Gottesraub und andere Geschichten - Leseprobe 4

9. März 2016 in Buchtipp


Leseprobe 4 aus dem Buch "Gottesraub und andere Geschichten" von Gabriele Kuby


Linz (kath.net)
Der Gottesraub ist ein famoses Buch! Ich habe es aufgeschlagen und konnte nicht aufhören zu lesen. Tolle Geschichten. Dramatisch und herzerfrischend. Ich habe viel gelernt und viel gelacht. Gabriele Kuby hat die Geschichten dieser höchst ungewöhnlichen bayrerischen Bäuerin auf geniale Weise in eine wunderbare, treffende Sprache gebracht. Ein großes Verdienst ist es, dass damit geschichtliche Ereignisse, Atmosphäre, Mentalität und vor allem der Glaube dieser Jahre so anschaulich in unsere Zeit herübergerettet werden. Ohne Verklärung, aber immer mit einem so schönen Sprachwitz und einer durch Marei verkörperten Weltaunschaung und Lebenshaltung, die einen tief berührt. "Gottesraub" ist kleine Weltliteratur und erinnert in seiner Klasse an die Erzählungen von Oskar Maria Graf. - Peter Seewald

Leseprobe 4:
Gottesraub

Beim Erstkommunionunterricht hat der Pfarrer gesagt, wir sollten unser Herz mit Tugendblumen ausschmücken, damit der Allerhöchste zu uns kommt. Wenn wir unser Herz nicht mit Tugenden schmücken und doch zur Kommunion gehen, dann ist das „Gottesraub“. Wenn die Mama zweimal sagen muss: „Trag das Holz rein!“, dann ist das keine Tugend mehr. Sofort das Gute tun, dann wird dein Herz ausgeschmückt, und der Heiland kommt gerne. Ich habe mir vorgestellt, wie das ausschaut, wenn ich innen drin so geschmückt bin, das waren so eine Art rosarote Pfingstrosen. Ich habe mir gewünscht, dass ich ganz ausgeschmückt bin mit diesen Tugendblumen.

In der Familie hat man sich sehr bemüht um einen weißen Stoff, damit ich auch ein weißes Gewand habe zur Erstkommunion. Das war 1946 äußerst schwierig. Kaufen konnte man keinen weißen Stoff. Da hat die Mama herumgefragt, wer aus Friedenszeiten noch ein Erstkommuniongewand hatte. Aus drei verschiedenen Weiß ist dann ein Erstkommunionkleid für mich gemacht worden. Für lange Ärmel hat es nicht gereicht.

Früher hatte die Mama immer einen Kerzenvorrat, einen ganzen Schubladen voll. Sie hat oft welche in der Kirche gestiftet in der schlechten Zeit, aber irgendwann war der Schubladen leer. Es waren so viele Leute im Haus damals, die evakuiert waren und was gebraucht haben. Auch von Mamas Aussteuer ist ziemlich viel verschwunden.

Viele haben Kerzen gehabt, die gerade nur zwanzig Zentimeter hoch waren, weil sie schon halb abgebrannt waren. Die Mama hat in Halfing beim Brunner noch eine richtige Kerze gekriegt. Die war zwar nicht geschmückt als Kommunionkerze, aber eine glatte weiße Kerze war damals schon was! Die Kerze hat die Mama durchs Holz heim getragen, und da fällt sie über einen Stock, und die Kerze ist abgebrochen. Gleich ist sie zurück zu den Kindergartenschwestern nach Endorf und hat gefragt. „Könnt ihr vielleicht die Kerze wieder zusammenbappen?“ Sie haben die Kerze mit grünem Wachs zusammengeklebt, das sollte so eine Art Bordüre sein. Darüber kam Asparagus und ein weißes Schleifchen. Die Schuhe waren grau, die gab’s auf Bezugsschein – für alle dieselben. Am Abend hat der Schorsch gesagt: „Mei, du kriegst was zu der Erstkommunion morgen, krieg ich da auch was?“- „Warum, was krieg ich denn?“ - „Das darf ich dir nicht sagen!“ - „Ja, was is denn?“ - „Krieg ich was, wenn ich’s dir sag?“ - „Kriegst schon was, und was ist es?“

„Die Mama und die Helena, die haben einen so guten Teig gemacht, da hab ich schlecken dürfen, und das wird eine ‚Torte’. (Von einer Torte hatten wir noch nie etwas gehört.) Dann haben sie im Garten noch Erdbeerblätter und Erdbeerblüten geholt und die außen herum gerichtet, und das kriegst du morgen. Gell, da krieg ich was?“ Schöne Haare sollte ich haben. Die Nachbarin, eine evakuierte Frau aus München, sagte: „Kommst runter, dann dreh ich dir die Haare ein.“ Mit Zuckerwasser und Zeitungspapier hat sie die Haare eingerollt. Am andern Tag in der Früh sollte ich zum Auskämmen kommen. Schrecklich, wie das ausgeschaut hat mit den zusammengeklebten Zuckerhaaren! Aber das Kranzerl ist dann irgendwie hinein gedrückt worden.

