Zika-Virus: Wachsende Kritik am Umgang der WHO

19. Februar 2016 in Aktuelles


Bioethikerin Kummer (IMABE): Wegen des Zika-Virus wird Druck auf lateinamerikanischen Länder erhöht, Gesetze zur Abtreibung zu liberalisieren. Auch Planned Parenthood startete Pro-Abtreibungs-Kampagne.


Wien (kath.net/KAP) Einen fragwürdigen Umgang der Vereinten Nationen mit dem Zika-Virus hat die Leiterin des Wiener Wissenschaftsinstituts IMABE, Susanne Kummer, kritisiert: Im Namen der Krankheitsbekämpfung würde der Druck auf die lateinamerikanischen Länder erhöht, die eugenische Indikation einzuführen und Gesetze zur Abtreibung zu liberalisieren. "Immer mehr Experten hinterfragen zudem, ob die WHO mit der Ausrufung eines globalen Gesundheitsnotstandes nicht doch übers Ziel geschossen hat", so die Leiterin der unter Patronanz der Bischofskonferenz stehenden Einrichtung gegenüber "Kathpress".

Kummer verwies auf den UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra'ad Al Hussein, der die Regierungen zu einer "sicheren Abtreibung" als Gesundheitsmaßnahme aufgefordert hatte. Auch Planned Parenthood, der größte Abtreibungsanbieter in den USA, starte im Namen des Zika-Virus eine Pro-Abtreibungs-Kampagne. "Der Virus soll zum Staatsfeind erklärt werden, aber bitte nicht Kinder mit Behinderung", forderte die Bioethikerin. Eine erkennbare Folge sei nämlich, dass viele Schwangere in Panik nun Abtreibungen durchführen würden, obwohl viele trotz Zika-Virus gesunde Babys auf die Welt bringen.

Die öffentlichen Warnsignale stünden kaum in Relation zu den bisherigen Ausmaßen der Krankheit, so ein weiterer Kritikpunkt. "Am gefährlichen Dengue-Fieber erkranken jährlich 400 Millionen Menschen weltweit, mehr als 22.000 sterben daran, ein WHO-Notstand wurde aber nie ausgerufen", verdeutlichte Kummer.

Generell sind laut Kummer noch mehr Forschungsanstrengungen nötig, ob es tatsächlich einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Virus und den Fällen von Mikrozephalie gibt. Faktum sei, dass infolge eines brasilianischen Erlasses einer Meldepflicht zu Verdachtsfällen von Mikrozephalie die grundsätzliche Zahl der angezeigten Fälle von 147 auf 4.783 gestiegen sei. Davon seien bisher "nur" 404 Fälle tatsächlich bestätigt worden und nur in 17 Fällen konnte nachgewiesen werden, dass sich Schwangere zuvor mit dem Virus infiziert hatten.

Epidemologen kritisieren außerdem, dass es bislang keine einheitlichen Diagnosekriterien für eine Mikrozephalie gibt. Fehldiagnosen sind die Folge, die massive Häufung von Mikrozephalie-Fällen ist auch auf eine statistische Verzerrung zurück zu führen. Ungeklärt ist bisher auch, warum es offensichtlich eine Häufung in Brasilien gibt, aber keinen bestätigten Fall etwa in Kolumbien, wo jedoch tausende Schwangere an Zika erkrankt sind.

Auffallend ist laut der Wiener Bioethikerin, dass die Krankheit überproportional häufig arme Familien unter hygienisch prekären Bedingungen trifft. Offen ist auch, ob Ernährungsdefizite oder ethnische Besonderheiten eine Rolle spielen. Kummer: "Armut und Bildungsnot lassen sich nicht von Heute auf Morgen beseitigen, das sind langwierige Prozesse, für die es weltweit gemeinsame Anstrengungen braucht." Auch Alkoholkonsum könnte als möglicher Faktor eine Rolle spielen: Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts zufolge sei dieser während der Schwangerschaft einer der häufigsten Gründe für eine angeborene Behinderung.

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