Warum spricht keiner über die islamische Homophobie?

15. Juni 2016 in Kommentar


Wenn der Islam, wie wir ihn gerade weltweit kennen lernen, jemals tatsächlich in Deutschland etwas zu melden hat, dann müssten wir Katholiken irgendwann die Rechte der Homosexuellen verteidigen. Gastkommentar von Birgit Kelle


Köln (kath.net/Wirtschaftswunder.at) Im Dezember 2012 saß ich das erste Mal zum Thema „Homoehe“ in einer Talkshow, damals schien es nichts Dringenderes zu geben, das in Deutschland ohne den geringsten aktuellen Aufhänger ständig diskutiert werden musste. Nach der Sendung bei Plasberg hagelte es bestimmt ein halbes Dutzend weiterer Einladungen zu TV- Sendungen in Deutschland und auch Österreich. Thema immer wieder: „Homoehe“, „Adoptionsrecht für Homosexuelle“ usw. Die erste Anfrage kam damals von Günther Jauch, die zweite dann von Anne Will und ich habe beiden Redaktionen wie allen folgenden mit der gleichen Begründung und der gleichen Anregung abgesagt.

Das Setting dieser Runden war nämlich immer das gleiche:

Man nehme ein schwules, alternativ lesbisches Pärchen, das seit gefühlt 100 Jahren zusammen lebt und mit großer Liebe ein Kind groß zieht, das jetzt heiraten und noch weitere Kinder haben will, also homosexueller Durchschnitt – Ironie off. Ein-zwei schwule Politiker, bevorzugt aus der CDU, eine Mutter oder einen Vater mit schwulem oder lesbischem Kind, und was fehlt dann noch: Logisch, die konservative, katholische Spaßbremse. Das sollte dann mein Part sein.

Gleichwohl war es auch die Zeit, nachdem Bundespräsident Christian Wulff uns belehrt hatte, der Islam gehöre zu Deutschland. Eine steile These, die bis heute in der Bevölkerung nicht ausdiskutiert ist.

Meiner bescheidenen Meinung nach hauptsächlich deswegen, weil es grundsätzlich die falsche Frage ist, ob der Islam zu Deutschland gehört. Die diskutable Frage wäre allerhöchstens, ob der Islam zu Deutschland und seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehören will. Das wiederum wäre eine Frage, die die Muslime unter sich klären müssten, anstatt, dass sich ständig mehr oder minder begabte deutsche Korankenner in deutschen Talkshows gegenseitig widersprechende Suren an den Kopf werfen. Ob der Islam sich also dem Grundgesetz unterwerfen will, ist eine Fragestellung, die von allen islamischen Gemeinden in Deutschland noch zu beantworten wäre.

Und deswegen habe ich damals dem Redakteur von Günther Jauch und später ebenso den Kollegen von Anne Will und Co. am Telefon neben meiner Absage die Empfehlung hinterlassen, sie mögen doch bitte endlich auch einmal einen Imam zum Thema „Homoehe“ einladen. Denn wenn der Islam jetzt zu Deutschland gehöre, sei es nahezu unanständig, immer nur mit Vertretern der katholischen Kirche über dieses Thema zu diskutieren. Der Redakteur war hörbar kurz aus der Fassung: „Daran habe ich ehrlich gesagt noch nie gedacht“, sagte er zu dem Vorschlag. Logisch, ist ja auch viel einfacher, das Publikum mit Katholiken-Bashing zu unterhalten. Und auch ganz ungefährlich. Ich habe ihm dann noch erklärt, dass es einfach billig sei, sich bei diesem Thema nur an Katholiken abzuarbeiten oder beim Thema Islam immer nur bei Kopftuch, Burka und Frauenrechten stehen zu bleiben und den gesamten Themenkomplex der Homosexuellen einfach totzuschweigen. Wegen Katholiken habe kein einziger Schwuler in Deutschland irgendetwas zu befürchten. Wenn der Islam, wie wir ihn gerade weltweit kennen lernen dürfen, aber jemals tatsächlich in Deutschland etwas zu melden hat, dann müssten wir Katholiken irgendwann in Deutschland auf die Straße gehen, um die Rechte der Homosexuellen zu verteidigen. Und, dass ich dann selbst Vorne in der ersten Reihe mitlaufen würde, weil es mein christlich-katholischer Glaube gebietet, sich schützend vor andere Menschen zu stellen. Das war im Januar 2013, ich habe diese Aufforderung an verschiedene Redaktionen seither vielfach wiederholt.

