«Wir sind an keiner Obergrenze»

24. Februar 2016 in Interview


Kopenhagens Bischof Kozon über Flüchtlinge und den Papstbesuch.Von Christina Rietz (KNA)


Kopenhagen (kath.net/KNA) Der katholische Bischof von Kopenhagen, Czeslaw Kozon, ist Vorsitzender der skandinavischen Bischofskonferenz. Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht er über Flüchtlingsprobleme im Norden und den anstehenden Papstbesuch am 31. Oktober 2016 im schwedischen Lund.

KNA: Bischof Kozon, der Papst kommt im Herbst zum Reformationsgedenken nach Skandinavien. Freuen Sie sich über seine Entscheidung?

Kozon: Der Besuch ist ein sehr großes Ereignis für uns. Franziskus kommt nach Lund in Schweden, weil dort der Lutherische Weltbund gegründet wurde. Ob er noch andere Gründe für seine Entscheidung hatte, weiß ich leider nicht.

KNA: Ihr Hamburger Kollege, Erzbischof Stefan Heße, wurde einmal gefragt, ob er sich in der Diaspora darauf freue, mit den Protestanten das Reformationsjubiläum zu feiern. Er antwortete, es könne für Katholiken kein Riesenfest sein, weil die Reformation die Trennung der Kirche mit sich brachte...

Kozon: Da hat er Recht, und ich würde die Bezeichnung «feiern» auch nicht verwenden. Wir sind bereit mitzugedenken. Das Jubiläum sollte aber von lutherischer Seite aus keine triumphalistische Veranstaltung werden - so sehen es jedenfalls einige Lutheraner. Wir Katholiken sind natürlich schon irgendwie beteiligt. Ohne die katholische Kirche gäbe es schließlich keine Reformation. Die Ereignisse von damals haben wir im Dialog mit den lutherischen Kirchen reflektiert, wiewohl es auch in der Ökumene nicht nur vorwärtsgeht.

KNA: Wo gibt es denn aktuell Schwierigkeiten?

Kozon: Es gibt neue Probleme ethischer und dogmatischer Art, die das gewonnene Land wieder zerbröseln lassen. Da wäre zum Beispiel die Homo-Ehe, die von lutherischer Seite größtenteils begrüßt wird. Von unserer Seite aus nicht.

KNA: Wie geht man in der Zusammenarbeit unter den Kirchen mit solchen neuen Differenzen um?

Kozon: Man vermeidet oft die trennenden Themen. Wir als Kirchenleiter haben sehr gute Beziehungen untereinander, und alle Kommunikationskanäle sind offen. Thematisch treffen wir uns nach wie vor dort, wo wir uns immer schon getroffen haben - in den herkömmlichen ökumenischen Gremien.

KNA: Zum sozialen Sektor gehört in Skandinavien wie überall in Europa die Flüchtlingsfrage. Was tut die katholische Kirche konkret, um bei der Integration der Ankömmlinge zu helfen?

Kozon: Ich habe erst kürzlich die dänischen Gemeinden aufgefordert, in die Asylzentren zu gehen und nachzuschauen, ob es dort Christen gibt, denen wir sofort helfen könnten. Das ist aber nicht einfach.

KNA: Warum nicht?

Kozon: Weil die dänischen Behörden oft kein Interesse daran haben, dass in den Aufnahmeeinrichtungen bekannt wird, wer welche Religion hat. Sie fürchten die interreligiösen Auseinandersetzungen, sie haben Angst vor radikalen Muslimen. Manche wollen die Asylzentren als religiös neutralen Boden betrachten. Oft gelingt es uns aber auch, Infomaterial aufzuhängen: Wo ist die nächste Kirche, wie kommt man hin? Wer die Leiter in den Einrichtungen fragt, bekommt Auskunft über die Kirchen, aber mir reicht das nicht. Ich möchte gern, dass wir offensiver rangehen.

KNA: Wenn sie Mitchristen gefunden haben, wie können Sie dann helfen?

Kozon: In Sachen Behörden helfen die Asylzentren bereits. Doch vor einiger Zeit hatten wir zum Beispiel eine Einrichtung, in der viele orientalische Christen lebten. Da hat sich dann die entsprechende katholische Gemeinde um sie gekümmert, hat Busfahrkarten für alle gespendet und so weiter.

KNA: Können Sie auch etwas für die muslimischen Flüchtlinge tun?

Kozon: Wir Katholiken bieten keine organisierte Hilfe an, weil wir so wenige sind, leider. Die materiellen Nöte werden aber schon von den Behörden gedeckt. Wir versuchen, menschlichen Kontakt zu geben.

KNA: In Ihrem Land sorgen sich manche um die dänische Kultur, wenn so viele Muslime einwandern, Sie auch?

Kozon: Manchmal ist Integration schwierig, ob das an religiösen oder kulturellen Unterschieden liegt, kann man nicht pauschal sagen. Die dänische Identität ist bisher jedenfalls nicht von muslimischen Zugewanderten verändert worden.

KNA: Die Stimmung des Willkommens kippt aber auch im Norden. Erst kürzlich hat die Polizei in Schweden einen Angriff auf ein Flüchtlingsheim vereitelt...

Kozon: ...da muss ich sofort einhaken: Dänemark ist nicht Schweden. So radikalen Hass auf Fremde gibt es in Dänemark nicht! Wir haben noch ein bisschen mehr Frieden. Schweden hat seit vielen Jahren hohe Immigrantenzahlen, viel höhere als Dänemark - erst jetzt spricht man dort davon, bei der Integration vielleicht Fehler gemacht zu haben. Auf allen Seiten sind Parallelgesellschaften entstanden, und es gibt Leute, die sich nicht immer gut integrieren lassen - Frauen zum Beispiel.

KNA: Frauen?

Kozon: Das liegt an der islamischen Tradition. Dass man Frauen nicht so gern auf dem Arbeitsmarkt sieht. Dass Frauen weniger in der Öffentlichkeit auftreten als wir es seit Jahrzehnten gewohnt sind.

KNA: Wird die Integrationsfähigkeit europäischer Gesellschaften überschätzt?

Kozon: Wir in Dänemark sind da noch an keiner Obergrenze. Es ist Platz. Man darf praktische Schwierigkeiten sicher ansprechen, aber mich verstimmen Leute, die von vornherein eine ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen haben.

KNA: In Deutschland sehen manche Kritiker das christliche Abendland gefährdet.

Kozon: Grundsätzlich wissen die Leute in Dänemark wahrscheinlich noch weniger vom Abendland als in Deutschland. Aber das religiöse Argument wird schon ins Feld geführt: Die Vereinbarungen unserer jetzigen Regierungsparteien erwähnen, dass Dänemark ein christliches Land sei. Die Formulierung steht aber nicht in dem Dokument, weil man sich besonders um christliche Werte bemühen würde. Man will vor allem signalisieren: Wir wollen nicht so viele Muslime haben.

KNA: Wie sieht man in Dänemark die Willkommenspolitik der deutschen Bundeskanzlerin?

Kozon: Es ist nicht so, dass die Dänen schimpfen, weil Deutschland die Grenzen nicht dichtgemacht hat. Wir lesen viel über die Kritik im eigenen Land, die Merkel entgegenschlägt. Ohnehin können die Länder der EU diese Krise nur gemeinsam meistern. Es ist die einzige Chance.

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