Das Gebet ist das wahre Heilmittel für unser Leiden

5. Mai 2016 in Aktuelles


Franziskus bei der Gebetsvigil ‚zum Trocknen der Tränen’: Wie viele Tränen werden vergossen in jedem Augenblick in der Welt. Zusammen bilden sie gleichsam einen Ozean der Trübsal, der nach Erbarmen, Mitleid und Tröstung ruft. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Der Herr tröstet uns. Wir alle sind gerufen, unsere Nächsten zu trösten und zu bezeugen, dass nur Gott die Ursachen der Dramen beseitigen kann“: so Papst Franziskus in einem Tweet am Vormittag des Hochfests Christi Himmelfahrt. Am Abend stand der Papst dann der Feier der Gebetsvigil „zum Trocknen der Tränen“ in der Petersbasilika vor.

Zu diesem Moment des Gebets wurde das Reliquiar der Gottesmutter der Tränen aus Syrakus (Sizilien) ausgestellt. Es wurde für alle Leidenden, Ausgeschlossenen, für die Kinder, die Opfer von Missbräuchen sind, die Verlassenen, die Häftlinge und alle Leiden der Menschheit gebetet. Das Reliquiar der Gottesmutter der Tränen steht im Zusammenhang mit einem wundersamen Ereignis, zu dem es 1953 im Haus eines jungen Ehepaares gekommen war: ein Marienbild aus Gips hatte menschliche Tränen geweint.

Der stärkste Moment der Vigil waren die Zeugnisse einer vom Drama des Selbstmords eines Kindes erschütterten Familie, eines Flüchtlings aus Pakistan, der wegen seines Glaubens verfolgt wurde, und eines jungen Mannes, der den Sinn für das Leben verloren und diesen Dank des Glaubens seiner Mutter und seines Zwillingsbruders wiedergefunden hatte.

Während der Feier ließ der Papst an die Anwesenden ein von ihm gesegnetes „Agnus Dei“ als Symbol des Trostes und der Hoffnung verteilen. Das „Agnus Dei“ ist eine ovale Plakette aus weißem Wachs, auf dessen einer Seite das Osterlamm eingeprägt ist, während die andere das Symbol des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit zeigt.

„Im Moment der Fassungslosigkeit, der Ergriffenheit und des Weinens steigt im Herzen Christi das Gebet zum Vater auf. Das Gebet ist das wahre Heilmittel für unser Leiden“, so Franziskus in seiner Predigt: „Auch wir können im Gebet die Gegenwart Gottes an unserer Seite spüren. Die Zärtlichkeit seines Blickes tröstet uns, die Kraft seines Wortes stärkt uns und flößt uns Hoffnung ein. Jesus betete am Grab des Lazarus und sagte: »Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich wusste, dass du mich immer erhörst« (Joh 11,41-42). Wir brauchen diese Gewissheit: Der Vater erhört uns und kommt uns zu Hilfe.

Die Liebe Gottes, die in unsere Herzen ausgegossen ist, erlaubt uns zu sagen: Wenn man liebt, kann nichts und niemand uns von den Menschen, die wir geliebt haben, losreißen. Daran erinnert uns der Apostel Paulus mit sehr trostreichen Worten: »Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? […]

Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn« (Röm 8,35.37-39). Die Kraft der Liebe verwandelt das Leiden in die Gewissheit des Sieges Christi – und des unsrigen mit ihm – und in die Hoffnung, dass wir eines Tages wieder zusammen sein und für immer das Antlitz der Heiligsten Dreifaltigkeit, der ewigen Quelle des Lebens und der Liebe, betrachten werden.“


kath.net veröffentlicht die Predigt von Papst Franziskus bei der Gebetsvigil zum „Trocknen der Tränen“ am Hochfest Christi Himmelfahrt:

Brüder und Schwestern,

nach den ergreifenden Zeugnissen, die wir gehört haben, und im Licht des Wortes des Herrn, das unsere Situation des Leidens erhellt, erbitten wir vor allem die Gegenwart des Heiligen Geistes, dass er in unsere Mitte komme. Möge er unseren Geist erleuchten, damit wir die rechten Worte zu finden, die fähig sind, Trost zu spenden; möge er unser Herz öffnen, damit wir die Gewissheit der Gegenwart Gottes haben, der uns in der Prüfung nicht verlässt. Jesus, der Herr, hat seinen Jüngern versprochen, er werde sie nie allein lassen: In jeder Lebenslage werde er ihnen nahe sein und ihnen den Heiligen Geist als Beistand senden, der ihnen helfen, sie unterstützen und sie stärken werde (vgl. Joh 14,26).

In den Momenten der Traurigkeit, im Leiden der Krankheit, in der Angst der Verfolgung, im Schmerz der Trauer sucht jeder nach einem Wort des Trostes. Ganz deutlich spüren wir das Bedürfnis, dass jemand uns nahe ist und Mitleid mit uns hat. Wir erfahren, was es bedeutet, orientierungslos, verwirrt, und zutiefst getroffen zu sein, wie wir es uns nie vorgestellt hatten. Unsicher schauen wir uns um, um zu sehen, ob wir jemanden finden, der unseren Schmerz wirklich verstehen kann. Der Geist füllt sich an mit Fragen, aber die Antworten bleiben aus. Der Verstand ist alleine nicht fähig, Licht ins Innere zu tragen, den Schmerz, den wir erfahren, zu erfassen und die Antwort zu geben, die wir erwarten. In diesen Momenten brauchen wir mehr die Gründe des Herzens – die einzigen, die imstande sind, uns das Geheimnis begreifen zu lassen, das unsere Einsamkeit umgibt.