Weder die von Günther Jauch, noch die von Anne Will, noch irgendeine der anderen Redaktionen, mit denen ich das jemals diskutiert habe, hatte den Mut, diese Debatte zu eröffnen. Es fanden sich statt mir immer auch andere christliche Prügelknaben für die Sendungen. Das Problem ist aber geblieben. Am Wochenende hat es sich gerade erstmals in Orlando entladen.

Das, so kann man sich nun einbilden, ist weit weg von uns und hat mit uns nichts zu tun.

Daran sind sicher nur die liberalen Waffengesetze der USA, Donald Trump persönlich oder irgendwie die Bushs schuld. Und war das nicht ein verwirrter, psychisch labiler Einzeltäter ohne weitere Motive?

Ja, so in der Art muss das gewesen sein, jedenfalls, wenn man deutsche Nachrichten zu Orlando seit gestern verfolgt.

In vielen Redaktionen scheut man es, zu benennen, was inzwischen offensichtlich ist, nämlich dass wir es – wieder einmal – mit einem religiösen, islamische Fanatiker zu tun haben, der sich offenbar gezielt diesmal die Opfergruppe der Homosexuellen herausgesucht hat. Jemand, der nicht unbekannt war beim FBI, vorher schon auffiel und Kontakte zum IS gehabt haben soll. Heute Morgen in den 8-Uhr-Nachrichten des WDR Radios, die ich autofahrend ertrug, schaffte es die Nachrichtensprecherin, das Massaker in Orlando als Nachricht zu verlesen, ohne das Wort Islam oder IS überhaupt in den Mund zu nehmen. Stattdessen wurden die Hörer davon in Kenntnis gesetzt, dass er nach Aussage seiner Ex-Frau wohl aufbrausend gewesen sein muss, dass er Kontakte zu „einer“ Terrororganisation hatte – vielleicht war es ja die RAF? – um dann noch die Fragestellung aufzuwerfen, wieso so ein Mann in den USA eine Waffe erwerben darf. Damit war aus WDR-Sicht die Welt wieder in Ordnung. Es war nicht etwa ein islamistischer Fanatiker in Orlando am Werke gewesen, der sich mit Kontakten zum IS brüstete, sondern ein aufbrausender Ex-Ehemann, der leider wegen der starken Waffenlobby nicht daran gehindert werden konnte, an ein Maschinengewehr zu gelangen. Das war fast so gut wie damals, als uns ebenfalls der WDR in einem Kommentar 2011 erklärt hatte, dass Osama Bin Laden ja auch liebender Familienvater gewesen sei.

Die FAS machte sich übrigens bereits am Sonntag Sorgen, ob das ganze jetzt dem Präsidentschaftskandidaten Donald Trump nutzen wird und ihm zum Sieg verhilft. Vlg: Frankfurter Allgemeine am Sonntag.

Während also noch Dutzende von Opfern in den Krankenhäusern um ihr Leben ringen, wird in Deutschland schon aufgeregt die wichtigste Frage diskutiert: Um Himmels Willen nicht Trump! Nun sieht es so aus, dass aber genau das eintreffen wird, weil man auch in USA ja diesen Reflex kennt, dass nichts mit nichts und schon gar nichts mit dem Islam zu tun haben darf. Noch im Januar 2015 twitterte die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton „Let`s be clear: Islam isn`t our enemy. Hateful rhetoric against Muslims isn`t just wrong, it plays into terrorists` hands. #GOPdebate.“

Da liegt die gute Hillary leider insofern falsch, als es eben nicht Terroristen in die Hände spielt, sondern dem politischen Gegner, wenn die Regierung sich Diskussionen wie denen über islamistischen Terror verweigert. Eine Erfahrung die man in Deutschland ja auch kennt. Und so ist zu erwarten, dass Clinton ihre Tweets aus dem Januar jetzt vor die Füße geworfen werden, weil sie durch die Realität eingeholt wurden, und es Trump in der Tat nutzen wird. Genauso, wie es in Deutschland einzig und allein der AfD nutzt, wenn die Regierung sich den gleichen Debatten verweigert.

