Wer die Wahl hat ...

15. April 2016 in Österreich


In Österreich findet am 24. April die Bundespräsidentenwahl statt. kath.net hat den Kandidaten vers. Fragen gestellt: Gender, Abtreibung, Euthanasie, Flüchtlinge


Wien (kath.net)
In Österreich findet am 24. April die Bundespräsidentenwahl statt. Kath.net hat dazu mehrere Fragen an alle Kandidaten verschickt.

Lesen Sie bei uns die Antworten von Andreas Khol (ÖVP), Irmgard Griss, Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Alexander Van der Bellen (GRÜNE).

Von Norbert Hofer (FPÖ) und Richard Lugner bekamen wir leider keine Antworten.

kath.net: Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Amtszeit als Bundespräsident setzen, wenn Sie gewählt werden?

Andreas Khol: In schwierigen Zeiten braucht Österreich den erfahrensten Staatsmann, einen Bundespräsidenten, der als Nationalratspräsident schon bewiesen hat, dass er überparteilich handeln kann, ein Staatsoberhaupt, das seit vielen Jahren die besten internationalen Kontakte pflegt, einen Präsidenten, der die Sorgen und Ängste der Österreicherinnen und Österreicher ernst nimmt und zum Ausdruck bringt; einen Bundespräsidenten, der den Blick nach vorne richtet und auf die Stärken unseres Landes baut.

Als Bundespräsident werde ich vor allem ein Präsident der Bürgerinnen und Bürger sein. Ich sehe meine Rolle als Coach der Bundesregierung und werde diese unterstützen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen – im Interesse Österreichs. Ich werde mich in meiner Amtszeit auch dafür einsetzen, dass alles getan wird, um den hart erarbeiteten Wohlstand zu erhalten, die Sicherheit im Land zu gewährleisten und die Regierung zu einer konsequenten Umsetzung des Regierungsprogramms anspornen. Zudem möchte ich mich für einen Abbau der Kluft zwischen den Menschen und der Politik einsetzen. Ich möchte die Hofburg öffnen und zu einem echten Zentrum der Bürgergesellschaft machen.

Irmgard Griss: Als ehemalige Richterin ist mir Gerechtigkeit ein besonderes Anliegen. Das Amt der Bundespräsidentin gibt mir die Möglichkeit, mich für einen gerechten Ausgleich zwischen Arm und Reich, zwischen Starken und Schwachen, zwischen Jungen und Alten einzusetzen. Viele Österreicher stehen abseits. Junge Menschen zögern, eine Familie zu gründen, weil sie unsicher sind, was die Zukunft bringt. Frauen sind in manchen Bereichen noch immer benachteiligt, vor allem wenn sie für Kinder sorgen müssen und dabei auf sich allein gestellt sind.

Als Bundespräsidentin kann und will ich mich dafür einsetzen, dass Ungerechtigkeiten beseitigt werden und Österreich ein Ort des sozialen Friedens ist, in dem jede und jeder in Sicherheit und Würde leben kann.

Hundstorfer: Mir geht es um ein sachliches, respektvolles Miteinander in der politischen Debatte. Ich habe die tiefe Überzeugung, dass Probleme immer nur gemeinsam lösbar sind. Der Bundespräsident ist hierbei in der Rolle des engagierten Vermittlers, der Menschen zusammenbringt und das Gemeinsame in den Vordergrund stellt.

Die Basis der österreichischen Erfolgsgeschichte ist der soziale Zusammenhalt der Menschen. Diesen zu festigen und auszubauen ist mein Ziel. Dazu gehört die Sicherung und Stärkung eines Sozialstaats, auf den sich die Österreicherinnen und Österreicher verlassen können. Auch müssen in einer sich verändernden Wirtschafts- und Arbeitswelt die Weichen in die Zukunft gestellt werden. Demgemäß will ich für eine offene Hofburg als Ort des Dialogs eintreten.

Van der Bellen: Sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene wird derzeit zu viel gegeneinander und zu wenig miteinander gearbeitet. Als Bundespräsident werde ich die Regierung zu einer gemeinsamen, zielgerichteten aber kompromissbereiten Vorgangsweise in den großen Herausforderungen unserer Gesellschaft mahnen. Die beste Bildung für unsere Kinder, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der immer größer werdenden Schere zwischen arm und reich, Maßnahmen zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen gegen Klimawandel und Umweltzerstörung können wir nur gemeinsam lösen.

kath.net: Die Flüchtlingskrise beschäftigt Österreich spätestens seit dem letzten Sommer. Unser Land hat viele Menschen aus einem anderen Kulturkreis, mit teilweise stark divergierenden Wertvorstellungen zu Fragen wie Demokratie, Menschenrechte und Religionsfreiheit aufgenommen. Wie sehen Sie die Probleme, die sich für die Integration in Gesellschaft und Arbeitswelt ergeben und wie wollen Sie als Bundespräsident darauf reagieren?

