Piusbrüder-Oberer: 'Wir sind keine Schismatiker'

22. Juni 2016 in Interview


Fellay: "Bischofsweihen, die 1988 zur Exkommunikation führten, waren äußerlich gesehen Tat des Ungehorsams, aber nicht die Ablehnung der Autorität" - Unter Papst Franziskus kommen sich Rom und die Bruderschaft immer näher


Salzburg (kath.net/KAP) "Wir haben immer den Primat des Papstes anerkannt" und "wollten um nichts in der Welt eine Trennung von Rom": Das stellte der Generalobere der Piusbruderschaft, Bernard Fellay (Archivfoto), am Dienstag in einem Interview mit den "Salzburger Nachrichten" klar. Auch wenn jene Bischofsweihen, die 1988 zur Exkommunikation des Piusbruderschafts-Gründers Marcel Lefebvre und der von ihm geweihten Bischöfe geführt haben "äußerlich gesehen, eine Tat des Ungehorsams waren", so seien sie als eine Art Akt der Notwehr zu sehen gewesen: "Wir sind keine Schismatiker, wir sind nicht von der Kirche getrennt", so Fellay.

2009 hob Benedikt XVI. die Exkommunikation der Piusbruderschaft auf. Bedeutsam sei dieser Schritt nur in dem Sinne gewesen, dass Benedikt XVI. damit anerkannt habe, "dass wir keine Rebellen sind, dass wir keine Parallelkirche aufgebaut haben, sondern Teil der römisch-katholischen Kirche sind". Wesentlich war für den Oberen auch die Feststellung Benedikt XVI. im Jahr 2007, dass die Tridentinische Messe nie verboten war.

Annäherung zwischen Rom und Bruderschaft

Seit der Amtsübernahme durch Papst Franziskus kommen sich Rom und die Bruderschaft immer näher. Die weiterhin unerlaubt durchgeführten Priesterweihen innerhalb der Bruderschaft werden laut Falley von Rom in vollem Wissen geduldet: "Ich weiß es", so der Ordensobere. Und auch die von Papst Franziskus für das Jahr der Barmherzigkeit erteilte Erlaubnis, bei Priestern der Bruderschaft zu beichten, werde über das Heilige Jahr hinaus weiter gelten.

Trotz aller Annäherung - zuletzt etwa hatte Papst Franziskus eine solche in einem Interview in der französischen Tageszeitung "La Croix" bestätigt - bleibe die Piusbruderschaft bei ihrer prinzipiellen Kritik in Fragen der Religionsfreiheit, der Ökumene und der Kollegialität der Bischöfe: "Tatsächlich haben wir Einwände in den drei Punkten", so Fellay. So beharre er etwa im Blick auf den ökumenischen sowie den interreligiösen Dialog auf der Alleinstellung der katholischen Kirche: Dies sei "die einzig wahre Religion, die einzige, die den Menschen retten kann". Eine als Toleranz gegenüber Andersgläubigen verstandene Ökumene lehnt er deshalb ab. Ebenso bleibe eine unüberbrückbare Distanz zum Judentum: "Eine Religion, die Christus als Sohn Gottes ablehnt, ist gegen das Christentum gerichtet."

Angesprochen auf die Kollegialität der Bischöfe meinte Fellay: "Kein Bischof darf Anspruch auf Teilhabe an der Leitung der Kirche erheben, wenn er nicht mit dem Papst ist und unter dem Papst steht." Dieser sei "Alleinherrscher". Den Holocaust betrachtet er als "Tragödie wie jeder Völkermord" auch, gegen den sich die Kirche stets ausgesprochen habe. "So auch wir."

Getrennte Wege seit 1988

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. ist seit 1988 von Rom getrennt. Sie wurde 1969 vom französischen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) gegründet und lehnt die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) ab. Streitpunkte sind vor allem Liturgie, Religionsfreiheit und Ökumene. Die Konzilslehren hätten die Tradition der Kirche zerstört, so Lefebvre, der selbst am Konzil teilnahm. Die Piusbruderschaft sieht sich als Bewahrerin der Tradition der "Heiligen Römischen Kirche".

Papst Benedikt XVI. (2005-2013) nahm Gespräche über eine mögliche theologische Einigung mit der Bruderschaft auf. Dafür hob er 2009 die Exkommunikation der Pius-Bischöfe auf. Diese haben damit die Rechte katholischer Laien; die Ausübung kirchlicher Ämter ist ihnen aber weiter untersagt. Der Gesprächsprozess kam im Frühjahr 2012 ins Stocken. Zuletzt hatte Papst Franziskus in einem Interview mit der französischen Tageszeitung "La Croix" bestätigt, dass man im Dialog "langsam und mit Geduld voran" komme. Die Piusbruderschaft wiederum hatte im Februar eine Äußerung des Lefebvrianer-Bischofs Alfonso de Galarreta veröffentlicht, derzufolge der Papst "in Richtung einer einseitigen Anerkennung der Bruderschaft" gehe.

Kritik an der jüngsten Annäherung hatte zuletzt der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück geäußert: Eine solche, angeblich von Papst Franziskus in Aussicht gestellte kirchliche Wiederaufnahme ohne Vorbedingungen bzw. vorherige Klärung der offenen theologischen Streitpunkte sei ein "trojanisches Pferd" für die Kirche: Die Piusbruderschaft stehe für "Antimodernismus, Antijudaismus, Intoleranz gegenüber anderen Religionen, Integralismus im Staat-Kirche-Verhältnis" - dies wäre nicht weniger als "semantisches Dynamit von einiger Sprengkraft", schrieb Tück in einem Gastbeitrag für die "Neue Zürcher Zeitung".

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