wir mit Jesus Christus vereint.

Gott ist nicht Mensch geworden, um uns vom Leiden zu erlösen oder um uns vor den Verlockungen des Bösen zu bewahren. Jesus Christus ist gekommen, um uns in unseren falschen Entscheidungen und auf unseren Irrwegen ein Licht zu sein, dass uns den Weg zu Gottes ewiger Herrlichkeit zeigt. Er ist gekommen um uns zu vergeben, damit wir trotz unserer Fehler, unserer Sünden, in den Himmel gelangen können.

Wenn unsere Fürbitten deutlich machen, wofür Gott in unserem Leben da sein soll, dann sollten wir nicht nur für die Opfer, sondern vor allem für die Täter beten. Nicht nur die Leidenden verdienen unser Gebet, sondern vielmehr die, die Leid verursachen. Bitten wir für die, die fern sind von Gott, dass sie sich bekehren.

Michael P.W. Moos ist 2010 aus der evangelischen Kirche ausgetreten und in die katholische Kirche konvertiert. Er ist seit elf Jahren verheiratet und Vater von sechs Kindern. Derzeit macht er in Heiligenkreuz eine Ausbildung zum Katechisten.




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