Wie viel Traurigkeit können wir entdecken in vielen Gesichtern, denen wir begegnen! Wie viele Tränen werden vergossen in jedem Augenblick in der Welt – eine verschieden von der anderen –, und zusammen bilden sie gleichsam einen Ozean der Trübsal, der nach Erbarmen, Mitleid und Tröstung ruft. Die bittersten sind die, welche von der menschlichen Bosheit verursacht werden: die Tränen dessen, dem ein geliebter Mensch gewaltsam entrissen wurde; Tränen von Großeltern, von Müttern und Vätern, von Kindern… Es gibt Augen, die oft am Sonnenuntergang haften bleiben und denen es schwer fällt, den Anbruch eines neuen Tages zu sehen. Wir brauchen Barmherzigkeit, wir brauchen den Trost, der vom Herrn kommt. Wir alle brauchen ihn; das ist unsere Armut, aber auch unsere Größe: den Trost Gottes zu erflehen, der mit seiner zärtlichen Liebe kommt, um die Tränen von unserem Gesicht abzuwischen (vgl. Jes 25,8; Offb 7,17; 21,4).

In diesem unserem Schmerz sind wir nicht allein. Auch Jesus weiß, was es heißt, über den Verlust eines geliebten Menschen zu weinen. Es ist eine der ergreifendsten Stellen des Evangeliums: Als Jesus Maria den Tod ihres Bruders Lazarus beweinen sah, konnte auch er die Tränen nicht zurückhalten. Es überkam ihn eine tiefe Erschütterung und er weinte (vgl. Joh 11,33-35). Der Evangelist Johannes möchte mit dieser Beschreibung die Teilnahme Jesu am Schmerz seiner Freunde und sein Nachempfinden ihres Kummers zeigen. Die Tränen Jesu haben im Laufe der Jahrhunderte viele Theologen befremdet, vor allem aber haben sie viele Seelen reingewaschen und vielen Verwundungen Linderung verschafft. Auch Jesus hat ganz persönlich die Angst vor Leiden und Tod, die Enttäuschung und den Kummer über den Verrat des Judas und des Petrus und den Schmerz über den Tod seines Freundes Lazarus erfahren. Jesus »verlässt die nicht, die er liebt« (Augustinus, In Joh 49,5). Wenn Gott geweint hat, dann darf auch ich weinen und wissen, dass ich verstanden werde. Das Weinen Jesu ist das Gegenmittel gegen die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden meiner Brüder und Schwestern. Jenes Weinen lehrt mich, mir den Schmerz der anderen zu Eigen zu machen, Anteil zu nehmen am Ungemach und am Leiden derer, die in den schmerzlichsten Situationen leben. Es rüttelt mich auf, um mich die Traurigkeit und die Verzweiflung derer wahrnehmen zu lassen, die erlebt haben, wie ihnen sogar der Leib ihrer Lieben entrissen wurde, und die nicht einmal mehr einen Ort haben, wo sie Trost finden können. Das Weinen Jesu darf nicht ohne eine Antwort derer bleiben, die an ihn glauben. Wie er tröstet, so sind auch wir berufen, zu trösten.

Im Moment der Fassungslosigkeit, der Ergriffenheit und des Weinens steigt im Herzen Christi das Gebet zum Vater auf. Das Gebet ist das wahre Heilmittel für unser Leiden. Auch wir können im Gebet die Gegenwart Gottes an unserer Seite spüren. Die Zärtlichkeit seines Blickes tröstet uns, die Kraft seines Wortes stärkt uns und flößt uns Hoffnung ein. Jesus betete am Grab des Lazarus und sagte: »Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich wusste, dass du mich immer erhörst« (Joh 11,41-42). Wir brauchen diese Gewissheit: Der Vater erhört uns und kommt uns zu Hilfe. Die Liebe Gottes, die in unsere Herzen ausgegossen ist, erlaubt uns zu sagen: Wenn man liebt, kann nichts und niemand uns von den Menschen, die wir geliebt haben, losreißen.

Daran erinnert uns der Apostel Paulus mit sehr trostreichen Worten: »Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? […] Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn« (Röm 8,35.37-39). Die Kraft der Liebe verwandelt das Leiden in die Gewissheit des Sieges Christi – und des unsrigen mit ihm – und in die Hoffnung, dass wir eines Tages wieder zusammen sein und für immer das Antlitz der Heiligsten Dreifaltigkeit, der ewigen Quelle des Lebens und der Liebe, betrachten werden.

Bei jedem Kreuz steht immer die Mutter Jesu. Mit ihrem Mantel trocknet sie unsere Tränen. Mit ihrer Hand hilft sie uns aufstehen und begleitet uns auf dem Weg der Hoffnung.

Papst Franziskus: “Trockne die Tränen” - Gebetsvigil im Petersdom für alle, die der Tröstung bedürfen




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