Der gute Hirt und die Priester

15. April 2016 in Spirituelles


"Häufiger stelle ich fest, dass man den Priesterberuf zu schnell und bruchlos von Jesus Christus her ableitet." Von Bischof Heinz Josef Algermissen


Fulda (kath.net/Bonifatiusbote) Häufiger stelle ich fest, dass man den Priesterberuf zu schnell und bruchlos von Jesus Christus her ableitet. So erlebe ich mitunter, dass bei Konflikten manche Priester ihre Sicht der Dinge relativ schnell unter Berufung auf die ihnen erteilte Weihe durchsetzen wollen. Da wird sakramentale Vollmacht mit persönlicher Macht verwechselt. Sakramentale Vollmacht bedeutet wirksame Vermittlung der Gnade Christi im amtlichen Tun, aber nicht ein generelles Gutheißen aller möglichen Verhaltensweisen im persönlichen Umgang. Beim Priester werden nämlich nicht die privaten Eigenheiten und Lieblingsideen mitgeweiht, sodass sie von nun an unangreifbar wären.

Aber in einer richtigen Sicht des Weihesakraments kann man besser verstehen, wie der Priester mit Christus verbunden ist. Denn Priestersein ist keine von der Kirche ersonnene Organisationsform, die man einführen und wieder abschaffen könnte. Priestersein ist die Berufung dazu, in der Welt zu verdeutlichen, dass Jesus Christus auch heute „in Person“ handelt. Jeder Priester, der sich als Selbstdarsteller aufführt, hätte deshalb seinen Beruf verfehlt. Er soll vielmehr im persönlichen Zeugnis verdeutlichen, dass Jesus in Wort und Sakrament hier und heute da ist, helfend und heilend, leitend und liebend.

Damit ist gewiss ein Anspruch verbunden, aber mehr noch ein Zuspruch: In der Weihe macht Jesus vorläufige Menschen zu Vorläufern auf das Endgültige, auf sein Reich hin, das sie durch ihren Dienst verkünden sollen. Mit dieser Sicht des Priesterberufs ist zunächst eine Entlastung verbunden. Wenn das Zweite Vatikanische Konzil den Dienst des Priesters als „Handeln in der Person Christi“ bezeichnet (vgl. Dekret über Dienst und Leben der Priester, Nr. 13), will es damit ausdrücken: Der Priester ist nicht „Endstation“ kirchlichen Handelns, er soll vielmehr deutlich machen, dass Jesus selbst wirkt. „Wer euch hört, der hört mich“ (Lk 10,16). „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19). Das sind biblische Kernaussagen, in denen diese Beziehung deutlich wird. In der theologischen Überlieferung wird das so ausgedrückt: Christus selbst ist es, der tauft, predigt und Eucharistie feiert, der Priester kann diese Gegenwart immer nur persönlich bezeugen, aber niemals selbst bewirken. Er muss den Unterschied zwischen darstellendem und herstellendem Handeln aushalten, hat nur das zu geben, was er selber zuvor durch die Sendung des Geistes (vgl. Zweites Eucharistisches Hochgebet) erhalten hat.

Der Dienst des Priesters braucht den Einsatz der ganzen Person. Und genau hier wird es kritisch, manchmal belastend. Denn dabei kann sich leicht ein gefährliches Missverständnis einschleichen. Sich ganz hingeben, das bedeutet doch nicht bloß und nicht einmal in erster Linie den Einsatz der persönlichen Vorzüge und starken Seiten. Sich ganz von Jesus Christus in Dienst nehmen lassen, das zwingt mich doch auch und gerade immer wieder zum Verschenken meiner Armseligkeit, meiner Schattenseiten und Grenzerfahrungen, die ich von meiner Person nicht ausklammern kann.

Wir Priester müssen vorsichtig sein mit der Aussage, wir seien Menschen für andere. In der Spannung zwischen Wollen und Tun sind wir zunächst einmal Menschen wie andere: Wir predigen Einheit und sind doch Anlass zur Spaltung; wir verkündigen Versöhnung und liefern dennoch Grund für Konflikte. Wir fordern die Zuwendung zu den Leidenden und haben Angst vor manchen Krankenbesuchen. Wie lässt sich mit solchen Spannungen leben? Sollten wir nicht doch auch bekennen, dass wir mitunter scheitern am Anspruch, Jesu Wirklichkeit darzustellen?

Es gibt einen bleibenden Abstand zwischen Amt und Person. Gerade wenn er uns bewusst bleibt, muss er uns nicht mutlos machen. Ich orientiere mich gern an der Berufung der Jünger: Petrus zum Beispiel erkennt in der Begegnung mit Jesus Christus zunächst einmal seine Grenzen und sein Versagen. Aber gerade dadurch kommt er von der Fixierung auf sich selbst los und wird offen für den Auftrag des Herrn, in seinem Namen Menschen für Gott zu gewinnen (vgl. Lk 5,1-11). Zugleich wird er bescheiden und legt seine Überheblichkeit ab. Berufung zum Priester lebt nicht in erster Linie vom eigenen Können, sondern vom Vertrauensvorschuss Jesu Christi, den wir weitergeben dürfen. Im Bewusstsein dieser bleibenden inneren Spannung ist Priestersein in der Tat eine hochspannende Lebenserfahrung im besten Sinn. Weil wir Priester spürbar von der Barmherzigkeit Gottes leben, dürfen wir die Menschen „hinführen zum Haus des Vaters, wo der seine verlorenen Kinder mit offenen Armen erwartet“, wie es der hl. Papst Johannes Paul II. in seiner ersten Enzyklika „Redemptor hominis“ (1979) zur Sprache brachte.



Foto oben: Bischof Algermissen (c) Bistum Fulda


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