Richard Schröder: Kirche soll barmherzig sein, aber nicht der Staat

28. April 2016 in Deutschland


Evangelischer Theologe und SPD-Politiker: Politiker müssen Folgen ihres Handelns beim Flüchtlingsthema bedenken. „Den Politiker mögen die Kinderaugen genauso rühren, er aber muss fragen: Was passiert, wenn ich heute 10.000 Menschen hierher hole?“


Berlin (kath.net/idea) Gegen Forderungen aus Kirchen und Gewerkschaften, der Staat solle gegenüber Flüchtlingen barmherziger sein, hat sich der evangelische Theologieprofessor und SPD-Politiker Richard Schröder (Blankenfelde/Bundesland Brandenburg) gewandt. Dies könne die Kirche von ihren Mitgliedern verlangen: „Von Barmherzigkeit, vom Herz für die Elenden kann es nicht genug geben. Der Staat aber darf nicht barmherzig sein. Der Staat muss gerecht sein.“ Er habe nach Regeln zu handeln und die Folgen zu bedenken, sagte Schröder in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ (Ausgabe 26. April). Der Barmherzige dagegen frage nicht viel, sondern helfe. Er sehe in die Augen der Kinder in Idomeni, sage „Kinderaugen lügen nicht“ und wolle sie nach Deutschland holen. Schröder: „Den Politiker mögen die Kinderaugen genauso rühren, er aber muss fragen: Was passiert, wenn ich heute 10.000 Menschen hierher hole?“ Dann nämlich seien morgen weitere 10.000 Flüchtlinge da, die auch nach Deutschland wollten. Wenn der Staat barmherzig wäre, so Schröder, wäre er korrupt, denn er würde Ausnahmen machen: „Der Barmherzige darf das.“ Wie er weiter sagte, ist vor allem im Osten Deutschlands die Angst vor dem Fremden groß: „Man hat Angst vor dem, was man nicht kennt.“ Das gelte auch für den Osten Europas.

Keine Partei im Bundestag artikuliert die Angst in der Bevölkerung

Aber keine Partei im Bundestag artikuliere diese Angst. Dort müsse aber zur Sprache kommen, wovor Menschen sich ängstigten: „Wenn die etablierten Parteien das versäumen, tun es andere – und ernten Zuspruch.“

Schröder nannte die Angst vor einer Islamisierung Deutschlands irrational. Aber man dürfe schon fragen: „Wie viel Prozent der 30-Jährigen in Deutschland sind bereits muslimische Flüchtlinge?“ Denn von dieser Altersgruppe kämen besonders viele, und deshalb könnten bei ihr 50 Prozent schneller erreicht sein, als man denkt: „Wer dies genauer wissen will, ist deshalb noch kein Ausländerfeind.“ Der 72-jährige Schröder war SPD-Fraktionsvorsitzender in der freigewählten DDR-Volkskammer und EKD-Ratsmitglied von 1991 bis 1997. Er ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Nationalstiftung.

Link zum Beitrag in der „Welt“ in voller Länge: „Ohne Strenge bei Migranten machen wir uns zum Affen“.


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