Generalstaatsanwältin gegen Vollverschleierung von Angeklagten

4. März 2016 in Deutschland


Generalstaatsanwältin Hermes berichtet über den Fall vor einem Jugendschöffengericht, bei dem die geständige und rechtskräftig verurteilte Angeklagte ihren Gesichts- und Ganzkörperschleier nicht abgenommen habe.


Hamm (kath.net/KNA) Die Vollverschleierung einer Frau in einem Strafprozess hat bei der Hammer Generalstaatsanwältin Petra Hermes Bedenken hervorgerufen. In einem der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegenden Schreiben an alle anderen Generalstaatsanwälte in Deutschland berichtet Hermes über den Fall vor einem Jugendschöffengericht, bei dem die geständige und rechtskräftig verurteilte Angeklagte ihren Gesichts- und Ganzkörperschleier nicht abgenommen habe.

Nach vorläufiger Bewertung von Hermes hindert die Vollverschleierung ein Gericht daran, die Identität und Verhandlungsfähigkeit von Angeklagten und Zeuginnen festzustellen, so wie es in der Strafprozessordnung vorgesehen sei. Zudem könnte die Verhandlung gegen eine Vollverschleierte den Unmittelbarkeitsgrundsatz beeinträchtigen. Danach müssen das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten Gestik und Mimik einer Angeklagten oder Zeugin wahrnehmen können, um daraus Rückschlüsse auf deren Glaubwürdigkeit ziehen zu können.

Hermes nannte es fragwürdig, ob in einer Hauptverhandlung eine Vollverschleierung aus religiösen Gründen hinzunehmen sei. Die Abwägung zwischen Religionsfreiheit und Rechtsstaatsprinzip dürfte in der Regel zugunsten des letzteren ausfallen. Denn das Interesse des Staates an einer rechtsfehlerfreien, durch äußere Einflüsse weitgehend unbeeinflussten Beweiswürdigung dürfte das Interesse an einer Verschleierung übersteigen. «Die Durchsetzung der Entfernung des Gesichtsschleiers in der Hauptverhandlung scheint mir im Rahmen sitzungspolizeilicher Maßnahmen möglich», so die Generalstaatsanwältin.

Hermes bittet zugleich ihre Kollegen um Mitteilung darüber, ob es in ihren Geschäftsbereichen gleichartige Fälle gegeben habe. Zudem möchte sie wissen, wie solche Fälle durch Staatsanwaltschaften und Gerichte behandelt und bewertet worden seien.

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