Bedeutsamer Papstbesuch für die armenische Kirche

20. Juni 2016 in Weltkirche


Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches wurden die Armenier zur Zielscheibe nationalistischer Türken, die einen islamischen Staat propagierten. Das gipfelte um die Jahre 1915 im Genozid an den Armeniern. Gastbeitrag von Adrienne Suvada


Rom (kath.net) Armenien ist ein Land, das man normalerweise nicht kennt. Ab und an rückt der Genozid an den Armeniern, diesen Binnenstaat im Kaukasus in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Armenien ist aber ein Land mit einer grossen christlichen Tradition. Es gilt als das erste Land, das das Christentum zur Staatsreligion erklärt hat. Üblicherweise nennt man das Jahr 301 n.C., aber die Historiker halten eher die Jahre 313 und 314 für wahrscheinlicher. Armenien hat eine sehr wechselhafte Geschichte. Es gab Königreiche, genauso wie Teilungen. Nach langer sowjetischer Herrschaft, wurde Armenien im Jahr 1991 unabhängig.

Christentum als DNA

Das Christentum ist ein fundamentaler Bestandteil der Armenier. Für viele Armenier ist das Christentum Teil ihrer DNA. Rund 92% halten sich für religiös, allerdings zeigen die Statistiken, dass nur 1 von 10 die Heilige Messe regelmässig besucht. Die armenische Kirche gibt es in zwei Ausprägungen, die orthodoxe oder apostolische Kirche hat ihren Sitz in Armenien (Etchmiadzin), die katholische Kirche hat ihren Sitz im Libanon (Beirut). Die armenisch‐katholische Kirche ist Teil der Orientalischen Kirchen und mit Rom uniert. Für beide Kirchen, sowie für ganz Armenien, ist Mesrop Maschtoz sicher einer der bedeutendsten Heiligen. Der Mönch entwickelte ein Alphabet für die armenische Sprache, das aus 36 Buchstaben besteht. So war es möglich die Bibel zu übersetzen. Das armenische Alphabet war auch die Grundlage für die Entwicklung eines eigenen armenischen Ritus.

Die Entstehung des katholischen Patriarchats

Die armenische Kirche konnte nicht an den beiden Konzilien von Ephesus (431 n.C.) und Chalcedon (451 n.C.) teilnehmen. Die Übersetzungen waren sehr ungenau und die armenische Kirche verwarf vor allem die Beschlüsse von Chalcedon. Innerhalb der armenischen Kirche gab es aber stets Gläubige, die sich der römisch‐katholischen Kirche zugehörig fühlten. Besonders Abt Mechitar, der Begründer des Mechitaristen Ordens, war überzeugt, dass eine Einheit mit Rom möglich war. Die Gründung des Ordens konnte nicht in Armenien erfolgen, so wurde sie 1717 in Venedig durchgeführt. Der erste armenischkatholische Katholikos, wie das Oberhaupt der armenischen Kirche genannt wird, war Abraham Ardzivian, somit war im Jahre 1742 das armenisch‐katholische Patriarchat Wirklichkeit geworden.

Der Genozid mit Folgen bis heute

Das bedeutendste und zugleich tragischste Ereignis war der Genozid an den Armeniern, der seinen Höhepunkt im Jahr 1915 erreicht hat. Rund 1,5 Mio. Armenier wurden umgebracht. Im Osmanischen Reich waren die Armenier schon immer präsent. Sie waren eine angesehene Elite und wurden, wie andere religiöse Gemeinschaften, toleriert. Der Zusammenbruch des Osmanischen Reiches veränderte auch die Situation der Armenier. Sie wurden zur Zielscheibe nationalistischer Türken, die einen islamischen Staat propagierten. Schon vor 1915 gab es immer wieder Tötungen von Armeniern. Der Erste Weltkrieg entpuppte sich für die Jungtürken als idealer Zeitpunkt, um die Armenier zu eliminieren. Die Hauptverantwortlichen waren Enver Pascha, Cemal Pascha und Talaat Pascha. Am 21. April 1915 gab die türkische Regierung die Weisung zur Eliminierung der Armenier, auch wenn in den Wochen zuvor bereits rund 20.000 Armenier getötet wurden. Der Genozid begann am 24./25. April 1915. Armenische Intellektuelle wurden zuerst getötet. Die restlichen Armenier wurden in größere Dörfer getrieben und entweder direkt dort getötet oder auf lange Märsche durch die Wüste nach Syrien geschickt. Bis heute gibt es keine präzisen Zahlen über die Zahl der Getöteten. Man schätzt, dass im Osmanischen Reich rund 2 Mio. Armenier gelebt haben. Die türkische Seite spricht von 300‘000 Toten, andere Historiker nennen 1,5 Mio. getötete Armenier. Die Türkei erkennt den Völkermord bis heute nicht an.

Der Papstbesuch als wichtiges Zeichen

Der Genozid hat nach wie vor einen bedeutenden Einfluss auf die Identität vieler Armenier. Der Glaube wurde dadurch sicherlich gestärkt. Viele Armenier fanden eine Heimat im Nahen Osten, doch auch von hier mussten viele später fliehen und befinden sich deshalb in der Diaspora. Die armenisch‐katholische Kirche spricht in den Statistiken von rund 500.000 Gläubigen. Tatsächlich gibt es aber etwa 1 Mio. armenisch‐katholische Gläubige. Der Hauptsitz im Libanon vereinfacht die Situation nicht. Die größte Quelle für Priesterberufungen war in Syrien. Durch den syrischen Bürgerkrieg wurde die dortige armenische Gemeinschaft in ihren Grundfesten erschüttert. Die armenisch‐katholische Kirche verfügt nur über 18 Bischöfe, die sich um die weltweit verstreuten Gläubigen kümmern müssen. Die Ressourcen sind also ein großes Problem für diese Kirche. Der Papstbesuch in Armenien ist ein sehr wichtiges Zeichen für alle Armenier, es stärkt aber auch die Position der armenisch‐katholischen Kirche. Nach wie vor, gibt es Spannungen in Armenien selbst und auch mit den orthodoxen Armeniern. Der Papstbesuch ist einerseits wichtig für die Ökumene, aber er gibt der armenisch‐katholischen Gemeinschaft auch Kraft, um ihren Ritus und ihren Glauben zu kämpfen. Die Zukunft dieser Kirche bleibt ungewiss, vor allem was die Situation im Nahen Osten anbelangt.

Statistische Daten:
Armenien liegt zwischen Georgien, Aserbaidschan, Iran und der Türkei.
Fläche 29‘800 km2
Einwohner rund 3 Mio.
Unabhängigkeit 21. September 1991
Gläubige armenisch‐apostolische Kirche rund 9 Mio.
Hauptsitz in Etchmiadzin (Armenien)
Patriarch Karekin II.
Gläubige armenisch‐katholische Kirche rund 500‘000 (offiziell), geschätzt 1 Mio.
Hauptsitz in Beirut (Libanon, Bzommar)
Patriarch Krikor Bedros XX. Gabroyan

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