Ein neuer 'Aufbruch'

26. Juni 2016 in Kommentar


Welche Art von „Aufbruch“ brauchen wir eigentlich in unserer Kirche? Ein Beitrag von Stefan Fleischer im Rahmen des Sommer-Schreibwettbewerbs von kath.net


Grenchen (kath.net) „Aufbruch“ nennt sich die Zeitschrift einer romkritischen Gruppe bei uns. Ja, unsere Kirche braucht einen neuen Aufbraucht, aber nicht jenen, welcher diese Gruppe fordert. Sie braucht einen neuen Aufbruch zu Gott, zu einer neuen, tiefen Gottesbeziehung, zu einer Rückbesinnung auf das erste und wichtigste Gebot: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“(Dtn 6,5)

„Christlich ist, wo man den Militärdienst verweigert“ erklärte vor vielen Jahren einmal ein Laientheologe in seiner Predigt. Diese Definition ist längt aus dem Vokabular der modernen Theologie verschwunden. Aber die Frage, was christlich eigentlich sei, taucht mit den unterschiedlichsten Antworten immer wieder auf. Meine Überlegungen damals, die sich dann im Lauf der Zeit immer mehr entwickelten, führten mich dazu, mich an Paulus zu halten, der schreibt: „Wenn du mit deinem Mund bekennst: «Jesus ist der Herr» und in deinem Herzen glaubst: «Gott hat ihn von den Toten auferweckt»“ (vgl. Röm. 10,9). Christlich ist immer zuerst der Glaube, dann das Bekenntnis. Nur auf dieser Basis wird unser Handeln christlich. Alles andere tun auch die Heiden.

Bei diesen Überlegungen taucht dann immer auch die Frage auf, ob es tatsächlich christlich ist, wenn oft nur von Jesus gesprochen und der Begriff „Christus“ und/oder der Begriff „Herr“ möglichst vermieden wird. Aus meiner Sicht sollten wir gerade diese beiden Worte wieder bewusst, und wo immer möglich, ins Spiel bringen. Nur dadurch kann uns selber und dann unseren Mitmenschen immer neu bewusst werde, dass es in der Religion zuerst um Gott und seinen heiligen Willen geht, und erst dann um unsere Wünsche und Träume, und dass das letzte Ziel all unseres Tuns und Lassens das ewige Heil sein muss, unser eigenes sicher, aber auch das unserer Mitmenschen. „Suchet zuerst das Reich Gottes.“ (vgl. Mt. 6,33)

Das Reich Gottes. Gerade die Verwendung dieses Begriffs in der Verkündigung heute, zeigt, wie sehr unsere Kirche zu verweltlichen droht. Einerseits wird bewusst oder unbewusst ausgeklammert, dass dieses Reich Gottes zuerst einmal jenes ewige Reicht ist, zu dem wir und die ganze Welt unterwegs sind. Andererseits werden oft all die mehr oder weniger illusorischen Wünsche und Hoffnungen der Menschen auf eine heile Welt hier und jetzt hinein gepackt. Im Endeffekt geht es dann nicht mehr um das Reich Gottes, sondern um ein Reich von uns Menschen.

Umkehr zu Gott bedeutet also, Gott wieder mehr, wieder immer und überall, ins Spiel zu bringen, uns seiner und seiner Rolle in unserem Leben immer besser bewusst zu werden, was dann ganz automatisch dazu führt, uns immer mehr um eine tiefe, ganz persönliche Beziehung zu diesem unseren einen Gott in drei Personen zu bemühen. Christlich so gesehen ist also leben aus einer bewussten Beziehung zu Christus, unserem Herrn und Gott, der in der Einheit mit dem Geist, mit Gott dem Vater lebt und herrscht in alle Ewigkeit.

Damit diese Beziehung gelinge ist es nötig, dass wir uns immer wieder das erste und wichtigste Gebot vor Augen halten (und es dann auch verkünden, denn: „Wes das Herz voll ist, des läuft der Mund über“): „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ Hand auf’s Herz! Wie wichtig ist uns dieses Gebot? Ich auf alle Fälle muss immer wieder feststellen, dass Gott in meinem Leben, wie auch im Leben der ganzen Welt, ja oft sogar im Leben der Kirche, eindeutig zu kurz kommt. Diesen neuen Aufbruch zu Gott haben wir immer und immer wieder nötig. Machen wir uns also auf, besser heute als morgen. Und wenn wir nicht wissen, wo und wie wir dies anpacken sollen, versuchen wir es doch einfach einmal mit der Dankbarkeit. „Dankbarkeit ist ein anderes Wort für Liebe.“ Mit der Dankbarkeit können wir Gott unsere Liebe zeigen, selbst wo unser Herz (noch) schweigt. Und diese Dankbarkeit drängt uns dann zum Lob seiner Grösse und Liebe einerseits, und zum Handeln nach seinem Willen, zu tun was ihn freut, andererseits.

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Zu meiner Person: 1938 in einer gut katholischen Familie geboren, bin ich noch vorkonziliar aufgewachsen. Ich war Messdiener, besuchte das Internat der Redemptoristen, erlebte den Umbruch mit, war lange Zeit Kommunionhelfer. Ohne Gymnasialabschluss oder Berufslehre wurde ich schlussendlich doch als Prokurist in der Organisationsabteilung der Generaldirektion einer Grossbank pensioniert. Ich bin glücklich nun schon 48 Jahre verheiratet, Vater von vier erwachsenen Kindern. Mit dem Schreiben begann ich erst gegen Ende meiner Berufslaufbahn, Leserbriefe, Kurztexte (auch kath.net hat schon Gastbeiträge von mir veröffentlicht), Aphorismen und dann auch drei kleine Büchlein. Das ist für mich zu meinem Hobby geworden. Das breite Publikum aber reagiert auf meine Gedanken meist wie damals die Athener bei Paulus: „Darüber wollen wir Dich ein andermal hören.“


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