Der Willi, ihr Sohn, der auch Erstkommunion hatte, wollte unbedingt etwas trinken. Damals ist man vom Abend bis zur Kommunion nüchtern geblieben. „Mama, ich hab so Durst, ich hab so Durst!“ Mutter. „Du weißt doch, du darfst nichts trinken.“ -Willi: „Ich halt’s nicht aus, mich dürscht’s a so!“ -Dann hat die Frau Herner einen Schöpflöffel voll Wasser genommen und gesagt: „So Willi, so viel ist drin. Du darfst dir den Mund ausspülen, aber so viel muss hinterher wieder drin sein im Schöpflöffel. Dass du ja nichts runter schluckst!“

Der Papa hat die Ross’ eingespannt, und wir sind mit der Kutsche auf Röslwang gefahren worden, der Willi und ich! Es war alles recht feierlich, der Chor hat gesungen, da sind wir eingezogen, das haben wir ja oft geprobt. Ich hatte große Bedenken, ob ich wirklich so geschmückt bin mit Tugenden, dass es nach dem Kommunionempfang ganz warm wird im Herzen, wie der Pfarrer gesagt hat, oder ob ich doch einen Gottesraub mache. Je näher es zum Kommunionempfang kam, um so schiacha [banger] ist mir geworden. Das, was ich aus dem Kommunionheftchen hätte vorlesen dürfen, hab ich gar nicht lesen können. Ich hab’s meiner Nachbarin gegeben: „Lies du das Meine, i ko ned.“

Die Kerzen waren am rechten Seitenaltar auf Kerzenständer gesteckt worden. Da ist meine Kerze vieri g’schnappt und an der Stelle abgebrochen, wo sie mit Wachs zusammen geklebt war. Jetzt ist alles aus gewesen. Das war ein Zeichen: Meine Kerze ist umgekippt, ich bin unwürdig. Da wollte ich gar nicht mehr vor gehn, Gottesraub mache ich keinen! Aber Mama und Papa sind da, die Mutti ist da, die Helena ist da, ja was denken sich denn die, wenn ich jetzt nicht zur Erstkommunion gehe, wo sie sich doch so bemüht haben alle miteinander um ein weißes Gewand.
Jetzt haben sie sogar noch eine Torte gebacken, und da geh ich nicht vor zur Kommunion? Also hab’ ich meine ganze Schneid zusammen genommen und bin vor zur Kommunionbank.

Ich bin in die Bank zurück und hab’ die ganze Zeit gewartet, dass es warm wird. Aber es wurde nichts warm. Das war für mich der Beweis: Also doch Gottesraub!

Nach der Kirche waren wir bei den Schwestern zum Frühstück eingeladen, und da haben sie gefragt: „Warum schaust du denn gar a so drein, Marei?“ Zum Frühstück sollte jeder nach Möglichkeit ein Zuckerstückl mitbringen für den Kaffee. Wir haben es aus dem Taschentuch ausgewickelt und hergezeigt. Jeder bekam ein grünes, durchsichtiges Heiligenbildchen geschenkt.

Der Tag zu Hause wurde sehr festlich gestaltet. Die Frau Hörner hat für mich ein Sträußerl Maiglöckchen gehabt, und die liebe gute Helena hat auch ein Geschenk gehabt. Sie hat ihre guten drei Silbermünzen für ein Kreuzerlkettchen eingetauscht. Aber das Kreuz war aus Blech und mit Silberbronze angestrichen. Das hab ich ein paarmal dran gehabt, da ist die ganze Silberbronze abgegangen.

kath.net Buchtipp
Gottesraub und andere Geschichten - erzählt von Marei, herausgegeben von Gabriele Kuby
Hardcover, 152 Seiten
2015 fe-medienverlag
ISBN 978-3-86357-144-3
Preis 13.20 EUR

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