Missbrauchsbeauftragter: «Grob fahrlässig»

11. Februar 2016 in Deutschland


Rörig, Missbrauchsbeauftragter der deutschen Bundesregierung, dringt auf einen besseren Schutz von Müttern und Kindern in den Flüchtlingsunterkünften. Von Birgit Wilke (KNA)


Berlin (kath.net/KNA) Er kam als Helfer und wollte Flüchtlingskindern Deutsch beibringen. Seine Vertrauensstellung nutzte er aber in einer Nürnberger Unterkunft auch für sexuelle Übergriffe. Fast jede Woche erhalte sein Büro Anrufe, in denen Fälle wie dieser geschildert würden, erzählt der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Es müsse endlich mehr geschehen. Kinder und Mütter müssten in den Aufnahmeeinrichtungen besser geschützt werden. Es sei «grob fahrlässig», dass die EU-Aufnahmerichtlinien nicht erfüllt würden, empört er sich an diesem Donnerstag in der Berliner Bundespressekonferenz. Deswegen habe die Bundesregierung bereits einen «blauen Brief» aus Brüssel erhalten. Das Asylpaket II müsse deshalb im parlamentarischen Verfahren unbedingt nachgebessert werden.

Auch die Menschenrechtsorganisation Solwodi kennt solche Fälle und und plädiert für eigene Unterkünfte für Flüchtlingsfrauen und deren Kinder. In den Sammelunterkünften gebe es keine Rückzugsmöglichkeiten, beklagt etwa deren Gründerin Lea Ackermann.

Neben den Helfern gehörten auch Mitarbeiter des Wachpersonals und andere Bewohner - wie in einem Heim des Deutschen Roten Kreuzes in Eisenhüttenstadt - zu den potenziellen Tätern, berichtet Rörig. Er bedauere sehr, dass die Formulierungen für einen besonderen Schutz von Müttern und Kindern aus dem ursprünglichen Referentenentwurf gestrichen worden seien. Er selber hätte er sich eine engere Einbindung in die Beratungen über das Asylpaket gewünscht. «Wenn Unsicherheiten bestehen, welches Ausmaß eine Regelung haben kann, wäre es mir schon recht, wenn die Ministerien stärker auf unsere Expertise zurückgriffen», so formuliert es Rörig. Kinder hätten oft Traumatisches in ihren Herkunftsländern und während der Flucht erfahren, viele von ihnen litten bereits unter posttraumatischen Belastungsstörungen.

Ein erweitertes Führungszeugnis der Helfer sei ein guter Baustein, reiche aber als Schutz nicht aus. Er verweist auf seine Checkliste, die sein Büro zusammen mit Beratungsstellen erstellt hat. Zu den Standards gehört dabei etwa, dass Helfer über sexuelle Gewalt gut sensibilisiert und aufgeklärt werden, dass es geschlechtergetrennte Duschmöglichkeiten gibt und Ansprechpartner benannt werden, an die sich Betroffene in einem Verdachtsfall wenden können. Deutlich wird, dass ein besserer Schutz nicht unbedingt mehr Geld für die Unterbringung bedeutet, sondern dass dieser im Vorfeld einfach «mitgedacht» werden muss.

Jetzt setzt Rörig - wie viele andere Verbände - auf das parlamentarische Verfahren. Nachdem sich die Koalition nun seit Wochen über das Asylpaket stritt und nun auch ein Kompromiss für den Familiennachzug für unbegleitete Flüchtlinge gefunden wurde, stehen die Chancen dafür aber eher nicht günstig.

Daran kann auch die Grünen-Fraktion vermutlich nichts ändern, deren Sprecher schon mehrfach betonten, dem Paket so nicht zustimmen zu können. Auch am Donnerstag mahnte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Dörner bessere Schutzkonzepte an.

Und auch die Folgen des «blauen Briefes» sind erst mal überschaubar. Die Bundesregierung habe nun eine Frist von zwei Monaten, so berichtet Rörig. Danach leite die EU-Kommission ein Ordnungsgeldverfahren ein.

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