Knackpunkte der Annäherung: Schrift, Synode oder Papst?

3. Juni 2016 in Weltkirche


In der katholischen Kirche hat der Papst das letzte Wort. Anders sieht es bei evangelischen und orthodoxen Christen aus. Doch was am Ende wirklich gilt, darüber sprachen in München Theologen verschiedener Konfessionen. Von Gabriele Riffert (KNA)


München (kath.net/KNA) Roma locuta, causa finita - Rom hat gesprochen, die Sache ist entschieden. Das gilt bei den Katholiken. Doch wie sieht es bei evangelischen und orthodoxen Christen aus? «Schrift, Konzil oder Papst - Wer hat das Sagen?» lautete jetzt der Titel einer Veranstaltung in der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Geladen hatte die Eugen-Biser-Stiftung im Rahmen einer ökumenischen Veranstaltungsreihe zu den Perspektiven katholischer, protestantischer und orthodoxer Theologie. Gekommen waren gut 150 Teilnehmer.

Die zugespitzte Ausgangsfrage legt nahe, dass die drei vertretenen Konfessionen jeweils ihre eigene letzte Entscheidungsinstanz haben: den Papst bei den Katholiken, die Schrift bei den Protestanten und die Synode bei den Orthodoxen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn jede Konfession braucht alles: Leitung, gemeinschaftliche Strukturen und natürlich die Schrift.

Die Heilige Schrift und konziliare Strukturen seien in der katholischen Kirche von grundlegender Bedeutung, sagte der katholische Dogmatiker Bertram Stubenrauch: «Doch das Papstamt gehört zur Vollgestalt der Kirche Jesu Christi.» Allerdings sei dessen Ausgestaltung verhandelbar. Denn dieses Amt bestehe nicht um seiner selbst, sondern um des Dienstes an der Einheit der Kirche willen.

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) habe die im Vorgängerkonzil erfolgte Erhöhung des Papstamts «entschärft» und den Papst ins Kollegium der Bischöfe hineingeholt. «Er ist kirchlicher Amtsträger, nicht Miterlöser», betonte Stubenrauch. Deshalb plädierte er für die Abschaffung des päpstlichen Ehrentitels «Stellvertreter Christi», da die Bezeichnung missverständlich sei. Das Jurisdiktionsprimat des Papstes hält Stubenrauch allerdings für richtig, damit der Papst «kein Frühstücksdirektor» werde und der Einheitsdienst nicht zum bloßen Ehrenamt schrumpfe.

Der evangelische Theologe Jörg Frey hob die Bedeutung der Heiligen Schrift als «normierende Norm» für seine Kirche hervor. Die Entscheidungen jeder Kirchenleitung seien anfällig für Fehler. Frey, der gelegentlich auf der Züricher Zwingli-Kanzel predigt, führte an, dass zu Zwinglis Lebzeiten das Wurstessen einer Gruppe Christen in der Fastenzeit vom Konstanzer Bischof als Sünde bezeichnet und mit Exkommunikation bestraft wurde. Dies sei ein Musterbeispiel für die zeitbedingte Einschätzung von «Sünde». Dabei müsse es aber um die Frage gehen, was vor Gott Sünde sei. Die Schrift sei dafür unverzichtbar.

Allerdings müsse die Schriftauslegung an eine Lesegemeinschaft rückgebunden sein, der auch Theologen angehörten, so Frey. Sonst bestehe die Gefahr, dass Fundamentalisten bei der wörtlichen Auslegung kräftig in die Irre gingen. Aber auch kenntnisreiche Exegese bringe keine letzte Sicherheit, denn die verschiedenen Autoren hätten ihre je eigene Perspektive eingebracht. «Waren die letzten Worte Jesu am Kreuz nun 'Mein Gott, warum hast du mich verlassen?' oder doch 'Es ist vollbracht?'.»

Die Bibel ist uns entglitten, das ist das Problem von uns Protestanten«, erklärte Frey den sehr unterschiedlichen Schriftzugang der verschiedenen Strömungen in seiner Konfession. »Dennoch wäre die Kirche ohne Schrift nicht mehr die Kirche.«

Die orthodoxe Kirche könne weder die katholische Eigenständigkeit des Papstamtes noch die evangelische der Schrift übernehmen, erklärte Konstantinos Nikolakopoulos, der seit 25 Jahren an der LMU lehrt. Jesus Christus sei die Quelle des christlichen Lebens. »Zuerst war die Gemeinde da, die Kirche. Und innerhalb dieser urkirchlichen Situation ist die Schrift nach und nach entstanden«, verdeutlichte er die Haltung seiner Konfession.

»Die Kirche manifestiert die Schrift, nicht umgekehrt.« Deshalb seien die Kirchenväter als Ausdeuter der Schrift für die orthodoxen Gläubigen wichtig und deshalb sei das synodale Element in seiner Konfession so stark ausgeprägt. In den Bischofssynoden werde regelmäßig überprüft, wie sich das fortlaufende Leben mit der Tradition und der Schrift verbinden lasse. Und in einem waren sich alle drei Theologen einig: Das »sich ständig Reformieren« gilt für alle drei Konfessionen.

Habemus papam - Historische Zusammenstellung von 1939 bis 2013


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