Andreas Khol: Die Integration von anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten in Österreich ist gerade in Zeiten wie diesen von großer Bedeutung. Integrationsminister Sebastian Kurz hat vergangenes Jahr ein umfassendes Integrationspaket vorgelegt, welches sich auf drei Säulen stützt: den Erwerb der deutschen Sprache, einem Bekenntnis zu unseren Werten und den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Integration darf keine Einbahnstraße sein. Ziel muss sein, dass anerkannte Flüchtlinge ein selbstbestimmtes Leben aus eigener Kraft und im Einklang mit unseren Werten führen können.

Griss: Integration ist ein Bemühen auf beiden Seiten.

Hundstorfer: Die letzten Monate haben deutlich gezeigt, wie groß die Hilfsbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher ist. Österreich hat mit der Aufnahme und Versorgung von 90.000 Flüchtlingen im letzten Jahr einen großen Beitrag geleistet. Mit der Versorgung allein ist es aber nicht getan. Es müssen jetzt Maßnahmen gesetzt werden, um Asylberechtigten in Österreich eine Perspektive zu geben und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Hier haben Bildung und Arbeit Schlüsselfunktionen.

Wir müssen für eine gelingende Integration sorgen – dazu gehört die Möglichkeit zum Spracherwerb. Für gute Chancen am Arbeitsmarkt braucht es wiederum Qualifikationen, eine gute Ausbildung. Aber auch ein soziales Miteinander ist wichtig. Als Bundespräsident würde ich mein Möglichstes tun, eine gelingende Integration zu fördern. Dazu gehört, Brücken zu bauen und gegen jede Art von Ausgrenzung entschieden aufzutreten.

Van der Bellen: Österreich hat in seiner Geschichte immer geschafft, Menschen die zu uns gekommen sind aufzunehmen und zu integrieren. Die Herausforderungen sind im Moment besonders groß. Die Kriege und Krisen in vielen Regionen, die an Europa angrenzen, treiben Menschen in die Flucht. Ich werde mich auf europäischer Ebene um Lösungen in der Region bemühen, aber auch eine stärkere Solidarität in Europa einmahnen, weil auf Dauer Schweden, Deutschland und Österreich nicht die Arbeit der ganzen EU machen können.

kath.net: Die Gendertheorie hat Politik und Gesellschaft in den letzten Jahren stark beschäftigt. Sie postuliert die Unabhängigkeit des sozialen Geschlechts vom biologischen. Das hat Konsequenzen in vielen Bereichen wie Erziehung/Bildung, Ehe- und Familienrecht einschließlich gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Adoption. Sollte Österreich die Gendertheorie in Zukunft noch mehr in seinen politischen Maßnahmen berücksichtigen?

Andreas Khol: Ich bin gegen jedwede Form der Diskriminierung. Für mich ist die Gleichberechtigung von Frauen eine Selbstverständlichkeit. Für mich gilt: Gleichwertige Leistung, gleiche Entlohnung. Als Bundespräsident werde ich mit Nachdruck darauf drängen, dass auch die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern endlich geschlossen wird. Nur das schafft wirkliche Gleichberechtigung.

Griss: Österreich sollte jedenfalls die Gleichstellung von Frauen und Männern weiter vorantreiben. Frauen verdienen in Österreich noch immer viel weniger als Männer, auch im EU-Vergleich hinkt Österreich weit hinterher. Wir brauchen flächendeckende Kinderbetreuungsangebote, damit es jungen Menschen erleichtert wird eine Familie zu gründen und Berufstätig zu sein.

Hundstorfer: Als Sozialdemokrat habe ich mich immer für Gleichstellung stark gemacht – für die Gleichstellung von Frau und Mann, wo zwar mittlerweile viel erreicht wurde, aber auch noch viel zu tun ist – Stichwort: Schließen der Einkommensschere, Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Verbesserung der Aufstiegschancen für Frauen. Auch sexuelle Orientierung darf kein Grund für Ausgrenzung und Diskriminierung sein.

Die Gesellschaft verändert sich, wird bunter. Neben traditionellen Lebensmodellen existieren heute auch andere Formen des Zusammenlebens und individuelle Lebensentwürfe. Was die Gendertheorie betrifft: Sie beleuchtet Aspekte des Individuellen, denen bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Es ist ein Zeichen von Stärke, Aufgeschlossenheit und Fortschrittlichkeit, wenn sich eine Gesellschaft auf Neues, auf Andersartigkeit einlassen kann, ohne sich bedroht zu fühlen und stattdessen Individuen ihre Individualität zugestehen kann.

Van der Bellen: Die gleichen Rechte von Menschen unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung sind mir ein natürliches und selbstverständlich gewordenes Anliegen. Die Erklärung der Menschenrechte, die im Artikel 1 die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit voranstellt, ist Grundlage für mein politisches Handeln .

kath.net: Ist generell die Regelungsdichte in Österreich zu hoch? Sind wirtschaftliche und persönliche Freiheit noch ausreichend gewährleistet? Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die zunehmenden Antidiskriminierungsgesetze?