Ganz großes Kino sind außerdem jetzt die deutschen Diskussionen, ob es sich bei dem Täter von Orlando nun um einen islamistischen oder um einen homophoben Täter gehandelt haben soll. Das eine hat ja bekanntlich in Deutschland nie etwas mit dem anderen zu tun. Das wiederum bringt einen wieder einmal zur Domplatte von Köln. Dort hatten ja die Übergriffe auf Frauen offiziell auch nichts mit dem ethnischen oder gar religiösen Hintergrund der Täter zu tun. Analog muss der Schwulenhass des Täters in Orlando quasi vom Himmel gefallen sein und ist vermutlich einfach nur Ausdruck einer systematischen, flächendeckenden Homophobie der amerikanischen Gesellschaft. Und zwar #ausnahmslos.

Merke übrigens auch, religiöse Prägung findet offensichtlich nur bei manchen Religionen ihren Ausdruck in Handlungen und Gesinnungen, während andere frei von niederen Motiven sind. Wer also beispielsweise als Christ ein Problem mit der Anerkennung der „Homoehe“ hat, aber ansonsten friedlich neben seinen schwulen Nachbarn wohnt, ist religiös verblendet, hasserfüllt, homophob und ein Katholiban. Wer hingegen als Muslim Schwule mit dem Maschinengewehr abknallt, ist geistig verwirrt, aufbrausend und Opfer der Möglichkeiten des amerikanischen Waffenrechtes, aber Gott sei Dank religiös unmotiviert.

In Köln waren es „nur“ Frauen, die in einem für Deutschland ganz neuen Phänomen der Zusammenrottung von jungen Männern massenweise sexuell genötigt und missbraucht wurden. Einem Phänomen, das sich derzeit auf Musikfestivals wiederholt, wie in Berlin und Darmstadt passiert. Einem Phänomen, das in skandinavischen Ländern ebenfalls seit längerem ein Problem darstellt.

Anstatt die Dinge beim Namen zu nennen, flüchtet sich die Politik in die Behauptung eines gesamtgesellschaftlichen, sexistischen Phänomens.

Bis heute müssen sich diejenigen als Rassisten beschimpfen lassen, die auf ein Schema bei den Tätern hinweisen. Das Mantra, nichts habe mit nichts zu tun, muss schließlich beatmet werden. Wollen wir nun erst warten, bis die nächste Opfergruppe dran ist, oder uns endlich dem Problem oder wenigstens der Debatte stellen? Wer heute im Rudel Frauen begrapscht, jagt morgen wieder Schwule durch die Straßen. Wir haben es neuerdings mit Zuwanderern zu tun, die aus Ländern kommen, in denen das nicht einmal Unrecht ist. Manche gar aus Ländern, die Homosexuelle noch an Bäumen aufhängen. Wer die Augen verschließt oder keine Zusammenhänge sehen will, versündigt sich an den Opfern von morgen.

Ich dachte, diese Zeiten seien für Deutschland für immer vorbei. Ich will nicht auf die Straße gehen müssen, um die Rechte von Homosexuellen zu verteidigen. Aber ich würde es tun.

Über den Autor: Birgit Kelle wurde am 31. Januar 1975 in Heltau geboren. Kelle arbeitet als Autorin für verschiedene Print- und Onlinemedien, bis Sommer 2015 war sie Kolumnistin bei „The European“. 2013 erschien ihr erstes Buch „Dann mach doch die Bluse zu“, im März 2015 die Gendersatire „Gendergaga“ (beide ADEO). Birgit Kelle schreibt für alle, die noch nicht komplett durchgegendert sind. Für Frauen, die gerne Frau sind, für Männer, die solche bleiben wollen, und für alle, denen der tägliche Wahnsinn noch nicht den Humor geraubt hat. Sie moderiert beim Internetradio King.FM eine wöchentliche Sendung (www.kingfm.net). Wegen ihrer beharrlichen Feminismus-, Quoten- und Gender-Kritik gilt sie wahlweise als „Antifeministin“ (Focus), „Anwältin der Hausfrauen“ (WAZ) oder als „Wutmutter“ (Cicero). Kelle ist Vorsitzende des Vereins Frau 2000 plus e.V., im Vorstand von New Women For Europe (Brüssel), verheiratet und Mutter von vier Kindern. Ihr Geschlecht ist eindeutig weiblich.

Dieser Beitrag wurde zuerst auf "Wirtschaftswunder.at" veröffentlicht.

kath.net-Lesetipp:
GenderGaga
Wie eine absurde Ideologie unseren Alltag erobern will.
Von Birgit Kelle
Hardcover, 192 Seiten
2015 Adeo
ISBN 9783863340452
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Frauen - Kinder - Genderfragen mit der Journalistin Birgit Kelle (Walberberger Gespräche 2014)


Foto Birgit Kelle (c) Birgit Kelle



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