Andreas Khol: Als Bundespräsident ist es eines meiner Ziele, unseren heimischen Unternehmen das Wirtschaften wieder zu erleichtern, um wieder mehr Zeit und Freiheit für ihr eigentliches Geschäft zu haben. Denn eines ist klar: zu viel Bürokratie bedeutet zu wenig Freiheit. Das heißt, wir müssen die hohen bürokratischen Lasten für die Menschen und die Unternehmen auf ein notwendiges Mindestmaß verringern. Die heimische Wirtschaft braucht wieder mehr Luft zum Atmen.

Griss: Österreich braucht Strukturreformen, die es dem Unternehmer leichter machen zu handeln und Unternehmensgründungen müssen erleichtert werden. Soviel Staat wie nötig, soviel Freiheit wie möglich.

Hundstorfer: Regeln sind notwendig, um ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten. In einer Demokratie, die sich auch dem Schutz von Minderheiten verschrieben hat, sind unter Umständen mehr Regeln notwendig als in anderen, antidemokratischen Gesellschaften. Sie einzuschränken, muss gravierende Gründe haben.

Antidiskriminierungsgesetze sind wichtig. Jeder Mensch sollte ohne Angst seine Persönlichkeit und seine Fähigkeiten entfalten können. Niemand sollte aufgrund seiner Religion, seines Geschlechts, seiner Hautfarbe oder seiner sexuellen Orientierung benachteiligt oder ausgegrenzt werden. Ich bin sehr stolz, dass wir in Österreich weitreichende Antidiskriminierungsgesetze haben. Und ich würde auch eine Ausweitung dieser Gesetze befürworten, so dass zum Beispiel gewährleistet ist, dass Menschen anderer Religionen oder ähnlichem auch außerhalb der Arbeitswelt besser vor Benachteiligungen geschützt werden.

Van der Bellen: Gleiche Rechte für alle Menschen bedeutet mitunter besonderen Schutz für Minderheiten oder Menschen, die Personengruppen Diskriminierung ausgesetzt sind. Das wird besonders deutlich, wenn wir den Blick über die Grenzen Europas in autoritäre oder diktatorische Regime wenden.

kath.net: Ist das Leben des Menschen in seinen schwächsten Phasen - zu Beginn (Abtreibung) und am Ende (Euthanasie) - ausreichend geschützt?

Andreas Khol: Menschenwürde ist in keiner Phase des Lebens verhandelbar. Ich bin für den Ausbau von Beratung und Hilfe für Schwangere in Notsituationen, sowie für eine flächendeckende Hospiz- und Palliativversorgung für Menschen am Ende ihres Lebensweges. Die parlamentarische Enquete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“ hat hier im vergangenen Jahr wichtige Klarstellungen getroffen.

Griss: Ich finde, dass die Fristenlösung ein Kompromiss zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Lebensrecht des Kindes ist. Gleichzeitig muss aber alles getan werden, um Schwangere gar nicht erst in die Notlage kommen zu lassen, dass sie glauben, sich für eine Abtreibung entscheiden zu müssen. Denn eine Abtreibung belastet Frauen oft ein Leben lang. Ich bin gegen eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe. Durch einen weiteren Ausbau der Hospizbewegung und der Palliativmedizin soll jedem Menschen ein Sterben in Würde ermöglicht werden.

Hundstorfer: Es wurde lange für das Recht der Frau auf Selbstbestimmung gekämpft, bis 1974 die Fristenlösung beschlossen wurde. Ich halte das nach wie vor für eine wichtige Errungenschaft, dass Abtreibungen unter bestimmten Umständen erlaubt sind und Frauen nicht mehr in eine oftmals gesundheitsgefährdende Illegalität getrieben werden. Was damals auch beschlossen wurde, sind Maßnahmen zu einer besseren Aufklärung.

Was die letzte Lebensphase des Menschen betrifft, so gab es ja im letzten Jahr eine große parlamentarische Enquete zum Thema „Würde am Ende des Lebens“, aus der wichtige Empfehlungen hervorgegangen sind – etwa, dass die Hospiz- und Palliativversorgung für jeden erreichbar und leistbar sein soll, unabhängig vom sozialen Status und der Region. Das erfordert einen Ausbau, besonders auch für Kinder und Jugendliche. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten. Bei der Patientenverfügung sollen Hürden abgebaut werden, damit Patientinnen und Patienten selbst über ihre spezifische Behandlung je nach Situationen entscheiden können. Wichtig ist, dass diese emotional schwierigen Themen angesprochen und in gesellschaftlichen Debatten offen diskutiert werden.

Van der Bellen: Ich wünsche mir eine kinderfreundlichere und menschenfreundlichere Gesellschaft. Im Bereich der sozialen Unterstützung von Frauen in schwierigen Situationen gibt es sicher noch weiteren Ausbaubedarf. Vor diesem Hintergrund sehe ich die Diskussion um die Deckelung von Mindestsicherungsleistungen sehr kritisch, da diese Maßnahme vor allem Familien mit mehreren Kindern treffen würde. Auch die Hospizbetreuung muss in Österreich stärker ausgebaut werden, damit Menschen an ihrem Lebensende durch professionelle medizinische Betreuung und gute Begleitung die Angst vor Schmerzen und Einsamkeit genommen werden kann und sie in Frieden Abschied nehmen können.


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